Data-Clean-Rooms (DCR) gelten als eine der Lösungen für Advertiser, um Third-Party-Cookies überflüssig zu machen. Sie bieten dem Marketing datenschutzkonformes Targeting und Measurement, indem die Parteien ihre First-Party-Daten auf neutralem Boden miteinander verknüpfen, ohne sie tatsächlich miteinander zu teilen. Selbst Google hat das Potenzial erkannt und kürzlich ein großes Clean-Room-Projekt angekündigt, bei dem der DCR-Anbieter Infosum mitmischt. Dennie-Alexander Trost, Infosums Sales Director für Zentraleuropa und das Gesicht des britischen Unternehmens in Deutschland, erklärt im Interview, was DCR leisten können und wie die Technologie in Deutschland, dem Land des Datenschutzes, angenommen wird.
ADZINE: Hi Dennie, magst du unseren Lesern zunächst einen möglichst einfachen Case für Data-Clean-Rooms in der Werbung nennen?
Dennie Trost: Nehmen wir das Beispiel des “Unified Customer View”. Ein großer Konzern mit vielen Marken steht oftmals vor dem Problem, dass er gar nicht oder nur sehr eingeschränkt mit seinen Daten markenübergreifend arbeiten kann. Gründe dafür sind oft interne und länderspezifische Policies, die es unmöglich machen, dass Tochtergesellschaften ihre Daten einfach miteinander teilen. Also teilt man die Daten nicht, sondern verbindet sie in einem geschützten Raum, um ein umfassendes Bild der Audience zu bekommen. Im Data-Clean-Room wird dieses Bild aggregiert wiedergegeben und das Unternehmen kann so beispielsweise ein präziseres Zielgruppen-Targeting über das gesamte Eigen-Inventar zur Verfügung stellen.
ADZINE: Das setzt aber einen gemeinsamen Identifier voraus, oder?
Trost: Genau. Infosum ist prinzipiell Identifier-agnostisch und kann mit vielen Identifiern arbeiten. In einem Case, den wir gemeinsam mit Renault und Axel Springer umgesetzt haben, haben wir gesehen, dass E-Mail und NetID mögliche Varianten sein können.
ADZINE: Was müssen die Parteien an Technologie mitbringen, um ihre Daten in den Clean-Room hineinfließen zu lassen? Wie docken die sich an den Clean-Room an?
Trost: Jeder verfügt über eine eigens für sie gehostete Instanz, eine Datenbank, in der nur eine mathematische Interpretation ihrer Rohdaten liegt. Das Format der Rohdaten und die Datenquelle, von denen diese Abbilder generiert werden, ist unerheblich. Ob du eine CSV-Datei hochlädst, an Salesforce, Hubspot, SAP oder eine Customer-Data-Plattform anschließt – entscheidend ist der gemeinsame Identifier wie eine E-Mail-Adresse oder eine Mobile-ID. Die Kollaboration zwischen den beiden Parteien findet dann in der Clean-Room-Umgebung statt.
ADZINE: Wie werden Data-Clean-Rooms in der deutschen Werbelandschaft bislang angenommen?
Trost: Ich kenne nicht ein Unternehmen der Top-50-Werbespender oder auch -Publisher, das sich nicht damit auseinandersetzt. Das Oberthema lautet First-Party-Daten und Cookieless. Die Clean-Room-Technologie ist eben ein Vehikel, um in die Cookieless-Zukunft zu kommen. Selbst der Mittelstand hat zumindest schon einmal davon gehört.
Datenschutz und -sicherheit sind aber die wichtigsten Themen in einem Unternehmen. Da darf nichts schiefgehen. Daher sind Unternehmen sehr vorsichtig und fangen klein an.
ADZINE: Magst du ein Beispiel auf Advertiser-Seite nennen?
Trost: Renault hat beispielsweise mit Axel Springer auf Basis von First-Party-Daten das Cookieless-Targeting mit Lookalike-Modelling getestet und gegen traditionelles Cookie-Targeting laufen lassen.
ADZINE: Was kam dabei heraus?
Trost: Die Ergebnisse waren sensationell: Im Vergleich zum traditionellen Cookie-Targeting auf Geschlecht, Alter und Haushaltseinkommen bekamen wir mit dem Lookalike-Targeting einen Uplift der Conversion von 18 Prozent.
ADZINE: …das hört sich nach viel an, aber wir befinden uns immer noch rein im Springer-Universum – im Gegensatz zum Cookie-Targeting, das ja für publisherübergreifende Ansprache entwickelt wurde.
Trost: Dahin soll es mit den Clean-Rooms gehen. Wir brauchen eine Plattform, die publisherübergreifend funktioniert. Pretargeted Audiences ist der erste kleine Schritt in diese Richtung. Im Endeffekt ist aber eine Publisher-Allianz nötig, um Inventare übergreifend buchbar zu machen. Technologisch können wir das schon leisten.
ADZINE: Nun gelten die Deutschen als übervorsichtig und als Paragrafenreiter. Existiert eine “German Angst” bei der Annäherung an das Thema?
Trost: Die German Angst hat sich eher in den German Standard verwandelt. In vielen Ländern gilt der deutsche Datenschutz als vorbildlich und begrüßenswert, zum Beispiel in den USA. Aber ja, viele gucken immer zuerst auf ihre Datenschützer. Bevor irgendetwas passiert, geht es durch das Data Privacy Office.
ADZINE: Wie kommt man daran vorbei? Wie schafft man es trotzdem Cookieless-Cases auf die deutschen Straßen zu bringen?
Trost: Man muss zeigen, dass es funktioniert. Das schaffen wir nur mit Tests!
ADZINE: Wie wird sich das Thema Cookiess-Targeting und Measurement deiner Meinung nach in 2023 weiterentwickeln?
Trost: Ich hoffe, dass sich die Werbeindustrie bis Ende 2023 nicht mehr auf Third-Party-Cookies, sondern vollständig auf First-Party-Daten und einen guten Marketingmix stützt. Wir gehen davon aus, dass die Adaption von Cookie-Alternativen rasant zunehmen wird. Mit dem Fokus auf First-Party-Daten und Datenschutz gewinnen alle, am meisten der Endverbraucher.
ADZINE: Danke für das Interview, Dennie!
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