Digitale Medien sehen sich großen Herausforderungen und einer sich stark wandelnden Werbewelt gegenüber. Die Monetarisierung von Inventar wird künftig besonders durch den schwindenden Einsatz des Third-Party-Cookies erschwert und die Suche nach Alternativen bei der Vermarktung läuft auf Hochtouren. Welche technologischen Entwicklungen sind 2023 also im digitalen Mediaverkauf zu erwarten? ADZINE hat sich dazu bei Adtech-Experten umgehört.
Programmatic-Markt entschleunigt, Automation auf Kurs
“Themen wie Datenschutz, Wegfall von Third-Party-Cookies, hohe Tech-Fees, Latenzzeit, Brand Safety und nicht zuletzt Nachhaltigkeit führen dazu, dass sich das Wachstum des in den letzten Jahren stark wachsenden programmatischen, auktionsbasierten Geschäftsfelds verlangsamen wird. Die Automation im Verkauf von Werbeflächen wird aber zunehmend wichtig und macht mittlerweile auch vor klassischen Kanälen wie Print keinen Halt”, erklärt Alban Grossenbacher, CEO und Co-Gründer des Order-Management-Systems Gotom. Globale Advertising-Plattformen würden in der Folge laut Grossenbacher vor allem auf eigene Demand-Side-Plattformen (DSPs) beziehungsweise zumindest eigene Interfaces setzen, über die Daten abgeglichen und Inventar direkt ohne die klassischen Vendor-Ketten des offenen Marktes eingekauft werden können.
Supply-Chain-Optimierung, Targeting-Alternativen und Retail Media
Robert Herrmann, CRO der Monetarisierungsplattform Traffective, sieht vor allem ein Thema, das auch Grossenbacher nennt, als größte Herausforderung für den Mediaverkauf: den Wegfall des Third-Party-Cookies. “Obwohl die Post-Cookie-Ära durch Googles Verschiebung des Zeitplans für die Privacy-Sandbox-Initiative auf die zweite Jahreshälfte 2024 weiterhin auf sich warten lässt, sollte die Medienbranche die ‘Cookieless Future’ als Chance begreifen. Zum einen gewinnen Branchen-Player so noch etwas Zeit, um ihre Businessmodelle optimal aufzustellen und zu etablieren. Zum anderen können insbesondere Publisher die Dinge in Zukunft besser machen und sich die Kontrolle zurückholen.” Sogenannte Broker, also Zwischenhändler, werden es laut Herrmann in der Supply Chain auf lange Sicht schwer haben, da sich seiner Meinung nach die Lieferketten verkürzen werden. Supply-Chain-Optimierung sei hierbei das große Stichwort. “Wo bildlich gesprochen in vergangenen Zeiten Mittelsmänner Champagner köpften, während Publisher mit einem Glas Wasser vorliebnehmen mussten, wird künftig eine Umverteilung der Umsätze stattfinden”, ist Herrmann überzeugt.
Petri Kokkonen, CEO und Partner beim Programmatic-Spezialisten Relevant Digital, ergänzt hier: “Im kommenden Jahr werden die Publisher versuchen, die durch die Abschaffung des Third-Party-Cookies verursachten Herausforderungen, wie die Zukunft des Targetings und der Messung von Werbung, auf verschiedene Weise zu bewältigen. So werden zum Beispiel verschiedene ID-Lösungen, die Nutzung von First-Party-Daten sowie kontextbezogenes Targeting immer häufiger Einsatz finden.” Weitere Themen, die für digitale Mediaverkäufer oben auf der Agenda stehen würden: vom technischen Standpunkt aus Server-Side Prebid und vom strategischen Blickwinkel aus Retail Media. Kokkonen hält ausgeweitete Partnerschaften beim Medienverkauf und Datenkooperationen zwischen Retailern und Publishern durchaus für wahrscheinlich.
Mega-Trend CTV: Auf der Suche nach Reichweiten und Raum für Innovationen
Eines der größten Trends in der digitalen Werbewelt ist der Bereich um Connected TV (CTV) und Streaming. So strömen neue Publisher auf den Markt, die wiederum auf der Suche nach der besten Technologie zum Vermarkten ihrer Inventare sind. “Nach dem medialen Knall in diesem Jahr – Netflix, Disney+ und weitere SVOD-Player sind in das Werbegeschäft eingestiegen – wird Connected TV 2023 den nächsten Schritt im Mediamarkt gehen”, meint Alexander Krause, Director New Partnerships beim Bewegtbildvermarkter Smartclip. “Mediaagenturen und Werbetreibende scharren bei den granularen Targeting-Optionen auf dem Smart-TV schon länger mit den Hufen.” Für den finalen Durchbruch müsse das Angebot hochwertiger Umfelder aber weiter wachsen, um noch mehr Reichweiten für groß angelegte Kampagnen zu ermöglichen. CTV-Anbieter und Smart TV-Hersteller würden immer mehr Märkte in Europa erschließen und so die Optionen für Werbetreibende erweitern “Auch Nischen-Publisher, die sich auf bestimmte Genres fokussieren, gewinnen an Bedeutung”, glaubt Krause.
Sarah Gaudszun, Commercial Director EMEA bei der Magnite-Tochter Spingserve, sieht im werbefinanzierten Streaming ebenfalls große Chancen für Bewegtbild-Publisher: “Im Jahr 2023 werden weitere Zielgruppen kostenlose oder vergünstigte werbefinanzierte Streaming-Dienste nutzen und die Werbeeinspielungen im Austausch für den Zugang zu Inhalten zu schätzen wissen”, meint die CTV-Expertin. “Im Gegenzug erwarte ich, dass Streaming-Dienste verstärkt darauf achten werden, dass Werbung nahtlos in das Gesamterlebnis der Zuschauenden eingebunden wird, um die User Experience in hochwertigen Streaming-Umfeldern zu optimieren.” Dabei bringe Werbung im Streaming-TV-Umfeld ganz besondere Herausforderungen mit sich, wie beispielsweise das Frequency Capping, die Deduplizierung von Werbespots sowie die Trennung konkurrierender Marken. Das Wachstum des werbegestützten Streamings wird laut Gaudszun neue Möglichkeiten bieten, um Zielgruppen beim TV-Streaming anzusprechen. “Wir werden beispielsweise Innovationen bei den Werbeformaten im CTV sehen, wie Display-Flächen in Streaming-Portalen und Apps sowie Pause-Ads. Wir dürfen gespannt sein, wie die Werbung in der Streaming-Branche im kommenden Jahr Einzug hält”, sagt Gaudszun.
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