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DATA - Cookieless Targeting

Wetterprognosen helfen nicht nur Biergärten, sondern auch Advertisern

Anton Priebe, 15. November 2022
Bild: Johannes Plenio – Unsplash

Auf der Suche nach Optionen für Cookieless Targeting landen die Werbetreibenden vermehrt beim Wetter. Wetterdaten werden zwar schon länger in der Digitalwerbung eingesetzt, doch steckt heute sehr viel mehr dahinter als nur Werben bei Sonne oder Regen. Dr. Stefan Bornemann, COO von Wetter.com und Kopf der hauseigenen B2B-Daten-Unit Meteonomiqs, schnürt aus Wetter- und Klimadaten sowie Geo-Kontext innovative Datenprodukte für verschiedene Anwendungsfälle. Im Interview erklärt Bornemann, wie und wofür sein Team aus Data Scientists und Machine-Learning-Experten Wetterdaten anwendbar macht.

Bild: Meteonomiqs Stefan Bornemann, Meteonomiqs

ADZINE: Hallo Stefan, welche Daten macht ihr euch mit Meteonomiqs zunutze?

Stefan Bornemann: Dank Wetter.com können wir auf den Schatz hochwertiger Wetter- und Klimadaten zurückgreifen. Dazu kommen viele weitere geo-kontextuellen Daten. Generell geht es uns darum, Wetterdaten je nach Use-Case mit anderen Daten zu verknüpfen.

Dazu dient der komplette Wetterstandard, also beispielsweise reale Messungen der Stationen, Radar- oder Prognosedaten. Das zweite Feld sind Umweltdaten, hier fallen etwa Pollenflug, UV-Strahlung oder Luftqualität mit rein. Auch historische Daten wie Klimadaten setzen wir ein.

Darüber hinaus bauen wir Indizes und setzen dafür verschiedene Bausteine zusammen. So entsteht beispielsweise eine Wetter-Besucher-Frequenz oder ein Wetter-Kaufindex – das nennen wir Trigger.

ADZINE: Mit welchen Daten genau lassen sich die Daten kombinieren, um sinnvolle Informationen fürs Advertising zu bekommen und woher stammen sie?

Bornemann: Unsere Datenprodukte nutzen entweder Kunden- oder Marktdaten. Aus individuellen auf Kundendaten wie etwa Kassendaten kann eine Besucherfrequenz entstehen. Die ist beispielsweise im Rahmen einer Aufmerksamkeitskampagne sinnvoll, wenn deine Werbung auf einer Außenwerbesäule zum richtigen Zeitpunkt laufen soll.

Für die Marktdaten haben wir uns mit der GfK zusammengetan und nutzen Daten aus dem GfK Consumer Panel. Hier tragen 40.000 Panelisten ein, was sie wo und wann kaufen, woraus wir wiederum einen Eis-, Baumarkt- oder Bekleidungsindex schaffen können. Das nennen wir Produkt-Trigger. Diese sind unter anderem für wettersensitive Produkte wie den Reifenwechsel oder Grill relevant.

ADZINE: Welches sind Anwendungsfälle außer den Klassikern Sonnencreme-Werbung bei Sonne und Regenschirme bei Regen? Wofür wird Wetter-Targeting am häufigsten eingesetzt?

Bornemann: Stark wettersensitiv sind Produkte wie Eiscreme und Getränke oder Themen wie Tourismus, Mobilität oder Gesundheit. Es gibt jedoch sehr viele Dinge, die wetterabhängig sind. Die Fußgängerzonenfrequenz zum Beispiel, Spielzeug, Kleidung oder Lieferservice. Wenn man durch das Consumer Panel durchgeht, steckt in fast allen irgendwo der Faktor Wetter drin.

Der erste Use-Case ist Targeting, so werden die Werbeausspielungen, die sich wetterbedingt nicht lohnen, vermieden. Das ist ein Performance-Ansatz. Ein anderer Fall ist die Erstellung von dynamischen Werbemitteln, um Relevanz zu schaffen. Ein dritter Use-Case ist die automatische Budgetsteuerung, falls am Wochenende doch noch ein sonniger Tag kommt, und die Attribution. Denn Wetter hat einen Einfluss, der aus den Daten bereinigt werden kann.

ADZINE: Wohin fließt das meiste Geld der Werbetreibenden?

Bornemann: Wichtige Standardthemen sind Pollen- und UV-Index für Gesundheit. Ebenso sind Temperatur und Niederschlag Klassiker und werden häufig gebucht.

ADZINE: Wenn du “Cookiecalypse” hörst, sollte dich das eigentlich freuen, oder? Merkt ihr einen Shift hin zu alternativen Targeting-Methoden weg von personenbezogenen Daten?

Bornemann: Wir sehen, dass unser Targeting-Produkt mehr nachgefragt wird, ja. Aufgrund des Wegbrechens der IDs befassen sind endlich alle mit dem Thema Cookieless. Das wird auch höchste Zeit, denn wir haben jetzt schon 50 Prozent nicht adressierbaren Traffic durch die ID-Verluste. Geo-Kontext kann dabei helfen, diesen Traffic trotzdem zu adressieren. Das umfasst nicht nur Wetter, sondern auch Faktoren wie Öffnungszeiten oder Stadtunterschiede.

Natürlich braucht man First-Party-, Umfeld-Daten und IDs. Aber eine gute Kampagne bezieht alles mit ein und es hilft, die Dinge zu kombinieren. Die Mediaplanung wird in Zukunft allerdings nicht einfacher.

ADZINE: In welchen Kanälen ergibt der Einsatz von Geo-kontextuellen Daten am meisten Sinn?

Bornemann: Es funktioniert in allen programmatischen Kanälen, aber insbesondere bei Display sehen wir den größten Hebel. Programmatic-TV und Digital-Out-of-Home sind von Natur aus deutlich teurer und haben eine größere Reichweite. Hier ist der Hebel noch größer.

ADZINE: Welche Innovation kann es im Wetter-Targeting noch geben? Wetter-Targeting ist nicht gerade neu. Gibt es noch Datenschätze zu heben?

Bornemann: Das stimmt, Wetter-Targeting gibt es schon seit zehn Jahren im Adserver. Unsere Innovation ist eine Antwort auf die Frage nach dem richtigen Triggerpunkt. Wenn ich eine Reifenwechselkampagne fahre, liegt der Trigger bei 0 Grad Celsius? Zwei Grad? Fünf Grad? Diesen Trigger kann man mit Daten und Machine Learning berechnen. Null Grad im Allgäu kommt aber mit einem ganz anderen Rhythmus vor als in Hamburg. Normalerweise müsste man dies bei der Einbuchung für jede PLZ einzeln berücksichtigen, sodass man das Targeting mit einem Line-Item an- oder ausstellen kann. Mit unserem Index geht das genauer und mit einem Klick. Das zu bewerkstelligen, ist durchaus innovativ.

Wir beschäftigen uns außerdem mit weiteren Indizes und der Visualisierung des Targetings. Wenn beispielsweise ein Tiefdruckgebiet über das Land kommt, wandert der geo-kontextuelle Trigger mit. Großes Potenzial sehen wir auch in der Verwendung des Targetings in Addressable TV. Obwohl die Reichweite schon sehr ordentlich ist, steckt die Nutzung aber noch in den Kinderschuhen.

ADZINE: Ich hab selber Meteorologie-Vorlesungen besucht und gelernt, dass Wetterprognosen ziemlich unzuverlässig sind, weil das System auf der Erde so komplex ist und so viele Faktoren mit einwirken. Inwiefern spielt das bei euch eine Rolle?

Bornemann: Völlig richtig, je länger der Prognosehorizont, desto mehr nimmt die Prognosegüte ab. Aber für morgen und die nächsten Tage liegt die Prognosegüte bei über 90 Prozent. Wir bewegen uns bei der Übermittlung in die Adtech-Landschaft in einem solchen kurzfristigen Horizont. Inklusive aller Cachings dauert es circa 24 Stunden bis zur Ausspielung. Von daher spielt das komplexe Wettersystem bei den Use-Cases keine Rolle.

Jeder Biergarten weiß bereits am Dienstag oder Mittwoch, dass er Personal vorhalten muss, wenn die Wetterprognose fürs Wochenende gut ist. Genau diese Informationen kann man in der Werbung auch nutzen.

ADZINE: Vielen Dank für das Interview!

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