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ONLINE VERMARKTUNG - Interview mit Claudius von Soos, TV-Wartezimmer

DOOH kann von der Cookiecalypse profitieren

Anton Priebe, 13. Oktober 2022
Bild:  Andre Benz - Unsplash

Die Digitalisierung von Außenwerbung schreitet immer weiter voran und digitale Außenwerbeflächen verzeichnen eine wachsende Bedeutung im Media-Mix. Laut Nielsen hat Digital-Out-of-Home (DOOH) vergangenes Jahr in Deutschland einen Brutto-Werbeumsatz von 933 Millionen Euro erwirtschaftet. Der Außenwerbevermarkter TV-Wartezimmer bedient eine Nische im Bereich DOOH und hat sich auf digitale Screens in Arztpraxen sowie Kliniken spezialisiert. Im Interview mit ADZINE erklärt Claudius von Soos, Leiter Media Sales und Programmatic Advertising von TV-Wartezimmer, welche Entwicklungen er aktuell in Programmatic-Digital-Out-of-Home beobachten kann und warum seiner Meinung nach DOOH von der „Cookiecalypse“ sogar profitieren wird.

Bild: TV-Wartezimmer Claudius von Soos

ADZINE: Hallo Claudius, wie schreitet die Digitalisierung der Außenwerbung voran? Welche Entwicklung kannst du aktuell in Programmatic-Digital-Out-of-Home beobachten?

Claudius von Soos: Die Digitalisierung der Außenwerbung ist seit Jahren eine echte Erfolgsgeschichte: Das Angebot wächst kontinuierlich, permanent werden neue Touchpoints erschlossen. Das Institute for Digital Out of Home Media (IDOOH) vermeldet aktuell rund 140.000 digitale Screens in Deutschland. Zum Vergleich: 2014 waren es noch deutlich unter 100.000 Screens. Dabei werden vor allem bestehende Netze durch neue Touchpoints erweitert, außerdem wird die Standortqualität regelmäßig durch modernste Screen-Technologie optimiert.
Neben dem Netzausbau ist Programmatic einer der Wachstumstreiber für Digital Out of Home. Mittlerweile sind schon gut 60 Prozent der DOOH-Flächen in Deutschland programmatisch buchbar. Dabei stellen wir fest, dass häufig Kunden buchen, die vorher kein DOOH in ihrem Mediaplan hatten – auch wenn natürlich nicht die Buchungsart allein zu einer Buchung führt, sondern das Medium an sich passen muss. Das alles sorgt aber dafür, dass DOOH bereits einen Marktanteil von 35 Prozent innerhalb der Außenwerbung hat. Und auch für dieses Jahr rechnen wir insgesamt mit einem Rekordumsatz für Digital OOH.

ADZINE: Die Digitalisierung bringt neue Möglichkeiten der Zielgruppenansprache mit sich, insbesondere wenn wir an Programmatic denken. Welche Targeting-Optionen stehen den Advertisern bei programmatisch buchbarer Außenwerbung zur Verfügung?

Claudius von Soos: Bei den Targeting-Optionen punktet DOOH vor allem durch ein zu 100 Prozent zielgenaues Geo-Targeting, da in der Regel nach dem einzelnen Player optimiert wird, dessen Standort exakt bekannt ist. Des Weiteren ist Targeting nach individuellen Zeiten bereits seit Jahren Standard, wer beispielsweise morgens und abends die Pendler gezielt ansprechen möchte, kann sie problemlos auf ihrem Arbeitsweg mit DOOH begleiten. Oder die Fußball-Fans auf der Fahrt nach Hause nach dem zu Ende gegangenen Spiel. Das Wetter-Targeting ist in Arztpraxen mittlerweile so granular, dass es auf die Postleitzahl genau aussteuerbar ist. Durch einen täglichen Abgleich der aktuellen Wetterdaten kann dann selbst auf plötzlich auftretende, lokale Wetterphänomene eingegangen werden. Auch eine Selektion nach der aktuellen Pollenflug-Vorhersage ist dabei möglich. Darüber hinaus gibt es noch viele weitere Targeting-Möglichkeiten wie beispielsweise nach Demographie, Geschlecht, Freizeit-Interessen oder Haushaltsnetto-Einkommen.

ADZINE: Wie wird das technisch umgesetzt? Und woher kommt die Datenbasis?

Claudius von Soos: Da jeder DOOH-Screen an ein zentrales Playout-System angeschlossen ist, kann er entsprechend der Targeting-Kriterien einzeln selektiert und auch bei der Spotausspielung individuell angesteuert werden. Dank Programmatic funktioniert das automatisiert und in Sekundenschnelle. Die zugrunde gelegte Datenbasis stammt dabei aus verschiedenen Quellen: Zum einen sind die Standorte genau vermessen, das heißt, neben der exakten Geo-Koordinate sind auch die Umfeldkriterien, die am Ende den Kontext bilden, in dem die Werbung aufgenommen wird, bekannt. Es ist ja für die Wirkung einer Kampagne absolut entscheidend zu wissen, ob ein Spot beispielsweise in einer Passagesituation in einer Mall ausgestrahlt wird oder in einer Wartesituation in einer Arztpraxis.
Die entsprechenden Leistungswerte für die DOOH-Screens, aber auch die relevanten Zielgruppeninformationen wie Demographie, Touchpoint-Nutzung oder Interessen beziehen wir aus der für den gesamten DOOH-Markt gültigen „Public & Private Screens“-Studie vom IDOOH. Die Wetter-Daten stammen von speziellen Wetter-Datenbanken, hinzu kommen noch zahlreiche weitere Daten aus Markt-Media-Studien oder GfK-Daten.

ADZINE: Targeting ist die eine Seite der Medaille, Measurement die andere. Können Kontakte in DOOH auch gemessen werden?

Claudius von Soos: Die Kontakte werden über die „Public & Private Screens“ neutral vermessen, die seit 2013 erst vom Digital Media Institute, seit diesem Jahr nun von dem neuen DOOH-Verband IDOOH durchgeführt wird. Um die Bewegungsdaten an den DOOH-Touchpoints möglichst zeitnah zu erfassen, nutzt die Studie das ständige Trackingpanel GIM Traces. Dadurch kann das IDOOH dem Markt monatlich aktualisierte Leistungswerte und Zielgruppendaten aller DOOH-Werbeträger in Deutschland zur Verfügung stellen.

ADZINE: Wie genau funktioniert das in der Praxis? Existieren überhaupt einheitliche Metriken für die Auswertung?

Claudius von Soos: Die Metriken in der Branche sind einheitlich, durch die Gründung des IDOOH in diesem Jahr werden in der „Public & Private Screens“ auch alle relevanten Player im Digital-OOH-Markt abgedeckt. Da DOOH – anders als Online – ein Reichweiten- und ein One-to-Many-Medium ist, braucht es aber eigene Definitionen für die Kontaktmessung und das Tracking. Das DMI hat schon seit einigen Jahren gemeinsam mit den Marktteilnehmern verbindliche Standards für Marktforschung, Creatives, Technik, Programmatic Advertising und Stammdaten entwickelt. Im IDOOH wird diese Arbeit nun fortgeführt.

ADZINE: Kaum ein Thema beschäftigt die Adtech-Branche so sehr wie der Abschied vom Third-Party-Cookie. Spürst du auch in DOOH Auswirkungen der „Cookiecalypse“? Spielen Drittanbietercookies z.B. bei Targeting oder Measurement eine Rolle?

Claudius von Soos: Drittanbieter-Cookies spielen bei uns keine Rolle, da wir als One-to-Many-Medium keinen direkten Rückkanal haben. Wir denken auch nicht in einzelnen Usern, die personalisiert angesprochen werden sollen, sondern in Zielgruppen, deren Kenntnisse auf anonymisierten Daten basieren. Daher haben wir auch keine Probleme im Sinne der DSGVO. Vielmehr basiert die Planung bei uns auf dem Umfeld beziehungsweise Kontext, der sich – inhaltlich und/oder geographisch – über den Screen-Standort ergibt. Ein Beispiel: Als Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln kann ich davon ausgehen, dass ich meine gesundheitsbewusste Zielgruppe überproportional häufig in Fitness-Studios, Apotheken oder Arztpraxen erreiche.

Ich bin daher überzeugt, dass DOOH von der „Cookiecalypse“ sogar profitieren wird: Schon jetzt stellen wir fest, dass unsere Selektions-Möglichkeiten nach Zielgruppen in den Locations, die wir als Branche abdecken – zum Beispiel Shopping Malls, Flughäfen, Bahnhöfe, Supermärkte, Apotheken, Wartezimmer, Tankstellen – für immer mehr Kunden spannend werden, die früher allein auf Cookies gesetzt haben.

ADZINE: Was wird die Zukunft bringen für DOOH, vor allem mit Blick auf Targeting und Measurement?

Claudius von Soos: Zunächst einmal: DOOH wird mit Sicherheit noch weiter wachsen, und zwar ähnlich rasant, wie es schon in den letzten fünf Jahren zugelegt hat. Zwar ist auch der öffentliche Raum in gewisser Weise endlich und somit auch die Zahl der Standorte begrenzt. Doch ich sehe da noch reichlich Luft nach oben, denn viele Touchpoints sind noch gar nicht oder nur zum Teil erschlossen. Die meisten Anbieter sind auch permanent dabei, ihre Netze um immer wieder neue Standorte zu erweitern oder auch bestehende Standorte zu optimieren.
Beim Thema Measurement bekommen wir im Herbst ganz neue, aktuelle Kontaktwerte durch die IDOOH-Studie, die dann auch wieder monatlich auf den aktuellen Stand gebracht werden. Im Aufbau ist auch das Thema Echtzeit-Messung, hier wird es in den kommenden Jahren weitere Mess-Möglichkeiten für Werbekunden und Agenturen geben.
Und nicht zuletzt wird Programmatic dazu führen, dass Digital Out of Home seinen Marktanteil kontinuierlich ausbaut und dabei die klassische Außenwerbung nicht nur einholt, sondern in fünf Jahren schon überholt haben wird.

ADZINE: Vielen Dank für das Interview!

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