Daten einkaufen und mit ihrer Hilfe neue Kunden ansprechen: Das ist ein kostengünstiger Weg, um sein Geschäft zu skalieren. Entsprechend gefragt waren solche Kampagnen in der Vergangenheit. Doch der Wind hat sich gedreht: Das Third-Party-Cookie schwindet und die Datenschutzanforderungen werden immer höher geschraubt. Zwangsläufig rücken Bestandskunden und First-Party-Daten noch stärker in den Fokus der Marketer. Dass sich Werbetreibende mehr auf eigene Assets fokussieren, bietet ihnen unterschiedlichste Vorteile. Auch die Optionen, neue Kunden zu gewinnen, sind noch nicht erschöpft.
„Leistungsträger für Adressierbarkeit“: als genau das werden First-Party-Daten bei Annalect angesehen – auch im Advertising. „Wir verstehen diese als die Cookie-Alternative“, sagt Matthias Cada, Managing Partner People based Marketing bei Annalect. Die Daten sorgen demnach für Identity- und Profilierung, aber auch Konnektivität zum und zwischen dem Marketing-Tech-Ökosystem. „Weil First-Party-Daten vor allem durch Owned Media, CRM und Martech generiert beziehungsweise prozessiert werden, entstehen – zusammen mit dem Datenschutz und den Media Teams – für Advertising neue Teams“, sagt Cada. Diese müssten Use Cases, Potenzial und ihre neuen Aufgaben zum Erschließen des Advertising-Potenzials erkennen, annehmen und orchestrieren. Auch sollten die Beziehungen durch fortlaufenden Service onsite und durch Advertising gepflegt werden, von Akquisition über Conversion bis hin zu Retention und After Sales.
Gefragt sind Martech, neue Workflows und Geduld
Um alle First-Party-Data-Potenziale zu heben, ist es daher erfolgversprechend, wenn Advertiser eng mit den Abteilungen im eigenen Haus zusammenzuarbeiten. Mitunter kann es sinnvoll sein, auch neue Technologien und Lösungen einzuführen. „Wenn man mit den eigenen Daten arbeiten muss oder möchte, müssen zwangsläufig mehrere Abteilungen teilweise aus unterschiedlichen Vorstandsbereichen dieses Projekt gemeinsam verfolgen“, sagt Patrick Mohr, Managing Partner bei der Martech-Beratung Mohr & Stade. Denn die Daten liegen teilweise in unterschiedlichen Systemen und die Verwendung beziehungsweise die Erstellung der Marketingmaßnahmen ebenfalls.
Laut Mohr ist die Umsetzung in der Praxis deshalb sehr langwierig. „Die vollständige Einführung einer CDP dauert meist Jahre. Erste Proof-of-Concepts gehen schneller“, so der Berater. Dies hänge auch stark von den Gegebenheiten im Unternehmen ab. Aber der Großteil der Unternehmen hat dem Experten zufolge damit große Probleme und den wenigsten fällt dieses Change-Management leicht. Mohr zufolge gibt es dabei zwei große Baustellen. Zum einen die Implementierung – mit Datenintegration, Pipelines, Datenschutz – und zum anderen den zukünftigen Workflow. „Grundsätzlich bedarf der Ansatz immer einer zentralen Datenhaltung und Erstellung der Kunden- und User-Segmente. Die Marketing-Abteilungen und Agenturen dürfen diese demnach nicht mehr selbst erstellen.“ In diesem Workflow ist es Mohr zufolge nötig, einen regelmäßigen Austausch und Aufgabenzuteilung zu finden.
Neukunden mit Lookalike-Modeling
First-Party-Daten eignen sich nicht nur zum Fokus auf Bestandskunden, weiß Richard Kidd, Regional Director DACH von Mediarithmics. „Vielmehr lassen sich aus den Daten und Profilen der Bestandskunden einfacher und kostengünstiger Neukunden akquirieren“, sagt Kidd. So können Advertiser aus bestimmten Segmenten Lookalikes bilden, die ähnliche Merkmale aufweisen. Diese werden dann für den Einkauf neuer Kunden in den Demand-Side-Plattformen (DSP) eingesetzt. Durch eine gezieltere Ansprache von potenziellen Neukunden lassen sich Kidd zufolge die Kosten für den Einkauf sogar reduzieren.
First-Party-Daten bieten insgesamt viele Vorzüge für das Advertising, insbesondere im Hinblick auf die Datenschutzanforderungen und Browser-Restriktionen. Allerdings liefern sie für sich genommen in der Regel kaum so große Volumina, um damit reichweitenstarke Display-Kampagnen zu fahren. Auch bei Annalect setzt man daher bevorzugt auf Lookalikes: First-Party-Daten werden mit zahlreichen Attributen verknüpft, wodurch sich viele weitere User ansprechen lassen, die über ähnliche Eigenschaften wie die bestehenden Kunden verfügen. Auf diese Weise kann die Reichweite deutlich erhöht werden.
Das A & O: Die Datenaktivierung beim Publisher
Um für Werbekampagnen seine First-Party-Daten auf Publisher-Seite zu aktivieren, gibt es laut Cada aktuell drei praktikable Möglichkeiten: Data-Clean-Rooms, den direkten Import in eine DSP sowie ID-Systeme. „Wir glauben, dass der Weg über Clean-Rooms am besten funktioniert, weil hier ein zusätzlicher Layer für Datenschutzkonformität sorgt“, erläutert Cada. Beim direkten DSP-Import der gehashten Kunden-E-Mail-Adressen, wie es beispielsweise Google mit seinem Customer Match anbietet, gelangen die Daten – zwar datenschutzkonform verschlüsselt – aber direkt zum Vermarkter beziehungsweise zur DSP. Wird hingegen ein Clean-Room genutzt, stellt der Clean-Room-Anbieter als neutrale Instanz sicher, dass keine personenbezogenen Daten von der jeweils anderen Partei eingesehen werden können.
ID-Systeme können ebenfalls die First-Party-Daten auf Publisher-Seite aktivieren. Bei der NetID werden den registrierten E-Mail-Adressen beispielsweise IDs zugeteilt, die im Netzwerk wiedergefunden werden können, sobald sich ein registrierter Nutzer auf einer Netzwerkseite einloggt. Andere ID-Lösungen nutzen zusätzliche Identifier, die mit einer Mail-Adresse verknüpft sind, um Nutzer publisher- und geräteübergreifend anzusprechen. „Eine neue, vielversprechende Möglichkeit, seine First-Party-Daten zu aktivieren, bietet jetzt Trustpid“, sagt Cada. Die gemeinsame Werbeplattform der Telekommunikations-Anbieter Telekom, Orange, Vodafone und Telefónica fungiert wie eine Clearingstelle. Sie erstellt auf Basis der IP-Adresse oder der Mobilfunknummer eine eindeutige, pseudonyme Netzwerkkennung, die sogenannte Trustpid. Um datenschutzkonform zielgerichtete Werbung zu ermöglichen, werden darauf basierend pseudonyme Token erzeugt. Selbstverständlich muss auch hier der Nutzer explizit für ein Tracking einwilligen.
Neukundenakquise auch auf eigenen Seiten
Somit zeigt sich, dass die Möglichkeiten der digitalen Neukundenakquise trotz Auslaufen der Third-Party-Cookies noch lange nicht erschöpft sind. Laut Markus Nagel, Director Consulting bei Mapp Digital, schlummert besonders auf der eigenen Website noch Potenzial. Dort können Unternehmen aus bekannten Websitebesuchern Neukunden generieren. „Die Optimierung dieses Prozesses ist in der Vergangenheit häufig vernachlässigt worden und hier kann man wunderbar ansetzen“, sagt Nagel. Das hieße zum Beispiel, Wege zu finden, möglichst frühzeitig mit interessierten Nutzern eine dauerhafte Kommunikation aufzubauen – noch bevor sie Kunden geworden sind. „Das kann zum Beispiel über E-Mail geschehen, indem man möglichst früh E-Mail-Subscriptions fördert und in diesem Zuge auch gleich den eigenen Datenpool über kurze Fragebögen anreichert“, sagt Nagel. Auf diese Weise lassen sich „Zero-Party-Daten“ gewinnen, also Daten, die proaktiv von Kunden an Unternehmen gegeben werden.
Sollten Schwierigkeiten auf Advertiserseite dabei auftreten, Daten aufzubauen , können natürlich auch Publisher bei der Neukundenfindung unterstützend tätig werden. Dazu müssen sie allerdings ihre Hausaufgaben machen. „Wir wissen zwar, dass 70 Prozent der Verbraucher die Weitergabe ihrer Daten für digitale Werbung ablehnen, aber das muss kein Grund zur Panik sein“, sagt Morika Georgieva, Customer Success Manager EMEA bei Permutive. „Publisher mit umfangreichen Datensätzen, die über authentifizierte Daten hinausgehen, einschließlich kontextbezogener, deklarierter und verhaltensbezogener Daten, sind in der Lage, Werbetreibenden einzigartige, innovative Zielgruppen anzubieten, die über verschiedene Umgebungen hinweg skalierbar sind“, ist sie überzeugt.
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