Zielgenau, effizient, gut skalierbar und in Echtzeit optimierbar: Das sind wesentliche Vorteile programmatischer Werbung. Was sich im Display Advertising bereits durchgesetzt hat, steht jedoch in anderen Werbekanälen oft noch am Anfang. Damit sich Programmatic als Goldstandard für digitale Werbung etablieren kann, müssen digitale Kanäle konsequent in das programmatische Ökosystem integriert werden. Doch es warten einige Herausforderungen.
Connected TV (CTV) ist einer der aufstrebenden Werbekanäle, die in den vergangenen Jahren kontinuierlich an Bedeutung gewonnen haben. Laut der aktuellen Advanced TV-Studie von Goldbach ist CTV auch bei allen werberelevanten Zielgruppen sehr beliebt. 79 Prozent der Befragten gaben an, CTV zu kennen, 61 Prozent nutzen entsprechende Angebote, zum Beispiel Streaming-Apps, TV-Sender-Apps oder Gaming-Apps. Die Nutzungsintensität im Vergleich zu den Vorjahren weiter angestiegen. Auch die Werbemöglichkeiten haben sich stark entwickelt. Als beispielsweise Pluto TV im Jahr 2014 gegründet wurde, steckten programmatische Einkaufsmöglichkeiten im CTV noch in den Kinderschuhen. Heute ist das gesamte Inventar von Pluto TV, mit Ausnahme von Kids Content, programmatisch verfügbar und mehr als 80 Prozent der Werbeeinnahmen von Pluto TV in Deutschland werden über programmatische Kanäle erzielt. Werbetreibende können Pluto TVs themenbasierte, kuratierte und linear programmierte Kanäle über einen kontextuellen Targeting-Ansatz (Content-Genre, Gerätetyp usw.) über gängige Supply-Side-Plattformen (SSP) buchen.
Doch nicht bei allen Media-Einkäufern sind die programmatischen Möglichkeiten für Big-Screen-Buchungen schon in den Mediaplänen angekommen. Laut Carol Starr, VP Ad Revenue International bei Pluto TV, erhält das Unternehmen zunehmend Anfragen aus zwei Richtungen: Zum einen suchen traditionelle TV-Einkäufer wegen der Inventarknappheit im traditionellen linearen TV sowie aufgrund der verbesserten Targeting-Optionen auf themen- und interessensbasierten Sendern nach Alternativen, um ihre Zielgruppen vor dem Fernseher zu erreichen. Zum anderen wollen digitale Einkäufer im Zuge einer Omnichannel-Strategie Zielgruppen über alle Kanäle hinweg erreichen. Obwohl das Interesse beider Einkäufergruppen an CTV-Inventar groß ist, gibt es laut Starr Unterschiede in der Bereitschaft zur Verwendung programmatischer Werbetechnologien: „Programmatic Advertising ist bei digitalen Einkäufern alltäglich, während es bei klassischen TV-Einkäufern noch ‚gelernt‘ werden muss“.
Standards für CTV nötig
Um CTV vollends in das Programmatic-Universum zu integrieren, müssen zudem Standards geschaffen werden. Streaming-Dienste wie Pluto TV streben zum Beispiel danach, ihre Werbeblöcke („Ad Pods“) so effizient wie möglich zu füllen. „Hierbei ist es von entscheidender Bedeutung, eine hohe Dichte an vielfältigen Werbekampagnen zu ermöglichen, während gleichzeitig die Wiederholung von gleichen Werbespots innerhalb eines Ad Pods verhindert werden muss“, erläutert Starr. Eine robuste Ad-Podding-Technologie und Strategie, wie sie von Pluto TV über mehrere Jahre hinweg aufgebaut wurde, sei unerlässlich, um Werbeunterbrechungen anzubieten, die sich wie im traditionellen Fernsehen anfühlen, und somit eine ansprechende User Experience liefern, sowie eine effiziente Monetarisierung in Echtzeit über den programmatischen Kanal ermöglicht. „Hinsichtlich Ad-Podding fehlen nach wie vor einheitliche Standards zwischen programmatischen Marktteilnehmern, die eine effizientere Monetarisierung und Maximierung des Ertragspotenzials erschweren“, sagt Starr. Zudem führt der Expertin zufolge die hohe Fragmentierung im Markt dazu, dass weder die bestehenden Legacy-Systeme noch die neuen aufkommenden Alternativen bisher eine einheitliche, plattformübergreifende Messlösung bieten konnten. Effektive Messlösungen sind jedoch entscheidend für Werbetreibende, um die Werbewirkung über alle Gattungen, einschließlich CTV, messen zu können. „Um langfristig den Mediaeinkauf über den programmatischen Kanal zu skalieren, müssen alle Marktteilnehmer zusammen an einem gemeinsamen Standard und Lösungen arbeiten“, sagt Starr und spricht damit besonders Streaming-Publisher, Technologieanbieter und Werbetreibende an.
Auch aus Sicht von Frank Möbius, Managing Director beim eingangs genannten Studienverantwortlichen Goldbach, müssen im Bereich CTV die Marktstandards weiter etabliert werden. „Wir arbeiten dort aktuell weitestgehend mit dem Online-Vermarktungs-Modell, haben hier aber kein reines One-to-One-Medium“, sagt Möbius. Die CTV-Nutzung ähnelt der TV-Nutzung, somit sitzen mehrere Personen vor dem Big Screen. Laut Möbius muss hier noch weiter Aufklärungsarbeit geleistet werden.
Programmatic Audio bitte nicht vergessen
Große Fortschritte gibt es im Bereich Audio, das zeigt ein Blick auf den Audio-Vermarkter RMS. Stand heute sind dort alle Online-Audio-Inventare und auch Podcasts programmatisch buchbar. Das verfügbare Inventar wird als “Run of Network Bundle” angeboten und anhand der von RMS eigens entwickelten Audio DMP auf die gewünschten Zielgruppen ausgesteuert. Laut Verena Finkeisen, Senior Consultant Programmatic bei RMS, ist Programmatic Audio als Kanal bereits heute bei Media-Einkäufern als Kampagnen-Bestandteil etabliert, da Programmatic Audio Touchpoints zu interessanten Zielgruppen wie zum Beispiel Smart Speaker Usern, Non-linear TV-Nutzern oder Ad-Blocker Usern bietet, die kein anderes Medium erreichen kann. „Allerdings ist in der operativen Umsetzung von Kampagnen zu bedenken, dass sich die Datenstruktur der User-Daten im Programmatic-Audio-Bereich aufgrund der großen Cookieless-Reichweiten von anderen Programmatic-Kanälen unterscheidet“, sagt Finkeisen. Jedoch verfügt Programmatic Audio bereits heute über etablierte Cookieless-Targeting-Lösungen, „die mindestens eine gleichwertige – und in Hinblick auf die bereits jetzt schon schwindende Anzahl der Third-Party-Cookies – vermutlich qualitativ hochwertigere Zielgruppenansprache ermöglichen.
Nach Einschätzung der Beraterin war Programmatic Audio aus Sicht der Planer bisher aufgrund der bereits heute großen Cookieless-Reichweiten und der sich folglich unterscheidenden Datenstruktur eher ein Exot unter den Programmatic-Kanälen, da sich die Steuerung der Kampagnen entsprechend unterscheidet. „Mit dem bevorstehenden – wenn auch zugegebenermaßen sehr langsamen Sterben – des Third-Party-Cookies ändert sich das“, sagt Finkeisen und begründet es damit, dass Programmatic Audio seit jeher ohne Cookies auskommen musste und bereits eine etablierte Lösung für Cookieless Targeting gibt. Ein Weg, den andere programmatische Kanäle noch vor sich haben.
„Darüber hinaus ist klar, dass innerhalb des Programmatic-Audio-Marktes weitere Standardisierungen notwendig sind“, sagt Finkeisen. Das Ziel müsse sein, dass der Kanal mit möglichst wenig Aufwand möglichst effizient und weitestgehend analog zu anderen Programmatic-Kanälen gebucht werden kann. „Dazu ist es zwingend erforderlich, dass der Kanal auch auf Ebene des IAB und anderen Institutionen bei branchenübergreifenden Standardisierungen wie zum Beispiel TCF 2.0 endlich mitgedacht werden muss“, so Finkeisen.
Gaming-Inventar an Trading-Plattformen anbinden
Technologische Voraussetzungen und die vorhandene Marktstruktur spielen bei der Integration neuer Kanäle eine große Rolle – bestes Beispiel ist die programmatische Vermarktung von Mobile Games. Das Wachstumspotential des gesamten Marktes für In-Game Advertising wird aktuell auf jährlich 13 Prozent für einen Zeitraum bis 2027 geschätzt. Erste Adtech-Player positionieren sich oder setzen auf strategische Partnerschaften mit Anbietern, die bereits im Bereich Gaming positioniert sind. Das Adtech-Unternehmen YOC fokussiert sich beispielsweise auf die Bedürfnisse der Demand-Seite, um In-Game Advertising für HTML Creatives zugänglich und programmatisch handelbar zu machen und den Kanal von Beginn an in eine Omnichannel-Strategie zu implementieren. „Eine aktuelle Herausforderung ist die quantitative Anbindung von Inventar im Gaming-Bereich an die entsprechenden Trading-Plattformen“, sagt YOC-CEO Dirk Kraus. Dies gehe einher mit der technologischen Herausforderung einer fragmentierten Landschaft unterschiedlicher Game Engines, die zur Programmierung der Spiele genutzt werden und für die jeweils ein dezidiertes SDK bereitgestellt werden muss, um die integrierten Werbeplätze programmatisch handelbar zu machen.
„Die Demand-Seite ist nach unserer Erfahrung bereits sehr interessiert und bereit, erste Budgets in diesem Channel zu platzieren. Eine Hürde kann hier der Bedarf an spezifischen Creatives sein. Unser Ziel bei YOC ist es daher, die Werbeplätze im Kanal In-Game so zu gestalten, dass bestehende Kampagnenmotive nahtlos eingesetzt werden und der Kanal somit direkt in den Trading-Prozess eingebunden werden kann“, so Kraus. Das Adtech-Unternehmen möchte aktiv zur Ausgestaltung dieses Kanals beitragen und perspektivisch die nahtlose Integration des Kanals in programmatische Kampagnen über seine eigene Plattform anbieten. „Um dies zu erreichen und In-Game zu einem Branchenstandard zu machen, gilt es, die genannten Hürden abzubauen und somit vor allem den einfachen Zugang dieses Kanals zu ermöglichen“, sagt Kraus.
Agenturen in aktiver Rolle bei Standardisierungen
Neue Bildschirme oder Kanäle in einen programmatischen Kampagnenmix einzubinden, ist auch für Agenturen keine leichte Aufgabe. „Zentrale Herausforderung ist und bleibt die unterschiedliche Nähe der Kanäle zum Nutzer“, sagt Sascha Dolling, General Manager bei Mediaplus Realtime. Handelt es sich bei Mobile und Desktop um persönliche Devices, sind CTV und smarte Lautsprecher Geräte, die vom gesamten Haushalt genutzt werden. DOOH findet schließlich im öffentlichen Raum statt, weshalb in der Regel nur noch von Kontaktchancen gesprochen werden kann. „Dies gilt es für den gesamtem Mediaprozess zu beachten: von der Planung, über die Aussteuerung, bis hin zur Erfolgsmessung“, sagt Dolling. Beim Thema Standardisierung sieht er auch die Agenturen in der Pflicht und keinesfalls in einer passiven Rolle, für die etwas standardisiert werden muss. „Der Mediaagentur mit all ihrer Expertise kommt eine zentrale Rolle bei der Standardisierung zu. Sei es bei Definitionen, bei Prozessen oder bei der kritischen Bewertung“, sagt Dolling. Vielfach dann in Zusammenarbeit mit den technischen Dienstleistern, die diese Dinge schließlich technisch auf die Straße bringen müssen.
„Wichtig ist, dass sich die Branche zusammensetzt und einen Standard für alle Marktteilnehmer schafft. Ziel sollte es immer sein, den Werbetreibenden einen möglichst einfachen und nachvollziehbaren Zugang aufzuzeigen“, betont auch Möbius. Goldbach hat dies im Bereich DOOH bereits umgesetzt – mit der von Goldbach, dem DMI und Ströer gegründete Initiative IDOOH. Man habe dadurch einheitliche Standards und eine Währung geschaffen, damit das Medium transparent, einfach buchbar und integrierbar ist, so Möbius. So werde auch eine Vermarkter-übergreifende Planung ermöglicht. Doch technische Anbindungen und Planungen sind bei der Integration neuer Kanäle in das programmatische Ökosystem nur eine Seite der Medaille. KPIs und übergreifende Messungen sind die andere.
Welche Herausforderungen in Sachen Targeting und Messbarkeit auf die Branche warten, verraten wir im zweiten Teil unserer Mini-Serie: Neue Programmatic-Kanäle, neue Erfolgsmessung?
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