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Zusammenarbeit statt Wettbewerb mit Walled Gardens?

Anton Priebe, 20. Juni 2022
Bild: Olga Guryanova – Unsplash

Es ist kein Geheimnis: Ein erheblicher Teil der Werbebudgets landet weltweit letztlich auf den großen Plattformen. Insbesondere GAFA – Google, Amazon, Facebook und Apple – werden immer wieder als Profiteure des Werbemarktwachstums genannt. Diese Walled Gardens schotten ihre Daten sorgsam vom Rest der Branche ab. Bedeutet dies also, dass auch die anderen Marktteilnehmer ihre Technologien und Daten hinter verschlossenen Türen betreiben sollten? ADZINE hat mit Phil Schraeder, CEO des Adtech-Unternehmens Gum Gum, gesprochen, um zu verstehen, wie Werbeprodukte heutzutage aussehen müssen, um wettbewerbsfähig zu sein, und wo er noch Chancen für den “freien” Werbemarkt sieht.

ADZINE: Hallo Phil, was verstehst du unter einem “unabhängigen Werbemarkt”?

Phil Schraeder: Bei der Unabhängigkeit geht es um Offenheit und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit. Es geht darum, dass Unternehmen sich vernetzen und kooperieren und dass sie bereit dazu sind, ihre Daten und Technologien gemeinsam zu nutzen, um die Customer Journey durch das Web zu verbessern, anstatt sie zu ihrem eigenen Vorteil zurückzuhalten.

Von zentraler Bedeutung ist dabei die Schaffung von Transparenz – echter Transparenz und nicht etwas, das als nachträgliche Korrektur oder als Lippenbekenntnis verstanden wird. Letztlich geht es darum, effektiveres Marketing zu betreiben, indem die Marketer die Kontrolle zurückgewinnen, die sie durch die Arbeit mit undurchsichtigen, eigennützigen Plattformen verloren haben.

Bild: Gum Gum Phil Schraeder, Gum Gum

ADZINE: Was müssen Werbeprodukte mitbringen, um sich hier gegen die großen Plattformen, die GAFAs, behaupten zu können?

Schraeder: Sie müssen beim Verbraucher ansetzen und ihn in den Mittelpunkt des Handelns eines Unternehmens stellen. Und um den Einzelnen zu respektieren, müssen diese Lösungen auf personenbezogene Daten verzichten. Werbung basiert auf der Prämisse, so viele personenbezogene Daten wie möglich durch Cookies und Identifier zu sammeln, sie zu verstehen und sie dann zum Targeting einzusetzen. Dabei wurde davon ausgegangen, dass die Zielgruppenansprache umso effektiver ist, je größer die Plattformen sind und je mehr Daten sie haben.

Aber die Nutzer haben genug davon. Durch das Sammeln der persönlichen Daten haben die Verbraucher das Vertrauen in die Werbung verloren und ergreifen Maßnahmen, um das Tracking zu verhindern. Der hohe Anteil von denen, die Adblocker einsetzen, ist ein Beweis dafür.

Das bedeutet, dass heute der Kontext entscheidend ist, um wettbewerbsfähig zu sein. Die Zukunft liegt in Lösungen, die alle verfügbaren nicht-personenbezogenen Signale nutzen können, um relevante Werbung zu liefern, die auf dem Mindset des Verbrauchers und dem, was er gerade sieht, basiert. Die Herausforderung besteht darin, diese Signale zu erkennen. Ist dies jedoch erst einmal gelungen, können diese Daten Media und Creative unterstützen. Auf diese Weise findet die Werbung mehr Anklang bei den Nutzern, da sie sich eindeutig auf den Inhalt und nicht auf ihre persönlichen Daten bezieht.

Und ich würde infrage stellen, ob wir konkurrieren müssen. Ja, die Walled Gardens haben natürlich ihren Platz im Ökosystem, aber für uns geht es nicht um Wettbewerb, sondern um Zusammenarbeit. Nur durch Offenheit und Kooperation kann die Branche die Werbung verbessern und das ist etwas, was die Walled Gardens von der unabhängigen Adtech-Branche lernen können.

ADZINE: Ihr verkauft selbst Targeting in Kombination mit Media und Werbeformaten, die nicht einzeln über den “freien” Programmatic-Markt buchbar sind. Baut ihr somit auch einen eigenen kleinen Walled Garden auf?

Schraeder: Definitiv nicht. Bei Gum Gum geht es um Offenheit, Transparenz und Austausch. Wir arbeiten mit vielen Drittanbietern zusammen, um ihnen unsere Produkte zur Verfügung zu stellen und den Werbemarkt voranzubringen. Unsere jüngsten Partnerschaften mit Xandr und Tumblr sind nur zwei Beispiele für unseren Wunsch, zum Wohle aller zu kooperieren.

Es ist wichtig, sich klarzumachen, dass sich jeder Walled Garden dem Markt mit seiner Technologie und seinen Daten öffnen kann, aber er muss es wollen. Was uns von ihnen unterscheidet, ist die Einstellung. Wir sind von Natur aus offen und unsere Philosophie besteht darin, uns ständig dem Markt zu öffnen. Wir sind also das Gegenteil von einem Walled Garden.

ADZINE: Wo siehst du noch Chancen für unabhängige Marktteilnehmer, die GAFAs zu schlagen?

Schraeder: Die Veränderungen in Bezug auf Third-Party-Cookies und Identifiern in Verbindung mit der aktuellen Gesetzgebung bieten unabhängigen Playern eine gute Gelegenheit, ihre Strategien zu überdenken, um in Zukunft erfolgreich zu sein. Es ist eine Chance für sie, ihr Angebot neu zu bewerten und sicherzustellen, dass sie mit den besten Partnern mit den richtigen Akkreditierungen zusammenarbeiten, damit sie Vertrauen in das haben, was sie liefern. Es geht auch darum, zu verstehen, wie sie Daten sammeln, damit diese genutzt werden können, um Nutzer im richtigen Moment und mit dem richtigen Mindset anzusprechen.

Vor allem aber bietet sich in einer Branche, die von Misstrauen geprägt ist, die große Chance, sich neu mit ihrer Audience zu connecten und Werbung zu liefern, die funktioniert. Uninteressante, verhaltensorientierte Werbung, die programmatisch mit Standardformaten ausgeliefert wird, schreckt die Nutzer ab und erodiert die Aufmerksamkeit. Werbetreibende müssen Ansätze verfolgen, die genaues, datenschutzkonformes Targeting mit ansprechenden Formaten bieten und dann die erzeugte Aufmerksamkeit messen, um ihre Wirksamkeit zu beweisen.

ADZINE: Wie sieht deiner Meinung nach die Zukunft des freien Werbemarkts aus?

Schraeder: Die Zukunft ist spannend. Wie immer entscheidet die Kombination aus Verbrauchern, Marktumfeld und Timing darüber, wann eine Gelegenheit günstig ist. Jetzt ist die Zeit für CTV und In-Game Advertising gekommen. Ja, es gibt Herausforderungen für CTV im Bereich der Standardisierung und Messung, aber wir sehen bereits neue, maßgeschneiderte Formate, die speziell für diesen Kanal entwickelt wurden. Und unabhängige Werbetechnologien ermöglichen es den Marketern, die Vorteile dieser neuen Möglichkeiten voll auszuschöpfen.

ADZINE: Sehen wir immer mehr kleinere Walled Gardens, um sich vor den GAFAs zu schützen?

Schraeder: Wir nehmen Walled Gardens zur Kenntnis, wenn sie eine bestimmte Größe erreichen und eine kritische Masse überschreiten. Heute gibt es mehr Walled Gardens, aber vor allem gibt es auch eine zunehmende Offenheit und Transparenz in der Branche. Einige kleine Walled Gardens werden sich öffnen, wenn die Zeit und die Gelegenheit günstig sind. Andere wiederum bilden sich auf natürliche Weise durch Integration und Kooperation. Sie sind das, was man Partnerschaften nennt.

ADZINE: Was können wir von deinem Vortrag auf der Adtrader Conference erwarten?

Schraeder: Du wirst etwas darüber hören, welche Chancen sich für die Branche am Horizont abzeichnen. Vor allem aber wirst du erfahren, wie wir darüber denken, wie Daten der Verbraucher erhoben werden sollten, warum Unternehmen ihre derzeitige Denkweise ändern müssen und warum Aufmerksamkeit die Messgröße der Zukunft sein wird.

ADZINE: Danke für das Interview, Phil!

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