Europäische Telko-Unternehmen schmieden gemeinsame Targeting-Lösung
Anton Priebe, 12. Januar 2023Nach vorangegangen Tests machen Deutsche Telekom, Orange, Telefónica und Vodafone Ernst: Die Telkos reichten bei der EU-Kommission für Kartellrecht einen Antrag ein, um ein Joint Venture gründen zu dürfen. Das Ziel der Zusammenarbeit ist eine betreiberübergreifende Targeting-Lösung für Digitalwerbung auf Mobilgeräten.
Die vier Telko-Riesen – die Deutsche Telekom, der französische Anbieter Orange, die spanische Telefónica und das britische Vodafone – wollen das angemeldete Joint Venture gleichmäßig unter sich aufteilen. Im Dokument “M.10815”, das bei der Generaldirektion Wettbewerb der EU einging, wird der Hintergrund der Kooperation näher erläutert – es geht um eine übergreifende Targeting-Technologie.
ID-Lösung mit großer Reichweite
In dem Schreiben ist von einer “datenschutzfreundlichen, digitalen Identifizierungslösung zur Unterstützung der digitalen Marketing- und Werbeaktivitäten von Marken und Publishern” die Rede. Die Unternehmen planen ein “sicheres, pseudonymisiertes Token” zu generieren, wobei die ID der User vom teilnehmenden Netzbetreiber abgeleitet wird. So sollen Advertiser und Publisher mobile User erkennen können, ohne personenbezogene Daten zu offenbaren. Von der enormen Reichweite der Betreiber, die sich über ganz Europa erstreckt, können andere ID-Lösungen nur träumen.
Mithilfe der generierten ID kann personalisierte Werbung geschaltet werden, konkret kommt im Dokument die Optimierung der “Auslieferung von Online-Display-Werbung” und “Website-/App-Optimierung” zur Sprache. Das Ganze geschieht auf Opt-in-Basis, indem vorher der Consent durch ein Pop-up eingeholt wird. In einem zugehörigen Privacy Center sind Nutzer ferner dazu in der Lage, ihre Einwilligungen einzusehen und zu widerrufen.
Technologie existiert bereits
Die zugrundeliegende Technologie fußt auf dem Vodafone-Projekt Trustpid, an dem bereits 2021 gearbeitet und das im vergangenen Jahr unter anderem in Deutschland getestet wurde. So war hierzulande Axel Springer mit Bild.de an Bord, um die Funktionalität zu prüfen. Auf der Website von Trustpid wird das Projekt als “eine betreiberübergreifende Test-Plattform für datenschutzkonformes digitales Marketing” vorgestellt.
Vodafone erklärt hier die Vorgehensweise in einfacheren Worten: “Beim Trustpid-Verfahren stellen die Telekommunikationsanbieter die netzbasierte Infrastruktur für den Dienst zur Verfügung. Sie erstellen - sofern Sie als Kunde aktiv zustimmen - ein Pseudonym, indem Sie Ihre IP-Adresse verarbeiten. Auf dieser Basis werden weitere, pseudonyme Token erstellt, die dann von Trustpid verwaltet werden. Darüber hinaus geben die Netzbetreiber oder Trustpid keinerlei Kundendaten, wie zum Beispiel Demographie- oder Netzwerkdaten, weiter.”
Trustpid ist also nicht neu und rief bei dem Bekanntwerden Datenschützer auf den Plan. Auch die Behörden wurden darauf aufmerksam. Inzwischen soll bei der Einholung der Nutzereinwilligungen nachgebessert worden sein, berichtet das Branchenmagazin Techcrunch, damit die DSGVO-Konformität gewährleistet ist. Transparenz stünde im Vordergrund.
Konkurrenz für Meta & Co.? – jein
Die Telkos präsentieren – das Abnicken durch die Behörden vorausgesetzt – eine interessante neue Targeting-Lösung für Mobilgeräte. Das dürfte die Mobile-Platzhirsche und US-Technologieriesen weniger freuen. Adweek spricht gar von Konkurrenz für das Business von Apple, Google, Amazon und Meta. Allerdings wird ein granulares Targeting wie bei Facebook sicher nicht möglich sein. Denn nach Informationen von Techcrunch werden die Advertiser-Daten nicht übergreifend gematcht. Die Daten der Werbetreibenden verbleiben in ihrem Silo und jeder Advertiser spricht seine Zielgruppe auf Basis seiner eigenen, nach Opt-in registrierten, Touchpoints an. Die Daten können also nicht angereichert werden, wie bei den bekannten Targeting-Lösungen der US-Anbieter. Zudem generiert Trustpid alle 90 Tage ein neues Token, womit die Verknüpfung mit den zuvor erhobenen Daten verloren geht. Auf welcher Ebene das User-Verhalten genau getrackt wird und wie die Targeting-Systematik im Detail aussieht, ist jedoch noch unklar.
Die größte Herausforderung für das Gelingen des Projekts ist nach dem grünen Licht der EU wohl die Einholung der Nutzereinwilligungen. Apples App Tracking Transparency (ATT) hat gezeigt, dass die Consent-Raten bei voller Transparenz zu den Mobile-Usern zunächst einmal eher gering ausfallen. Die Telkos als Absender könnten dem einen oder anderen Nutzer darüber hinaus unheimlich sein. Hier liegen schließlich alle persönlichen Daten in einem offiziellen Vertrag vor.
Bis zum 10. Februar fällt die EU-Kommission eine Entscheidung. Ein möglicher Launch-Termin existiert derweil nicht. Vodafone hält sich laut Techcrunch bedeckt und möchte sich dazu nicht äußern.
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