Die Seller Defined Audiences erhalten Einzug in Googles Technologien für Programmatic Advertising. Dahinter steckt eine gemeinsame Datensprache vom Branchenverband Interactive Advertising Bureau (IAB), die für kontextuelle Targeting-Segmente aus First-Party-Daten genutzt werden soll. Bisher hat jeder Publisher seine eigenen Bezeichnungen für die Segmente gewählt, die er als Pakete für die Einkaufseite schnürt. Anhand einer einheitlichen Taxonomie soll nun ein Standard geschaffen werden, damit es übersichtlich bleibt und die Advertiser nicht die Katze im kontextuellen Sack kaufen. Die technologischen Weichen sind gestellt und mit Google kommt ein dicker Fisch als Unterstützer hinzu.
Die Standardisierung der Targeting-Segmente aus First-Party-Daten scheint überfällig, da Publisher vermehrt dazu übergegangen sind, ihre Daten selbst zu vermarkten und für den programmatischen Einkauf zur Verfügung zu stellen. In erster Linie sind dafür die Abkehr vom Third-Party-Cookie und die strengen Rahmenbedingungen für Datenschutz verantwortlich. Das Volumen an cookielosen, unterschiedlich beschrifteten Paketen auf SSP-Seite nimmt also stetig zu und verwirrt die Einkäufer beziehungsweise deren Maschinen.
How to SDA?
Der Grundgedanke der Seller Defined Audiences (SDA) ist schnell erklärt: Publisher sollen global die gleichen Klassifizierungen für ihre selbst erstellten Targeting-Segmente verwenden. So wissen die Demand-Side-Plattformen (DSP) direkt, ob hinter dem Datenpaket, das über die Supply-Side-Plattform (SSP) feilgeboten wird, beispielsweise ein Umfeld mit Auto- oder Reiseinhalten steckt. Diese Information tauschen die Technologien mithilfe des Open-RTB-Protokolls im Bid Stream aus. Dafür hat das IAB Tech Lab in Zusammenarbeit mit der Non-Profit-Organisation Prebid extra neue Felder im Protokoll geschaffen. Identifier wie Cookies oder Device-IDs hingegen verschwinden aus dem Bid Stream. Mit der standardisierten Infrastruktur hinter den SDA soll auch der Datenschutz gewährleistet sein.
Technisch müssen Publisher eigentlich nur das tun, was sie vorher auch schon getan haben – nur etwas anders. “Der Prozess zum Erstellen von SDAs ähnelt dem Erstellen von Zielgruppen für direkte Transaktionen”, erklärt Pete Danks, VP Product von Magnite. “SDAs sind nur das datenschutzkonforme Vehikel für die Kommunikation dieser First-Party-Signale auf dem offenen Markt.” Danks zufolge müssen Publisher alle aussagekräftigen Content-Themen, Keywords und das User-Verhalten aus einem Seitenbesuch in eine Taxonomie extrahieren, um diese Signale mit Nutzerinteressen, Marken und Keywords in Beziehung zu setzen. “Dies kann mithilfe automatisierter Kategorisierungs-Tools erfolgen, die auf Natural Language Processing basieren. Der Output wird der IAB Tech Lab Audience-Taxonomie mit ihren 1.600 demografischen, interessen- und kaufbasierten Attributen und/oder der IAB Tech Lab Content-Taxonomie für kontextbasierte Zielgruppen zugeordnet.” Anhand von Diskussionen mit Publishern hat Magnite herausgefunden, dass 80 Prozent von ihnen bereits in irgendeiner Form auf die IAB-Taxonomie bauen.
Einer für alle und alle für einen…und Google
Das Problem bei den SDA ist jedoch wie so oft bei Standardisierung, dass alle Marktteilnehmer an einem Strang ziehen müssen, damit es funktioniert. Auf der Sell-Side waren die US-amerikanischen SSPs Sovrn und Magnite Vorreiter. Sie waren die ersten Player, die SDA unterstützten, weitere folgten.
Jetzt hat sich Google zu Wort gemeldet und seine “Publisher Provided Signals” vorgestellt. Die SDA sind Teil davon: “Publisher können die Audience-Taxonomie und Content-Taxonomie des IAB verwenden, um im Rahmen unserer Beta-Tests Signale mit Google Ads und Display & Video 360 zu teilen”, verrät Peentoo Patel, Produktmanager vom Google Ad Manager, in der offiziellen Ankündigung. “In Zukunft werden wir Publisher Provided Signals für mehr Publisher und Authorized Buyers sowie Open Bidder ausrollen.”
Google mit im Boot zu haben, ist für Adtech-Vorhaben nie verkehrt, doch zwischen den Zeilen sagt Patel noch mehr. Aus Mountain View kommt hiermit ein wichtiges Signal an die Werbeindustrie, denn in der Regel kocht man dort sein eigenes Süppchen und gibt beim Thema Adressierbarkeit ungern etwas aus der Hand. Google nickt also nicht nur den Ansatz des IAB ab, sondern bestätigt auch, dass die Kalifornier bereit sind, mit anderen Playern zusammenzuarbeiten, anstatt ihnen etwas aufzudiktieren.
Entsprechend freut man sich im IAB Tech Lab: “Es ist ein großer Schritt nach vorne, dass Google Ad Manager diese neuen Standards für seine Publisher-Partner übernimmt und dazu beiträgt, ein neues System für Adressierbarkeit und Verantwortlichkeit voranzubringen, das den Datenschutzerwartungen der Nutzer entspricht”, so Anthony Katsur, CEO des IAB Tech Lab.
To SDA or not to SDA?
Es gibt bereits Käufer, die bei Googles Beta-Testern basierend auf SDA einkaufen, konnte Trey Titone, Demand Channel & Activation bei NBC Universal, herausfinden. Doch gibt es nicht nur Gründe für die Verwendung der Taxonomie. “SDA könnte Publishern einen Grund weniger geben, Universal IDs einzuführen, da es datenschutzkonformes Audience-Targeting liefern kann. DSPs, die sich auf eine bestimmte universelle ID-Lösung eingelassen haben, mögen die Idee möglicherweise nicht, etwas zu unterstützen, das Publisher weiter davon abhält, ihre bevorzugte universelle ID-Lösung zu übernehmen”, wägt Titone in einem Blogpost ab. Auch sei eine entscheidende Frage, wie Attribution und Frequency Capping aus der Sicht der DSPs funktionieren sollen, wenn die Identifier im Bid Stream fehlen.
SSPs hingegen benötigen ihm zufolge wahrscheinlich eher den Impuls ihrer Publisher, um SDA einzuführen. Die Betreiber würden auf den inkrementellen Wert schauen, den die Taxonomie liefern kann, und abwarten. Sie stehen schließlich nicht so im Rampenlicht wie Google, was den Datenschutz betrifft, und arbeiten gerne noch mit Third-Party-Cookies. Laut Michael Zeisler, DACH-Chef von Sovrn, haben die Publisher allen Grund dazu, die SSPs anzutreiben. Sie erzielen mit den SDA höhere Nachfrage, da die DSPs eben nicht die Katze im Sack kaufen wollen. Außerdem stünden dahinter die Qualitätsstandards vom IAB, die sie aufwerten. Nicht nur im offenen Markt, sondern auch für private Deals würden die IDs der SDA daher durchaus Sinn ergeben, meint Zeisler.
So oder so – es braucht beide Seiten, damit es funktioniert. Google hat sich dafür entschieden, jetzt müssen andere nachziehen. Oliver von Wersch, der das IAB Tech Lab beratend in Europa unterstützt, blickt optimistisch in die Zukunft: „Wir sprechen für das Tech Lab derzeit mit diversen Publishern und Branchenorganisationen in Europa über weitere Feldtests von SDA. Das Google Announcement hat dabei sicher ein paar Türen geöffnet.“
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