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ANALYTICS

Kann Web Analytics in Zukunft noch sinnvoll umgesetzt werden?

Anton Priebe, 16. November 2022
Bild: National Cancer Institute – Unsplash

Web Analytics ist angesichts verschärfter Datenschutzbestimmungen und daraus resultierenden, technischen Veränderungen in der Tool-Landschaft zunehmend komplexer geworden. Sogar Marktführer Google Analytics stößt mit seinem Angebot derzeit an Grenzen und versucht seine Anwender in eine neue Tool-Umgebung zu locken. Welche Nutzerdaten hierzulande künftig erhoben werden können und dürfen, ist eine Frage, die sich viele Website-Betreiber stellen. Markus Forster, Managing Director Deutschland vom Schweizer Tool-Anbieter Fusedeck, erläutert im Interview, was hinter dem Google-Analytics-Drama steckt und wie viel Web-Analysten in Zukunft noch analysieren dürfen.

Bild: Fusedeck Markus Forster, Fusedeck

ADZINE: Hallo Markus, wenn man sich die zunehmenden Reglementierungen vonseiten der Datenschutzbehörden anschaut, müssen wir uns künftig wohl alle im Umgang mit weniger Daten üben. Wie ist der aktuelle rechtliche Stand in Sachen Web Analytics? Was darf ich erheben, was nicht?

Markus Forster: Zum einen muss geklärt werden, welche Daten erhoben werden und zum anderen, wie dies technisch erfolgt. Es gilt hierbei unterschiedliche Gesetze und Verordnungen einzuhalten wie zum Beispiel die DSGVO oder das TTDSG. Wenn personenbezogene Daten verarbeitet werden, bedarf es der vorherigen Zustimmung der Nutzer. Gleiches gilt für technische Methoden wie den Einsatz von Cookies oder anderen Identifiern wie beim Fingerprint-Tracking oder Local Storage. Des Weiteren darf auch kein Zugriff auf das Endgerät des Nutzers ohne Zustimmung erfolgen, um beispielsweise bereits gespeicherte Information auf dem Device auszulesen.

ADZINE: Das klingt nach diversen Einschränkungen für Tool-Anbieter. Wie viel Web Analyse ist deiner Meinung nach in Zukunft noch möglich?

Forster: Mit dem richtigen Tool und technisch richtig aufgesetzt werden Webseiten-Betreiber auch in Zukunft auf Basis einer hohen Datenquantität und -qualität arbeiten können und zugleich in der Lage sein, die datenschutzrechtlichen Anforderungen zu erfüllen.

ADZINE: Reicht diese Datengrundlagen aus, um aussagekräftige Ergebnisse zu bekommen, oder müssen Analysten komplett umdenken?

Forster: Ja, das ist aus meiner Sicht mehr als ausreichend. Jedoch muss schon ein Umdenken erfolgen im Hinblick darauf, wie die Daten gesammelt werden und auch welche Daten benötigt werden. Vom reinen Cookie-Tracking müssen wir uns verabschieden und auf eine komplexere Datenerfassung, aber teilweise auch Ungenauigkeiten einstellen. Zugleich sollte der Personenbezug kritisch hinterfragt werden. Ein im Vorfeld erarbeitetes Tracking-Konzept hilft zudem bei der Frage, welche Daten überhaupt erfasst werden sollen und wofür. Das schlichte Befüllen von Datensilos, wie in der Vergangenheit oft geschehen, ist wenig zielführend.

ADZINE: Welche Herausforderungen sind deiner Meinung nach also zu bewältigen, um die richtigen Datenpunkte zu bekommen, damit User Journeys verstanden und Maßnahmen daraus abgeleitet werden können?

Forster: Die größte Herausforderung auf der Kundenseite sind die sogenannten Blindspots, die beim Einsatz von konventionellen Analyse-Tools entstehen. Durch den Einsatz von Ad-Blockern, den Anti Tracking Preventions der Browser und User, die keine Zustimmung geben, gehen oftmals 70 Prozent oder mehr der Analyse-Daten verloren. Ziel ist es, sowohl die Datenqualität als auch die Datenquantität wieder auf ein Niveau zu heben, um eine valide Basis für datengetriebene Entscheidungen im Marketing, der Website-Optimierung sowie für die Optimierung der Media-Kanäle zu schaffen.

ADZINE: Momentan beschäftigt viele Website-Betreiber der Umstieg von Universal Analytics auf Google Analytics 4 – warum?

Forster: Google hatte zunächst angekündigt, Universal Analytics (UA360) 2023 abschalten. Für Google-Analytics-Kunden bedeutet dies, dass sie einen Wechsel auf Google Analytics 4 (GA4) vornehmen müssen, wenn sie weiter das Google-Tool nutzen wollen. Anfang November hat Google nun zumindest für UA360-Bezahlkunden die Deadline um ein weiteres Jahr auf Oktober 2024 verschoben. Der Wechsel auf GA4 ist mit einem hohen Aufwand verbunden und kommt quasi einer Neu-Implementierung gleich. Ich persönlich schließe daraus, dass viele Kunden die Umstellung noch nicht vorgenommen haben und Google ihnen deshalb mehr Zeit einräumt.

ADZINE: Auch wenn Google nicht gerade für Datenschutz berühmt ist, muss sich der Konzern doch an Bestimmungen halten, oder nicht? Dahinter steht doch ein riesiges Team an Entwicklern, die auf aktuelle Entscheidungen reagieren können. Was also sollte mich davon abhalten, Google Analytics 4 zu verwenden?

Forster: Selbstverständlich gelten Bestimmungen auch für Google. Als Marktführer stehen sie vermutlich auch besonders im Fokus. Die Rechtslage zum Einsatz von Google Analytics ist in Europa mehr als unsicher. Die Datenschutzbehörden einiger Länder, darunter Frankreich, Österreich, Italien und Dänemark, haben bereits in ersten Entscheidungen den Einsatz als rechtswidrig eingestuft. Diese Unsicherheit gepaart mit einem nicht unerheblichen Risiko und dem Aufwand der Umstellung auf GA4 sollte Kunden prinzipiell zu denken geben und es sollte hinterfragt werden, ob jetzt nicht ein guter Zeitpunkt ist, um auf eine datenschutzfreundliche Alternative zu setzen.

ADZINE: Was muss ein Web-Analyse-Tool heute können?

Forster: Die Anforderungen sind in letzten Jahren auf jeden Fall deutlich gestiegen. Ein Web-Analyse-Tool sollte auf jeden Fall eine hybride Messung ermöglichen, das heißt Cookieless (Non-Consent) als auch Cookie-Mode (Consent). Neben den Standard-KPI, zum Beispiel Sessions, Pageviews und Scrolls, sollten auch Custom Events, beispielsweise Klicks auf ausgewählte Buttons oder Warenkorb-Tracking in Kombination mit Standard-KPI verknüpft, erfasst werden können. Idealerweise erfolgt die Datensammlung serverseitig anstatt konventionell auf der Clientseite im Browser.

Das User-Reporting-Interface sollte sowohl leistungsstarke Aggregationsfunktionen von Daten als auch die Bereitstellung von individuell zusammenstellbaren Rohdaten ohne Query-Kenntnisse bieten. Last but not least sollten Daten-Kontrolle und Data-Ownership ausschließlich beim Kunden liegen.

ADZINE: Danke für deine Einschätzung, Markus!

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