Cookies verschwinden, aber was ist die Alternative?
Jan Heumüller, 26. Mai 2023Die Werbeindustrie, so wie sie bisher existiert, wird sich aufgrund der regulatorischen, ethischen und technologischen Herausforderungen, mit denen sie momentan konfrontiert wird, grundlegend ändern. Von strengeren Vorschriften wie der CCPA über Nutzer, die sich gegen die Weitergabe ihrer Daten zu Werbezwecken entscheiden, bis hin zur Abschaffung von Third-Party-Cookies. Auch Advertising Identifier sind definitiv auf dem Rückzug.
Laut einer kürzlich durchgeführten weltweiten Umfrage des Marktforschungsunternehmens IDC haben das auch Marken und Medienagenturen verstanden: 60 Prozent glauben, dass Cookies und IDs in absehbarer Zeit abgeschafft werden. Überraschend dabei ist jedoch, dass sich nur 41 Prozent der Werbetreibenden mit alternativen Targeting-Methoden zu Cookies und IDs auskennen. Das zeigt deutlich, dass innovative Technologieunternehmen, die ohne Cookies operieren, ihre Modelle besser vermarkten und erklären müssen, da die verschiedenen, technisch anspruchsvollen Lösungen undurchsichtig für Werbetreibende sein können.
Eine beträchtliche Anzahl dieser neuen Lösungen, einschließlich Unified IDs und kohortenbasiertem Targeting, ist immer noch auf Nutzer-Identifier angewiesen. Trotz ihrer besten Absichten wird es für diese Technologieanbieter schwierig, die erforderliche Skalierbarkeit zu erreichen, um ein echter Nachfolger der Cookie-basierten Werbung zu werden.
Unified IDs sind nicht skalierbar
Diese Lösungen können nicht interoperabel sein und ihr isolierter Zugang erschwert es Vermarktern, die gewünschte Reichweite zu erreichen. Es ist praktisch unmöglich, sich auf einen gemeinsamen, einheitlichen ID-Standard zu einigen, da jeder Anbieter bisher zu viel investiert hat, um sein Streben nach Marktdominanz aufzugeben. Selbst wenn das auf magische Weise geschehen würde, wäre es immer noch keine Lösung für die Durchführung geografisch übergreifender globaler Kampagnen in großem Umfang. Es ist außerdem schwer vorstellbar, dass sich globale Marken darauf einlassen, mehrere Vereinbarungen mit diesem Flickenteppich von einheitlichen ID-Lösungen zu unterzeichnen, um beispielsweise 200.000 Nutzer in ihrer Zielgruppe zu erreichen.
Selbst wenn wir uns eine Welt vorstellen, in der das Problem der Interoperabilität gelöst wäre, wäre es schwierig für ID-Lösungen sich durchzusetzen, da Nutzer Online-Tracking mittlerweile massiv ablehnen. Neben der mangelnden Akzeptanz der Verbraucher erhalten Unified-ID-Lösungen auch keine große Unterstützung von der breiten Masse der Publisher, da es auch nicht in ihrem Interesse ist, Nutzerdaten zu teilen. Darüber hinaus verschlüsselt die Einstellung “Private Relay” in Apples Safari-Browser die IP-Adressen der Nutzer, sodass es unmöglich ist, sie mit eindeutigen IDs abzugleichen.
Es ist daher recht vielsagend, dass nur 51 Prozent der befragten Führungskräfte von Agenturen und 61 Prozent der Markenunternehmen geantwortet haben, dass sie glauben, ihre Zielgruppen weiterhin in großem Umfang erreichen können, wenn sie die Verwendung von Cookies und IDs einstellen.
Kohortenbasierte Werbung ist auch nicht ohne Risiko für den Datenschutz
Google hat mit Google Topics, einer Targeting-Methode, die den Browserverlauf der Nutzer analysiert, um allgemeine Themen zu finden, eine Vorreiterrolle beim kohortenbasierten Targeting eingenommen. Praktisch gesehen fasst eine Kohorte Nutzer auf der Grundlage ihrer Surfgewohnheiten zusammen und gibt ihnen dieselbe Kohorten-ID. Im Endeffekt basiert diese Technik also immer noch auf IDs.
Interessanter ist jedoch, dass kohortenbasiertes Targeting, auch wenn es das Nutzerverhalten auf einer aggregierten Ebene erfasst, letztendlich immer noch Nutzerinformationen sammelt und digitales Verhalten verfolgt, ohne dass sich die Nutzer dessen voll bewusst sind. Damit werden weder die Risiken für den Schutz der Nutzerprivatsphäre beseitigt noch die Sorge gelöst, dass 60 Prozent der Werbetreibenden glauben, dass Nutzer-Tracking ein Reputationsrisiko für Marken darstellt.
Personas targeten – keine Nutzer
Doch es gibt auch gute Nachrichten. Mithilfe von Persona-basiertem Targeting anstelle von ID-basierter Werbung können Marken einen datenschutzfreundlichen und zukunftssicheren Ansatz schaffen und ihre Kunden in großem Umfang effektiv ansprechen. Die Skalierbarkeit ist dabei gewährleistet und gleichzeitig wird den Wünschen der Verbraucher und der Regulierungsbehörden wie dem CCPA entsprochen. Persona-basierte Werbung konzentriert sich auf die Umfelder, in denen Inhalte konsumiert werden, anstatt Nutzer online zu tracken und nutzt Umfragen, um Personas zu erstellen, die für eine bestimmte Marke relevant sind.
Angenommen, eine Marke möchte die Zielgruppe einer Gaming-App qualifizieren. Durch direkte Umfragen unter den Nutzern erhält sie ein tieferes Verständnis dieser Zielgruppe hinsichtlich ihrer Vorlieben in anderen Bereichen wie beispielsweise Kochen, Haustiere, Sport etc., was über die Tatsache, dass sie eine Gaming-App nutzen, hinausgeht. Auf diese Weise können Werbetreibende von einem nutzerzentrierten zu einem platzierungszentrierten Ansatz wechseln, welcher sowohl die Skalierbarkeit gewährleistet, die der Markt erfordert, als auch die strengen Anforderungen an den Verbraucherschutz erfüllt.
Die IDC-Studie bestätigt, dass Marken und Medienagenturen mit dieser Umstellung beginnen. Auf die Frage, welche Änderungen nach der Abschaffung der Cookies von Drittanbietern erforderlich sind, gaben 32 Prozent der Befragten an, dass sie die Adtech-Anbieter, mit denen sie derzeit zusammenarbeiten, ändern werden. 64 Prozent dieser Befragten wollen die Budgets in Richtung der Anbieter erhöhen, die sich nicht auf die Erhebung persönlicher Daten stützen. Wenn Werbetreibende vermehrt auf Persona-basiertes Targeting zurückgreifen, könnte das eine globale Bewegung auslösen, die auch andere Marken dazu inspirieren könnte, ID-basierte Werbung komplett hinter sich zu lassen. Auf diese Weise können Werbetreibende weiterhin effizient arbeiten, ohne dabei die Skalierbarkeit zu beeinträchtigen oder die Privatsphäre der Verbraucher zu gefährden.
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