Die großen Streamingplattformen versuchen sich sukzessive ein Stück vom enormen Kuchen der TV-Werbegelder zu sichern. Dieses Jahr haben vor allem Netflix und Disney für Furore in der Werbewelt gesorgt, indem sie ihre Abomodelle aufgeweicht und werbefinanzierte Zugänge entwickelt haben. So hat Netflix mithilfe von Microsofts Adtech-Arm Xandr im Sommer innerhalb kürzester Zeit ein AVOD-Modell (Advertising-Video-on-Demand) aus dem Boden gestampft. Das scheint jedoch noch nicht so rund zu laufen wie geplant, wobei die Technologie gar nicht das Problem darstellt. Es ist wohl vielmehr die Reichweite, an der es momentan hapert.
Netflix gilt als einer der extremen Profiteure des Streaming-Booms, der zum Start der Covid-Pandemie entflammte, und wurde von den Aktionären in deren Verlauf gnadenlos überbewertet. Das Unternehmenswachstum konnte den unrealistischen Erwartungen nicht gerecht werden, sodass Netflix nach einer harten Kurskorrektur neue Wege einschlagen musste, um sein angeschlagenes Geschäft wieder auf Vordermann zu bringen. Aus dem kategorischen Nein zur werbegestützten Version seines Dienstes wurde ein klares Ja. Das Unternehmen wollte sich anscheinend das Weihnachtsgeschäft in Q4 nicht entgehen lassen, implementierte rasend schnell die entsprechende Werbetechnologie und muss nach dem hastigen Start nun doch auf die Bremse drücken. Wie die Mediapost zu berichten weiß, gibt Netflix zurzeit Werbegelder an einige Advertiser zurück. Es sei nicht genug Inventar gefunden worden, um der hohen Nachfrage gerecht zu werden, heißt es. In einigen Fällen musste Netflix daher auch die an Werbetreibende gegebenen Garantien für erreichte Kontakte zurückschrauben. Grund zur Sorge sei das allerdings nicht.
Test-and-Learn bei Netflix
Ein Grund für die jetzt nötigen Rückzahlungen ist sicherlich, dass das Interesse am vergünstigten Abonnement mit Werbeeinblendungen nicht so hoch ist wie angenommen. So hatte Netflix vor dem Launch 500.000 Zuschauer bis zum Ende des Jahres versprochen. Momentan liege der Zuwachs vorsichtigen Schätzungen zufolge gerade einmal bei etwa 200.000, sagt das Branchenmagazin Campaign. Zur besseren Einordnung: In den USA wurde im November lediglich jedes zehnte Abo vergünstigt – also mit Werbung – abgeschlossen, wie das Wall Street Journal berichtet. Der Rest der Netflix-Neueinsteiger pocht immer noch auf Werbefreiheit zu einem höheren Preis. Das sägt natürlich an der Reichweite für Advertiser.
Doch ein weiterer Grund ist der bisher sehr hoch angesetzte Preis für Werbetreibende. Offizielle Zahlen gibt es auch hier nicht, doch man munkelt von einem CPM in Höhe von 50 bis 55 US-Dollar. Netflix lässt sich seine spannenden Zielgruppen also durchaus etwas kosten. Die Advertiser gehen davon aus, dass sich der Preis einpendeln wird, und extra höher angesetzt ist, um die Nachfrage aktiv zu reduzieren und etwaige Fehler auszumerzen – eine Test-and-Learn-Kultur könnte man sagen. Im Endeffekt war man scheinbar nur übervorsichtig, was zumindest für die User Experience nicht unbedingt der falsche Weg war.
Fest steht: 2023 wird ein entscheidendes Jahr für die AVOD-Neulinge und ihre Advertiser. Nicht nur im Hinblick auf die Reichweite, die wachsen muss, sondern auch auf die Preisgestaltung für Werbeanzeigen. Nicht zuletzt blickt die Werbeindustrie darüber hinaus mit Spannung auf die neuen technologischen Möglichkeiten, die mit der Verschiebung des Fernsehkonsums auf Streamingplattformen einhergehen und sich noch in der Entwicklung befinden.
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