Da personenbezogene Nutzerdaten nur noch mit dem ausdrücklichen Einverständnis der Betroffenen für Werbezwecke erfasst werden dürfen, gehört das Consent Management mittlerweile zum Standard in der Online-Vermarktung. Aber nicht jeder stimmt zu, dass Cookies oder andere Identifikatoren eingesetzt werden, um das eigene Nutzerverhalten zu tracken. Wie lässt sich dieses Traffic-Potenzial trotzdem heben?
Da die Digital-Werbebranche bereits seit Jahren mit Adblockern zu kämpfen hat, war eine Nachricht vergangenes Jahr für die Vermarktung besonders bitter: Ghostery gab die Einführung seiner neuen Funktion „Never-Consent“ bekannt. Damit können User nicht nur Werbung, sondern sogar die Consent-Banner blockieren, mit denen Publisher die Werbe-Zustimmung der Nutzer einholen wollen. Das ist ein Problem für die Monetarisierung der Inhalte. Hinzu kommen all jene Websitebesucher, die aktiv die Zustimmung zur Datenerhebung und -verarbeitung verweigern. Die durchschnittliche Zustimmungsrate liegt hierzulande immerhin bei schätzungsweise 72 Prozent, ist dabei allerdings sehr branchenabhängig.
Publisher: Renaissance der Paywalls?
Ganz egal, wie man zu diesen Zahlen steht: Consent oder Non-Consent ist eine freie Entscheidung des Nutzers zum Umgang mit seinen Daten. „Als digitaler Publisher wissen wir, dass ‘No Consent’ aber nicht gleichbedeutend mit ‘No Income’ sein kann“, sagt Stefan Bornemann, COO von Wetter.com, der dort für die B2B-Unit Meteonomiqs verantwortlich ist. Ohne Erlöse sei die tägliche Produktion hochwertiger, redaktionell produzierter Inhalte unmöglich. „Hier gilt es, dem Nutzer eine faire und transparente Entscheidung anzubieten“, sagt Bornemann. So hat sich sein Unternehmen der Initiative Contentpass angeschlossen. Nutzer der Wetter.com-Website können sich frei und datenschutzkonform entscheiden, ob sie Wetter.com weiterhin kostenfrei mit Werbung nutzen wollen oder dank eines Contentpass-Abonnements einen werbe- und trackingfreien Zugang zu der Seite sowie zu mehr als 150 weiteren digitalen Medien erhalten.
Auch beim Vermarkter Highfivve setzt man auf diese Lösung. Die Paywall von Contentpass wird beispielsweise für Gutefrage.net eingesetzt, da man dort keinen Non-Consent-Traffic erlaubt. „Es gibt aber darüber hinaus bei einer ‚klassischen‘ Integration einer Consent-Management-Plattform die Möglichkeit, Werbeplätze direkt auf der Website zu verbauen. Wir handhaben das je nach Publisher individuell“, erläutert Martin Pichler, Chief Sales Officer bei Gutefrage.net und Highfivve.
Consent muss nicht die Hauptrolle spielen
Doch nicht nur über Bezahlschranken kann Non-Consent-Traffic monetarisiert werden. „Non-Consent-Traffic ist keine B-Ware, sondern hat andere spannende Datensignale, die ihn für Kunden und Agenturen attraktiv machen können. Diese gilt es herauszuheben und buchbar zu machen“, ist Stephan von Dahlen, Head of Research & Business Development bei Burda Forward, überzeugt. Das digitale Medienhaus hat schon früh und massiv in eigene Technologien rund um Kontext- und semantisches Targeting investiert, die ohne Cookies und Consent auskommen.
Mit einem Mix aus innovativen Produkten und Konzepten schafft das Unternehmen nach eigenen Aussagen über alle Demand-Kanäle hinweg eine hohe Auslastung seiner Angebote. Beim Contextual Targeting bietet man eine cookiefreie Lösung, bei der kein Consent benötigt wird. „Hier setzen wir uns im Markt für mehr Standardisierung ein, damit wir diesen Traffic optimal an die Demand-Seite bringen“, sagt von Dahlen. Mit Native Advertising und Content-Commerce-Produkten ist der Vermarkter zudem an ganz anderen Stellen erfolgreich, wo der Consent nicht die Hauptrolle spielt. Über Produkte von Partnern wie Xandr nutzt das Medienhaus weitere Möglichkeiten, Traffic ohne Consent zu verwerten.
Mehrere Säulen zur Adressierbarkeit sind sinnvoll
Nach Einschätzung von Lasse Nordsiek, Managing Director DACH bei Equativ, geht es beim Thema Non-Consent-Traffic aber nicht primär nur um die Einwilligungsfrage. „Wichtiger ist in diesem Kontext vielmehr die Frage nach der allgemeinen Adressierbarkeit von Nutzern, ein nicht gegebener Consent ist dabei lediglich ein Faktor von vielen“, so der Experte.
Die Browser Safari und Firefox haben in Deutschland einen Marktanteil von fast 40 Prozent, hier ist die Ansprache durch Third-Party-Cookies schon länger nicht mehr möglich. Außerdem schätzt man, dass rund 20 Prozent der User Adblocker einsetzen. Nordsiek zufolge muss zusätzlich davon ausgegangen werden, dass weitere Tracking-Opportunitäten bei der Synchronisierung von Sell-Side- und Demand-Side-Plattformen verloren gehen. Seiner Schätzung nach liegt dieser Anteil bei 10 bis 15 Prozent. So gibt es aus seiner Sicht auch nicht den einen erfolgversprechenden Ansatz, auf die mangelnde Nutzer-Adressierbarkeit zu reagieren. „Vielmehr bietet es sich an, hier auf verschiedene Säulen zu setzen, um die Kampagnen entsprechend aufzuwerten.“
Bei nicht gegebenem Consent seien zum Beispiel das kontextuelle Targeting, das “Viewability Targeting” oder auch das “Completion Rate Targeting” für Videos eine Alternative. „Hat man zwar den Consent für eine User-ID, kann sie aber dennoch nicht erreichen, weil sie beispielsweise einen Browser nutzt, der Third-Party-Cookies nicht unterstützt, können alternative ID-Lösungen zur Anwendung kommen“, sagt Nordsiek. Auch die Anwendung von First-Party-Daten könne in diesem Fall eine gute Lösung sein.
Bei Non-Consent kann umgeleitet werden
Bei Equativ setzt man daher auf einen Multi-Säulen-Ansatz: Im Direktvermarktungsumfeld bietet Equativ einen Adserver, der weiterhin die Auslieferung von Kampagnen auch bei einem Negativ-Consent unterstützt und dabei diverse Targeting-Tools mitliefert, die außerhalb des klassischen User-Targetings funktionieren. Die Lösung lässt sich auch als Zweit-Adserver implementieren. Dabei fängt ein Javascript das CMP-Signal ab und kann, zum Beispiel im Falle eines Negativ-Consents, die Auslieferung auf den Equativ-Adserver auf zuvor gesyncte Platzierungen umleiten.
Im kontextuellen Targeting setzt das Unternehmen verschiedene proprietäre Systeme ein und im Video-Bereich bietet man eine Lösung an, die auf Basis von „Audio Recognition“ funktioniert. Hier wird die Audiospur eines Videos untersucht, auf deren Basis dann die Segmentierung erfolgt. Weitere Säulen sind bei Equativ das bereits genannte Viewability Targeting und das Completion-Rate-Targeting, das naturgemäß allerdings nur im Video-Bereich zur Anwendung kommen kann. „Auch mit der Kombination von verschiedenen Targeting-Kanälen können weiterhin die Erlöse erzielt werden, die wir aus der adressierbaren Werbung gewohnt sind“, sagt Nordsiek.
Rechtlich gesehen ist das Problem viel größer
Heiko Staab, Co-Founder und Director Business Development von Traffective, zeigt zur Monetarisierung von Non-Consent-Traffic ebenfalls vor allem kontext- und nutzungsbezogene Segmente auf, die ins Spiel kommen, wenn personenbezogene Daten nicht funktionieren. Schnelle Fortschritte beim maschinellen Lernen sorgen seiner Einschätzung nach dafür, dass der Abgleich von Markenbotschaften mit Seitenkategorisierungen immer fein stimmiger wird und die Targeting-Qualität mittelfristig sogar besser sein kann als heute mit Third-Party-Cookies. Doch insgesamt sei das Problem viel größer ist als die Frage nach „Consent“ oder „Non-Consent“. Denn selbst das reine Adserving könnte als rechtlich unzulässig beurteilt werden, da IP-Adressen verwendet werden.
„Die entscheidende Frage lautet nicht, was Publisher mit Non-Consent-Traffic tun können, sondern wie sie künftig möglichst den Anteil an Log-in-Traffic durch vielfältige Touchpoint-Modelle erhöhen und wie alle nicht eingeloggten Nutzer auswählen können, ob sie Inhalte mit ihren Daten oder mit Geld bezahlen“, so der Experte. Der Adtech-Anbieter bietet auf seiner Plattform daher für alles Lösungselemente. Neu ist dort zum Beispiel ein medienübergreifendes, sogenanntes Pur-Modell, bei dem User auswählen, ob sie nutzungsbasierte Werbung akzeptieren – und bei der Cookies, Geräte-IDs und ähnliche Tracking-Technologien eingesetzt werden –, oder ob sie für eine trackingfreie Nutzung der Angebote bezahlen wollen. In der nächsten Stufe soll die Lösung als medienübergreifender Registrierungs-Hub dem Nutzer ganz persönliche Konfigurationen ermöglichen, die dann über alle angebundenen Publisher hinweg gelten.
Noch eine ganz andere Möglichkeit bietet Adtech-Anbieter Adnuntius: Das Unternehmen hat eine Plattform entwickelt, auf der sich Seller und Buyer direkt miteinander verbinden können. Dabei findet kein Datenaustausch zwischen verschiedenen Systemen statt. Alle Daten bleiben in einem System und somit unter Kontrolle des Publishers und des Users. Aus Sicht von Sven Hoffmann, Country Manager DACH bei Adnuntius, ergeben sich für Advertiser und Publisher einige Chancen, wenn der Non-Consent-Traffic genutzt wird. „Es bedeutet weniger Werbedruck auf Consent-User, da sich die Budgets auch auf die restlichen 30 Prozent verteilen lassen.“ Da es im Non-Consent-Traffic weniger Werbung, und für die User somit auch weniger Störungen gibt, könne man Hoffmann zufolge in zahlreichen Kampagnen bereits höhere Aufmerksamkeiten und auch bessere Ergebnisse beobachten.
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