Yvon Chouinard, Gründer der Outdoor-Bekleidungfirma Patagonia, machte kürzlich mit der Ankündigung Schlagzeilen, alle seine Anteile am Unternehmen an eine gemeinnützige Klimastiftung zu übertragen. Ein echter Präzedenzfall, und doch erscheint dieser Schritt konsequent, denn Patagonia spielt seit jeher eine Vorreiterrolle beim Markenaktivismus und Purpose-Driven Marketing. Und damit trifft die Marke ganz den Zeitgeist.
Einer im August veröffentlichten Umfrage von Burda zufolge ist Haltung der drittstärkste imageprägende Faktor für Marken – nach Skandalen und den persönlichen Marken-Erfahrungen. 66 Prozent wären gar bereit, eine Marke zu boykottieren, wenn ihre persönlichen Werte nicht mit der Haltung der Marke übereinstimmen. „Purpose ist elementar für das Vertrauen in Unternehmen“, schreibt Burda.
Marken mit Aktivismus-Historie haben einen Kommunikationsvorteil
Darum verfügt Patagonia zusammen mit den recht wenigen anderen großen „Activist Brands“, wie etwa dem für seine klare Haltung gegen Rassismus bekannten Eishersteller Ben & Jerry’s, über einen merklichen Vorteil gegenüber anderen internationalen Top-Brands. Denn für Letztere stellt das Thema Haltung noch ein relativ neues Territorium dar. Activist Brands werden eben schon lange mit sozial- und umweltaktivistischen Werten wie etwa Diversität und Nachhaltigkeit assoziiert. Das Vertrauen der Konsumenten ist also bereits da.
Die meisten internationalen Top-Brands müssen sich solche vorteilhaften Marken-Assoziationen erst erarbeiten. Der Weg dahin ist oftmals steinig, weil Konsumenten und Medien heute gerade bei weltbekannten Marken sehr genau hingucken, ob die kommunizierte Haltung mit den reellen Geschäftspraktiken übereinstimmt. Wenn nicht, werden sie schnell mit imageschädigenden Vorwürfen von „Greenswashing“, „Pinkwashing“ oder „Wokewashing“ konfrontiert.
Für viele Markenverantwortliche dreht sich heute darum viel um die folgende Frage: Wie können sie Haltung erfolgreich und shitstormfrei kommunizieren? Ebenso wie Activist Brands à la Patagonia es tun, authentisch, sichtbar und letztendlich effektiv im Sinne des Return-on-Investment? Der Frage sind wir in Zusammenarbeit mit der Wirtschaftsuniversität Luigi Bocconi in Mailand auf den Grund gegangen. Wer im Detail wissen will, was dabei herauskam, sollte sich unser gerade veröffentlichtes Whitepaper anschauen. Andere dürfen hier weiterlesen.
Vorab sei gesagt, dass Activist Brands gegenüber „normalen“ internationalen Top-Brands einen schwer einholbaren Kommunikationsvorteil beim Thema Haltung haben. Das gilt im besonderen Maße für inhabergeführte, von Aktionären unabhängige Unternehmen wie Patagonia. Die meisten Unternehmen können sich jedoch mehr Erfolg bei der Kommunikation von Haltung versprechen, wenn sie die folgenden fünf wichtigsten Punkte beachten:
1. Fokus auf Themenbereiche mit besonders hohem Sichtbarkeits-Potential
Im Rahmen einer auf Social Listening basierender Analyse in Zusammenarbeit mit der Bocconi-Universität fanden wir heraus, dass die Big-Tech-Giganten Google, Amazon, Meta und Apple im Vergleich zu anderen internationalen Top-Marken insgesamt disproportional viel Buzz (das Volumen an usergenerierten Markennennungen auf Social Media) in ihrer Haltungs-Kommunikation generieren. Sie überschatten die Aktivitäten anderer Unternehmen förmlich. Allerdings nicht in allen Themenbereichen. Wenn es um die Behandlung der Mitarbeiter, Chancengleichheit, Qualität des Arbeitsplatzes, Produktqualität und -wahrnehmung, Innovationskompetenz, oder um Umweltbewusstsein, Unterstützung guter Zwecke sowie den positiven Einfluss auf die Gesellschaft geht, erzielen die Big-Tech-Giganten deutlich weniger Buzz als andere Top-Marken außerhalb der Big-Tech-Bubble. Für die meisten Unternehmen bieten diese Themenbereiche darum die besten Chancen für Sichtbarkeit.
2. „Must-Have-Themen“ stets proaktiv bespielen
Wir unterscheiden im Whitepaper zwischen drei Arten von Themen, die Unternehmen bei der Kommunikation von Haltung bespielen können. Einmal die „Profilierungs-Themen“ oder auch aufkommende (Nischen-)Themen, die potentiell den größten Impact bieten, aber auch am schwersten zu besetzen sind. Dann die „Zentralen Themen“ oder die gesellschaftlich meistdiskutierten Themen, die zwar ebenfalls einen hohen Impact bieten, aber auch viel Shitstorm-Potential, wenn bei der Kommunikation mal was danebengeht. Und dann gibt es die „Must-Have-Themen“, die den geringsten Impact bieten, aber so wichtig sind, dass Unternehmen es sich heute im Prinzip gar nicht leisten können, auf sie nicht zu reagieren. Sie sollten stattdessen zu diesen Themen möglichst proaktiv, viel und konsequent kommunizieren. Welche Themen das genau sind, unterscheidet sich von Unternehmen zu Unternehmen. Im Falle von Facebook wäre beispielsweise Datenschutz ein Must-Have-Thema.
3. Offen gegenüber Social Listening sein, Nutzungsmöglichkeiten entdecken
Beim Social Listening geht es um die Extraktion und Analyse marketingrelevanter Informationen aus usergeneriertem Social-Media-Content. Social Listening ist bei der Planung und Bewertung der Haltungs-Kommunikation eine sinnvolle Alternative oder auch Ergänzung zu gängigen umfragebasierten Methoden. Schließlich ist Social Media die „Straße“ unserer Zeit. Was dort geredet wird, ist relevant. Zudem wird dort durch die schützende Anonymität des Internets teilweise freier heraus geredet als auf der echten Straße und auch wahrheitsgetreuer als in einer Befragungssituation. Beim Social Listening wird eben „zugehört.“ Die Antworten werden passiv erhoben und müssen nicht erfragt werden. Leider haben viele Unternehmen mangels Datenexpertise und Erfahrung noch eher Berührungsängste mit diesen neuen Methoden. Doch Offenheit lohnt sich. Social Listening ist unserer Erfahrung nach die beste Basis, um anhand objektiver Daten und Fakten zu erfassen, welche Themen die Konsumenten aktuell wirklich bewegen, welche Themen sich besonders gut für die eigene Marke eignen, und wie bestimmte Kommunikationsaktivitäten bei den Konsumenten ankommen.
4. Markenassoziationen kontinuierlich tracken
Unternehmen können erst dann von einem echten Erfolg ihrer Haltungs-Kommunikation sprechen, wenn sich die Markenassoziationen in die gewünschte Richtung verschoben haben. So beispielsweise, wenn nach einer Nachhaltigkeits-Kampagne die Marke nun vermehrt mit dem Attribut „Nachhaltigkeit“ assoziiert wird. Zur Messung der Markenassoziationen gibt es verschiedene Methoden, viele davon umfragebasiert. Wir plädieren auch hier wieder für Methoden, die auf digitalen, usergenerierten Daten basieren. Denn sie erlauben es, Veränderungen in den Markenassoziationen kontinuierlich zu tracken, gar auf tagesaktueller Basis. Dadurch können Markenverantwortlichen ihre Kommunikationsaktivitäten ständig optimieren und früh gegensteuern, wenn sie gar nicht den gewünschten Effekt erzielen. Solche Entscheider haben einen klaren Vorteil gegenüber denen, die noch einen Monat (meistens länger) auf das nächste Update ihres altehrwürdigen Markentrackers warten müssen.
5. Eine einzelne Aktivität bringt wenig, mehrere gleichzeitig ziemlich viel
Wir haben auch untersucht, welche Aktivitäten den größten Impact bei der Kommunikation von Haltung erzielen. Impact definieren wir dabei als den Uplift an Buzz mit positiv geprägtem Sentiment nach 12 Monaten. Wir stießen dabei auf eine recht denkwürdige Erkenntnis: Alle Aktivitäten, darunter Corporate-Reputation-Kampagnen, Joint-Venture- und -Event-Ankündigungen und Produktankündigungen, erzielen für sich allein genommen nur einen recht überschaubaren Impact von zwei und sechs Prozent. Doch wird der Impact aller Aktivitäten zusammengelegt, steigt der Wert auf beachtliche 18 Prozent. Das zeigt eindrucksvoll, dass in Sachen Haltung die eine einsame Initiative nicht reicht. Es gilt, dauerhaft zu agieren, mehrgleisig zu fahren und mehrere verschiedene Maßnahmen gleichzeitig auszusteuern.
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