Geolytics als Brücke zwischen Kaufbereitschaft und Verfügbarkeit im Laden
Anton Priebe, 6. April 2023Es ist eine Herausforderung, vorherzusagen, wann Konsumenten beispielsweise Lust auf ein Erfrischungsgetränk haben und vor allem wo. Gastronomie, Einzelhandel und der Außer-Haus-Markt und sind stark fragmentiert und viele Marken kämpfen hier um die Vorherrschaft. Geschäfte wie Restaurants, Kantinen oder Bäckereien kommen als Verkaufsstellen infrage und wollen mit unterschiedlichen Produkten bestückt werden. Die Beratung TD Reply hat eine Methode entwickelt, die Kaufbereitschaft der Konsumenten mit der physischen Verfügbarkeit an den Standorten zu koppeln. Dabei basiert diese zum großen Teil auf offen zugänglichen Daten rund um die Verkaufsstellen herum. Im Interview erklärt Niklas Stog, Associate Partner bei TD Reply, was hinter Geolytics steckt und welche Datenquellen dafür angezapft werden können.
ADZINE: Hi Niklas, was verbirgt sich hinter dem Begriff Geolytics?
Niklas Stog: Geolytics beschreibt die Nutzung von Daten wie lokalen Konsumentenbewertungen, Points of Interest in der örtlichen Umgebung, soziodemographischen Daten und Verhaltensdaten, um Vertriebs-, Marketing- und Mediamaßnahmen ortsgenau auszusteuern.
Der Ansatz ist dabei immer gleich: Wir zerlegen eine bestimmte Geographie, zum Beispiel Deutschland oder ein Bundesland, in Millionen von Zellen, die jede ein einzigartiges Profil über die oben genannten Daten erhalten. Diesen Datensatz nutzen wir dann isoliert oder in Verbindung mit den Daten unserer Kunden, um Locations mit dem höchsten Potenzial zur Erreichung von Unternehmenszielen zu identifizieren. Mithilfe eines Dashboards werden die Daten für die Kunden aufbereitet und maximal zugänglich gemacht.
ADZINE: Woher kommen die Daten, also wo genau klinkt ihr euch ein?
Stog: Unsere Datenbasis ist vielseitig. Wir nutzen Daten aus Online-Navigations-Diensten wie Maps, Review-Plattformen, auf denen lokale Geschäfte, Sehenswürdigkeiten und andere Points of Interest bewertet werden, und Open-Source-Dienste, die Informationen zu geographischen Details und lokalen soziodemographischen Merkmalen zur Verfügung stellen. Hinzu kommen, je nach Use Case, Online Search und Social-Listening-Daten, First-Party-Daten unserer Kunden – Konsumenten oder B2B-CRM – oder Third-Party-Daten externer Anbieter, wie zum Beispiel lokal verfügbare Bewegungs- und Verhaltensdaten von App-Nutzern.
ADZINE: Warum geht das so “einfach” angesichts der zunehmend schärferen Datenschutzbestimmungen?
Stog: Uns interessiert nicht, was einzelne Konsumenten tun, sondern welche Themen, Inhalte und Angebote für bestimmte Zielgruppen an bestimmten Orten relevanten Orten sind. Ein Übereinanderlegen von Zielgruppenclustern und relevanten GPS-Koordinaten reicht in aller Regel aus, um hohe Steigerungen in Conversion Rates und Abverkauf zu erzielen. Deshalb betreffen uns Diskussionen um den Schutz personenbezogener Daten in aller Regel nicht.
ADZINE: Wie kommen die Daten, die ihr aufbereitet, zu den richtigen Technologien, die am digitalen Mediaeinkauf beteiligt sind?
Stog: Unsere Daten liegen in einer AWS-Cloud-Umgebung, über die die Daten entweder per API oder als Data dump beziehungsweise CSV-Export exportiert werden können.
ADZINE: Uns interessiert mit Blick auf Geolytics natürlich besonders der Targeting-Bereich. Inwiefern können die Daten, die ihr nutzt, Hilfestellung bei der Mediabuchung geben?
Stog: Wir helfen Marken dabei, Zielgruppen an Orten zu erreichen, an denen sie Kaufentscheidungen treffen und diese Kaufentscheidung entsprechend zu beeinflussen. Die von uns identifizierten Koordinaten – und gegebenenfalls Uhrzeiten – werden für die Aussteuerung von lokal adaptierbaren Media Channels wie Plakate und digitale Außenwerbung, Geofencing, Search und Social Media eingesetzt.
ADZINE: Hast du ein praktisches Beispiel für uns?
Stog: Wir unterstützen beispielsweise einen bekannten, internationalen Getränkehersteller dabei, den Abverkauf seiner Brands zu steigern, indem wir Hotspots identifizieren, mit der größten Überlappung von Consumer-Zielgruppen, Gastronomie-Outlets und physischer Produktverfügbarkeit. Die Mediaagentur des Kunden bucht OOH-Flächen und digitale Geo-Marketing-Maßnahmen in der größtmöglichen Nähe zu diesen Hotspots, was in den so umgesetzten Kampagnen eine Umsatzsteigerung von bis zu 20 Prozent zur Folge hatte.
ADZINE: Welches sind weitere potenzielle Datenquellen, die ihr gern nutzen würdet, aber nicht dürft oder könnt? Wird sich dies perspektivisch ändern?
Stog: Die Verfügbarkeit von Daten ist andauernd im Fluss und man muss lernen, flexibel darauf zu reagieren. So haben wir vor einigen Jahren noch die Facebook API genutzt, um anstehende lokale Events in unser Modell zu integrieren. Nachdem die API deaktiviert wurde, sind wir deutlich stärker auf Google-Suchdaten und die Analyse statischer Points of Interest umgeschwenkt. Ein Mangel an bestimmten Informationen sorgt in der Regel dafür, dass wir nach kreativen Alternativen suchen – was unsere Algorithmen wiederum robuster und flexibler macht.
ADZINE: Advertiser müssen heute ebenfalls kreativer werden im Umgang mit Daten, denn zumindest personenbezogene schwinden zunehmend. Hand aufs Herz – sind offen zugängliche Daten vielleicht die besseren Daten fürs Advertising?
Stog: Absolut. Diese Prämisse verfolgen wir bei TD schon seit Jahren. Im Sinne des Pareto-Prinzips ist das „Segment of One“ nicht immer effizient – ein Verständnis von größeren Zusammenhängen, Zielgruppen und Insights führt in der Regel effektiver und effizienter zum Erfolg.
ADZINE: Danke für das Interview, Niklas!
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