Ins Schwarze treffen oder lieber ins Blaue hinein?
Maren Seitz, 25. August 2022Unternehmen investieren zunehmend in zugespitzte Targeting-Strategien – liefern diese aber das beste finanzielle Ergebnis? Da heißt es, die eigene Marketingstrategie und -budgetverteilung genau unter die Lupe zu nehmen, um die Stärken der unterschiedlichen Targetingmethoden optimal zu nutzen.
In einer Welt ohne Third-Party-Cookies befürchten viele Unternehmen Einbußen in ihrer Marketing-Ansprache. Dabei könnte sich der vermeintliche Fluch als Segen herausstellen: Denn das mithilfe von Third-Party-Cookies ermöglichte nutzerbasierte Targeting funktioniert längst nicht so gut wie erhofft. Zu undurchsichtig sind häufig die Datensätze der Drittanbieter und zu unpräzise die Algorithmen. Zusätzlich erschweren Walled Gardens oder auch die gemeinsame Nutzung eines Endgeräts aussagekräftige Messungen der ROI-Bilanz. Beispielsweise zeigte eine Studie der MIT Sloan School of Management und Melbourne Business School, dass geschlechterbasierte Ansprachen basierend auf Third-Party-Daten in weniger als 50 Prozent der Fälle akkurat war – und damit schlechter abschnitt als eine Ansprache per Zufall.
Dennoch haben sich Unternehmen in den letzten zwanzig Jahren zunehmend für Personalisierung und nutzerdatenbasierte Targetingmaßnahmen entschieden. Unser aktueller Report zeigt, dass die überwiegende Mehrheit (75 Prozent) der analysierten Online-Werbeausgaben im Jahr 2021 für Kanäle mit Potenzial für spezifisches Targeting (z.B. Social Media, Display, Video) verwendet. Vor fünf Jahren waren es lediglich 55 Prozent.
Gezielt oder ungezielt, das ist hier die Kostenfrage
Es ist an der Zeit umzudenken und die höheren Kosten einer punktuellen Ansprache den Optionen mit breiteren Reichweiten gegenüberzustellen. Dabei sollte jedes Unternehmen die Investitionen auch mit seinen eigentlichen Marketing-Zielsetzungen abgleichen. Für die Auswahl und Umsetzung einer optimalen, individuellen Targeting-Methode gelten dabei folgende Grundsätze und Empfehlungen:
1. Bestandsaufnahme machen – Um eine kosteneffiziente Targeting-Strategie für die eigenen Ziele auszumachen, muss sich jedes Unternehmen zuerst mit den Daten auseinandersetzen, die ihm bislang zur Verfügung stehen. Essenziell sind dabei die Größe und Qualität des Datenpools: Welche Daten wurden bereits gesammelt und welche Qualität haben sie? Inwieweit müssen Strategien zur qualitativ hochwertigen Datenerhebung aus erster Hand entwickelt werden (First-Party-Daten)? Und wo bestehen Datenlücken, die durch den Zukauf von Second- und Third-Party-Daten zu schließen sind?
2. First-Party-Datenschätze heben – Steht ein ausreichend großer Pool an geeigneten Daten aus erster Hand (z. B. CRM, E-Mail) oder exakte Second-Party-Daten (z. B. Paid Social) zur Verfügung, lohnen sich Narrow- und Hyper-Targeting-Strategien. Hyper-Targeting ist beliebt, da es rasiermesserscharf Konsumenten mit dem größten Verkaufspotential ansprechen und somit den kurzfristigen Abverkauf ankurbeln kann. Auf lange Sicht kann dieser Fokus auf wahrscheinliche Käufer aber dazu führen, dass die Ansprache von Neukunden vernachlässigt wird, die noch weiter vom Kauf entfernt sind. So kann mitunter der Basisumsatz langsam, aber sicher wegbrechen. Beim Targeting sollten also unbedingt auch zukünftige Kunden mitgedacht werden.
3. Clicks sind nicht alles – Narrow-Targeting unterstützt besonders gut in digitalen Kanälen die Konvertierung zum Kauf. Die dabei entstehenden schnellen und kurzfristigen Erfolge sind zwar verlockend, doch Marketer sollten auch hier langfristig planen und sich nicht nur Conversions, Klicks und anderen effizienzorientierten Metriken hingeben. Denn was kurzfristig zum Verkauf animiert, wirkt sich nicht notwendigerweise auch auf die Basis aus, von der alles ausgeht: die Marke. Der Sportartikelhersteller Adidas widmet sich beispielsweise wieder verstärkt der Markenpflege und plant für Metriken, die über Algorithmen kurzfristige Verkaufsverläufe widerspiegeln, nur noch 40 Prozent seiner Marketing-Ressourcen ein. 60 Prozent des Budgets fließen als langfristige Investition in den Aufbau und die Pflege der Brand; ganz im Sinne von Binet und Field.
4. Contextual Targeting ausschöpfen – Im Targeting dachte man lange: Je individuell zugeschnittener die Ansprache, desto besser. Doch wer bislang auf die (nicht zukunftssicheren) Daten auf Nutzerebene setzte, sollte künftig häufiger auf eine kontextbezogene Zielgruppenansprache zurückgreifen. Sie stellt bei vergleichbaren Kosten die wirksamste Alternative unter den Targeting-Formen dar: Unser Report belegt, dass sie 1,2 bis 2,5-mal effektiver als Narrow Targeting ist. Dabei werden Werbeanzeigen in (Online-)Medien geschaltet, die direkt mit den Interessensgebieten der relevanten Zielgruppen verbunden sind, also beispielsweise Werbung für Gartenmöbel in einem Online-Magazin, das sich mit Haus- und Gartenbau befasst.
5. Marktkenntnis vorausgesetzt – Generell gilt, ob TV, Radio, Außenwerbung oder auch Paid-Social-Optionen: Kanäle mit großer Reichweite sollten gezielt zur Stärkung des Upper-Funnel eingesetzt werden. Sie erzeugen Markenbekanntheit und Consideration. Digitale Kanäle eigenen sich hingegen besonders (aber nicht nur) zur Konvertierung zum Kauf. Unternehmen sollten also bei der Wahl ihrer Kanäle deren Wirkungsweisen für ihre Zielgruppe im Marketing-Funnel genau kennen und nicht ins Blaue hinein kommunizieren.
Die Mischung macht‘s
Die richtige Targetingmethode und den idealen Marketing-Mix zu finden, ist eine komplexe Herausforderung. Sie bedarf ständiger Messung und Optimierung – beispielsweise durch moderne und besonders holistische Messansätze. Dabei sollten Marketingabteilungen vor allem nach Vergleichbarkeit der Maßnahmen und der einzelnen Kanäle streben und keine Silos aufbauen. Es braucht eine einheitliche Währung für das gesamte Unternehmen, um die wahre Wirksamkeit neuer Targetingstrategien oder anderer Maßnahmen nachzuweisen und gezielt zu optimieren. Denn nur wenn alle kommerziellen Aktivitäten und Unternehmensbereiche mit einbezogen und abgebildet werden, kann der Erfolg am Ende auch wirklich nachgewiesen und langfristig ausgebaut werden.
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