Vom offenen Marktplatz zur kuratierten Shoppingpassage für Mediaeinkäufer
Anton Priebe, 1. September 2022Der automatisierte Mediahandel lebt von seinem Marktplatzgedanken. Angebot und Nachfrage kommen hier zusammen, um Inventar und Daten zu handeln. Doch Mediaeinkäufer neigen verstärkt dazu, sich ihren eigenen, ganz persönlichen Ausschnitt von dem Marktplatz aufzubauen. Sie filtern das Angebot, richten sich die Marktstände nach ihren Vorstellungen ein und schnüren sich eigene Pakete aus einem selbstgewählten Einkaufsportfolio. Dafür setzen sie neben den vorgefertigen Lösungen auf weitere Technologie und kreieren einen Adtech-Stack, der auf ihre individuellen Bedürfnisse hin optimiert ist. Anhand dieses Finetunings sichern sich die Mediaeinkäufer gewisse Vorteile. Welche dies sind und warum neben den Agenturen auch immer mehr Advertiser einen eigenen Marktplatz errichten, erklärt Marion Kölling, Senior Director, Agencies & Brands von Xandr, im Interview.
ADZINE: Hallo Marion, professionelle Mediaeinkäufer versuchen sich seit jeher ihren eigenen Adtech-Stack aufzubauen. Insbesondere Agenturen kombinieren gerne unterschiedliche Technologie und entwickeln im Zweifelsfall Brücken dazwischen. Warum tun sie das?
Marion Kölling: Das hat etwas mit Wettbewerbsfähigkeit und dem eigenen USP zu tun. Vorhandene Technologien sind für den ganzen Markt gleich. Ein Wettbewerbsvorteil kann eben nur durch Customizing entstehen.
Im Programmatic-Ökosystem bewegen sich Einkäufer mittlerweile nicht mehr nur auf der reinen Einkaufsseite, sondern dringen weiter in Richtung der gesamten Supply-Kette vor. Getrieben werden sie dabei von Fragen wie etwa “Wie wird das Inventar verfügbar gemacht?” oder “Wie kann ich das für mich kuratieren?”. Agenturen wollen ja in der Wertschöpfungskette etwas beitragen für ihre Advertiser. Es geht nicht nur darum, Inventar durchzuleiten.
ADZINE: Was sind konkrete Ziele, die Einkäufer damit verfolgen?
Kölling: Ein Ziel kann sein, Inventar günstiger, aber trotzdem skalierbar einzukaufen. Oder intelligenter einzukaufen, also sich im Rahmen einer Partnerschaft mit einem Publisher Vorteile zu sichern. Das könnte beispielsweise die Möglichkeit sein, Inventar vor dem Wettbewerb zu sehen. Qualität ist auch ein großer Punkt. Inventar ist dabei aber “nur” die eine Komponente. Es kommen noch die Daten hinzu.
ADZINE: Welche Publisher-Produkte werden auf den individuellen Marktplätzen gehandelt? Sprechen wir beispielsweise eher von Video oder Display-Bannern?
Kölling: Im Grunde genommen alle programmatisch verfügbaren Produkte. Der Trend geht aber natürlich Richtung Bewegtbild-Inventar. Video ist schon die ganzen letzten Jahre ein großes Thema und jetzt geht es vor allem um ATV und CTV. Das sind sehr spannende Formate und die Zielgruppe ist besonders interessant. Das sind Personen, die man fast nicht mehr über klassisches TV erreicht. Agenturen wollen sich hier Nettoreichweite sichern. Das könnte übrigens ebenfalls ein Marktplatzziel sein.
ADZINE: Welche Technologien gehören zu einem Marktplatz mit individuellem Angebotsportfolio dazu?
Kölling: Eine Einkaufstechnologie, also eine Demand-Side-Plattform, und entweder eine Supply-Side-Plattform, auf der ich direkt einkaufe, oder eine spezielle Marktplatztechnologie, die ich zwischenschalte, um eine gewisse Flexibilität und Kurationsmöglichkeiten zu erhalten. Die Reise geht auf jeden Fall zur speziellen Technologie dazwischen, denn die DSPs bieten heute zu wenig Individualität. Man will auf einem Marktplatz Pakete aus Inventar und Daten bündeln und sie möglichst einfach auf der DSP einkaufen. So wird die Intelligenz in gewissem Grade vom Trader auf DSP-Seite in die Marktplatztechnologie verlagert und von dort zentral gesteuert.
ADZINE: Inwiefern hilft dieser Marktplatz dabei, Daten einzusetzen?
Kölling: Der Publisher hat Kontrolle darüber, wie seine Daten genutzt werden. Er kann entscheiden, welcher Käufer welche Daten sehen kann und wie er sie handeln darf – ebenso wie der Advertiser. Es sichert auch alle Seiten mit Blick auf den Datenschutz ab. Sicherheit spielt also eine große Rolle.
ADZINE: Für wen lohnt es sich, einen persönlichen Marktplatz aufzusetzen? Sind das nur die großen Agenturnetzwerke?
Kölling: Nein, die First-Party-Daten der Advertiser werden im Zuge der Cookieless-Debatte immer relevanter. Dieses Asset hat schließlich kein anderer im Markt. Es kann sehr sinnvoll sein, sich ein Marktplatz-Setup aufzusetzen, um etwa die First-Party-Daten seiner Konsumenten adressierbar zu machen. Insbesondere, wenn man an globale Advertiser denkt.
ADZINE: Worin liegen die Herausforderungen beim Aufbau des eigenen Stacks?
Kölling: Der Marktplatzgedanke kann nicht nur auf einer Seite gedacht werden. Partnerschaften sind unumgänglich. Diese Partnerschaften haben schon immer existiert, können nun aber besser technologisch abgewickelt werden. Vorhandene Marktplatztechnologien zu nutzen und dort noch eigene Technologien oder strategische Ansatzpunkte draufzusetzen, wie der Marktplatz an die Kunden herangetragen wird, ist dann die Kür.
Aber es ergibt keinen Sinn, einfach anzufangen und dann zu gucken, wo man landet. Ich muss also ein klares Bild davon haben, wo ich hin möchte. Dafür muss ich planen und brauche das entsprechende Know-how. Es braucht jemanden, der dafür verantwortlich ist, der das große Ganze erkennt, strategisch mitformt und umsetzt.
ADZINE: Was sind das für Personen? Welche Rollen in Unternehmen kommen dafür infrage?
Kölling: Dabei handelt es sich um geteilte Verantwortlichkeiten. Dafür sind Rollen aus dem strategischen Inventareinkauf und Datenhandling nötig. Außerdem muss es jemand von rechtlicher Seite aus begleiten. Und wie gesagt, muss einer von strategischer Seite aus das Gesamtbild im Blick behalten – der muss sich aber nicht im Einzelnen mit programmatischer Technologie auskennen. Trotzdem braucht man darüber hinaus natürlich denjenigen, der letztlich in der Maschine die Einstellungen vornimmt.
ADZINE: Wie lauten deine Tipps, um sich seinen eigenen Marktplatz für die Zukunft zu kreieren?
Kölling: Man sollte sich einen Partner suchen, der so etwas schon einmal gemacht hat. Man muss ja nicht von null anfangen und die gleichen Fehler wieder machen. Das Wichtigste ist jedoch, sich klarzumachen, wobei mir der Marktplatz konkret helfen soll.
ADZINE: Danke für das Interview, Marion!
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