Die meisten, die “Affiliate Marketing” hören, denken in erster Linie an Gutscheine oder Amazon-Links. Das grundsätzliche Prinzip ist zwar tatsächlich seit jeher gleich geblieben – eine Marke arbeitet mit Partnern zusammen, die Produkte oder Dienstleistungen promoten und dafür eine Provision kassieren. Doch hat sich diese Marketingdisziplin seit ihren Anfängen vor allem technologisch extrem gewandelt. Heute ist Affiliate Marketing unbestreitbar ein Milliarden-Business und versucht von dem ihm immer noch leicht anhaftenden Schmuddelimage wegzukommen. Felix Schmidt, DACH-Chef von Impact.com, sieht die nächste Evolutionsstufe im Partner Marketing und arbeitet mit den Kaliforniern gemeinsam daran, die Relevanz von Affiliate Marketing in Deutschland zu steigern. Im Interview nimmt er uns mit auf eine Zeitreise zu seinen Anfängen vor zehn Jahren und zeigt auf, wie sich die Afilliate-Branche seitdem verändert hat.
ADZINE: Obwohl du erst 35 Jahre alt bist, bist du schon dein ganzes Berufsleben im Affiliate Marketing tätig. Während andere Feuerwehrmann oder Pilot werden wollten, hast du dich wahrscheinlich schon als Kind im Marketing gesehen, oder?
Felix Schmidt: (lacht) Nicht ganz, aber tatsächlich habe ich Kommunikation studiert und wollte eigentlich PR machen – einen gewissen Bezug gab es also. Ich bin dann aber relativ schnell im Affiliate-Umfeld gelandet.
ADZINE: Deine erste Station war bei Gutscheinpony, vor allem bekannt durch den schillernden Gründer Axel Hesse. Wie hat Affiliate Marketing damals funktioniert?
Schmidt: Das war in der Tat eine ganz wilde Zeit – so wild, dass wir 2011 mit einer pinkfarbenen Limousine auf der Dmexco eingelaufen sind. Die Affiliate-Netzwerke waren damals sehr simpel in der Nutzung: Man hat sich eingeloggt, um Links zu ziehen. Die Kommunikation mit Advertisern hat per Mail und Telefon stattgefunden und die notwendige Technologie war sehr reduziert. Wir brauchten einen Tracking-Link, mehr nicht, und haben dafür vor allem mit drei Produkten gearbeitet: Affilinet, Zanox und Tradedoubler.
ADZINE: Trotz des simplen Ansatzes wart ihr recht erfolgreich.
Schmidt: Ja, das lief ziemlich gut über viele Jahre. Wir haben zwischenzeitlich mit acht Leuten einen guten siebenstelligen Gewinn gemacht. Irgendwann wollten wir aber mehr und uns nicht mehr nur auf das Gutschein-Business beschränken. Also haben wir begonnen, Whitelabel-Produkte zu bauen. Das erste war die Gutscheinseite für Bild, zu der wir auch als erster Anbieter eine Preisliste zu Platzierungsmöglichkeiten herausgeschickt haben.
ADZINE: Die Szene war damals noch relativ überschaubar, ihr wart mit Gutscheinpony einer der Vorreiter. Wann traten denn die ersten Wettbewerber auf den Plan?
Schmidt: Es hat sich relativ bald ein Wettlauf entwickelt – um die höchsten Provisionsstufen, die besten Rabatte und natürlich auch die größten Whitelabel im Markt. Es herrschte Goldgräberstimmung und die Publisher haben sich ordentlich bewegt, sodass die Volumina ziemlich groß waren. Das hat auch dazu geführt, dass heute jedes große Magazin Gutscheine über ein Portal anbietet, das eigentlich von einem anderen Publisher kreiert wurde. Bis 2015 lief das ganze sehr unkoordiniert und war ein eher raues Business, mit Säbel zwischen den Zähnen.
ADZINE: Du hast es angedeutet – im Jahr 2015 gab es eine Zäsur für die Affiliate-Branche. Was genau ist passiert?
Schmidt: Für mich persönlich gab es einen Wendepunkt beim Zanox Travel Expert Day in Berlin, in genau diesem Jahr. Martin Ries hat damals in seiner Rede Sparwelt als den Main Content Publisher von Zanox vorgestellt – was für mich als jemand mit Gutschein-Background ein Schock war. Ich konnte mir nicht erklären, wie eine Gutscheinseite plötzlich zu einer Content-Seite werden kann, nur weil das Netzwerk genau das so entscheidet. Die Provisionen sind ja hier sehr unterschiedlich – was dann auch für viele Brands der Ansatzpunkt war, sich die Kontrolle zurückzuholen. Das rief die privaten Netzwerke auf den Plan, damals waren das vor allem Easy Marketing, Ingenious Technologies und Netslave. Und auch Brands wie Otto, die Deutsche Bahn oder C&A begannen, ihre eigenen Netzwerke aufzubauen. Das ging dann etwa drei Jahre lang gut.
ADZINE: Der nächste Einschnitt im Jahr 2018. Die Marktsituation wurde konfus?
Schmidt: Genau. Es herrschte im Affiliate-Umfeld das reinste Chaos. Netzwerke hatten in der Zwischenzeit fusioniert, sich zusammengeschlossen, gleichzeitig wurden in den Unternehmen die Ressourcen zugunsten von Performance-Marketing zurückgefahren. Die Publisher wiederum waren ohnehin in jedem Netzwerk angemeldet und die größte Shoppingplattform der Welt, Pepper.com mit dem deutschen Ableger Mydealz, sagte ganz klar: Wir machen keine Affiliate-Partnerschaften mehr. Das Tragische an dieser Situation war auch, dass es bereits gute Tech-Lösungen zur Automatisierung und Skalierung von Affiliate Marketing gab, aber der Markt zu der Zeit ganz andere Probleme hatte.
ADZINE: Dazu haben sicherlich auch Themen wie Verbraucherschutz und Datensicherheit beigetragen.
Schmidt: Natürlich, das waren ganz entscheidende Faktoren, insbesondere die Debatten um Cookies und Consent, Tracking sowie die DSGVO. Aber, und das belegen die Affiliate-Trends bis ins Jahr 2022: All diese Themen beschäftigen die Branche bis heute. Seit fünf Jahren tritt unsere Szene diesbezüglich auf der Stelle, entscheidende Maßnahmen zur Veränderung, zumindest in Deutschland: Fehlanzeige.
ADZINE: War das für dich ein Grund, das internationale Affiliate-Umfeld näher kennenzulernen, um zu sehen, wie man in anderen Märkten mit vergleichbaren Herausforderungen umgeht?
Schmidt: Zumindest hatte ich beim Affiliate Huddle 2019 in London eine Art Erweckungserlebnis. Die Storys und Namen waren eigentlich die gleichen, die Probleme des Marktes unterschieden sich nicht besonders von denen in Deutschland. Bis dann Florian Gramshammer, der heute mein Chef bei Impact ist, einen Vortrag hielt, in dem er die Rolle von Partnerschaften für Unternehmen neu einordnete. Nämlich als dritte Kernkomponente und auf einer Stufe mit Sales und Marketing als treibende Kraft für Wachstum. Und diese Position wollte damals schon Impact einnehmen, neben Unternehmen wie Salesforce oder Hubspot.
ADZINE: Und so bist du schließlich als Country Manager für Deutschland bei Impact gelandet?
Schmidt: So schnell ging es nicht, zumal ich am Anfang alles andere als überzeugt war von dieser Vision. Als ich dann aber sah, wie Impact moderne Partnerschaften definiert und abbildet, und das holistisch über eine einzige Plattform, war ich überzeugt davon, dass diesem Technologie-Konzept die Zukunft gehören wird. Und ein Jahr später war es dann auch so weit.
ADZINE: Wie sah dieser Wendepunkt aus?
Schmidt: Im Jahr 2020 haben sich Marken erstmals bewusst dafür entschieden, SaaS-Lösungen zum Management ihres Partner Marketings einzusetzen. Neben unserer Lösung ist hier sicherlich noch Partnerize zu nennen, die gemeinsam mit uns die Vorreiter und wesentlichen Anbieter auf dem Gebiet der Partnership Automation sind. Die Vorteile liegen klar auf der Hand: Möglichkeit zur Skalierbarkeit, Flexibilität, Sicherheit und Hoheit über die Daten. Unsere Kunden fassen unsere Plattform gern als “Single Source Of Truth” zusammen. Es gibt einen Login für alle Performance-Partnerschaften, statt diverser Silos und Netzwerke für Content, Influencer oder Affiliates.
ADZINE: Welche Entwicklungen beinhaltet die nächste Evolutionsstufe im Affiliate Marketing?
Schmidt: Es gibt viele Vorurteile, die bald ausgeräumt sein werden. Ein Beispiel: Affiliate ist kein Marketing-Kanal, sondern eine eventbasierte Vergütung für valide Transaktionen und echten Umsatz. Deshalb wird das Affiliate-Modell als Vergütungsform für Performance-Partnerschaften in den kommenden Jahren trafficbasierte Abrechnungsformen wie CPC, CPM oder WKZ ablösen. Das wird die Chance für Affiliate Marketing sein, um aus der Gutschein-, Deals- und Cashback-(Schmuddel)ecke herauszukommen und gleichzeitig attraktiv für die Zusammenarbeit mit Influencern, Verlagen oder für B2B-Kooperationen zu werden. Wenn Advertiser das verstehen, sprechen wir tatsächlich von einer echten Evolution. Dann sprechen wir von Partner Marketing, statt das massive Potenzial unserer Branche einzig auf Affiliates zu reduzieren.
ADZINE: Vielen Dank für das Interview, Felix!
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