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Multichannel-Mediaeinkauf – Schritt für Schritt dem Traum etwas näher

Karsten Zunke, 27. Juni 2022
Bild: Chuttersnap – Unsplash

Brötchen kauft man beim Bäcker, Fleisch beim Metzger und Gemüse im Hofladen. Oder doch lieber alles effizient und in einem Rutsch im Supermarkt? Mediaeinkäufer stehen vor ähnlichen Herausforderungen wie der klassische Konsument. Sie müssen ihre Einkaufsliste abarbeiten und dabei die Wünsche des jeweiligen Auftraggebers optimal erfüllen. Sie sollen möglichst viel Leistung in hoher Qualität für möglichst wenig Geld erstehen. Doch wo kauft es sich am besten ein? Für Mediaeinkäufer kommen erschwerend immer neue Kanäle hinzu, die bessere oder zusätzliche Leistungen versprechen und die in den Einkaufsprozess integriert werden könnten.

Strategie ist der Schlüssel

Bild: Havas Media Ellinor Klier, Havas

Agenturen wie Havas Media gehen die Sache pragmatisch an. „Zunächst ist es wichtig, die Kunden aufzuklären und zu beraten – und zwar frühzeitig“, sagt Ellinor Klier, Head of Programmatic Hub bei Havas Media. Entsprechend diskutiert die Agentur mit ihren Kunden mögliche Channel und Chancen. Lohnt sich der Aufwand, Anpassungen vorzunehmen – zum Beispiel bei den Werbemitteln? Ist der Kanal technisch für den Kunden überhaupt realisierbar? Jeder Werbetreibende befindet sich in der Regel auf einer anderen Entwicklungsstufe, ist in anderen Kanälen unterwegs. So betreut Havas Media beispielsweise viele Unternehmen, die stark TV-Werbung schalten, andere wiederum sind rein digital unterwegs. Neue Kanäle wie Connected TV bieten aber Chancen für beide Seiten: TV-Werber haben die Chance auf inkrementelle Reichweite und Digitalwerber können nun auf dem Big Screen stattfinden. „Je früher man mit Kunden über neue Kanäle spricht, desto besser kommen die Informationen an“, sagt Klier.

Die Erwartungshaltung der Kunden mache es heute einfacher, neue Wege zu gehen. „Es ist ein programmatischer Spirit entstanden“, meint Klier. Werbetreibende seien reifer geworden. „Unsere Kunden gehen gemeinsam mit uns in die Tests und akzeptieren, dass ein Werbeprodukt nicht zu 100 Prozent ausgereift ist. So wachsen wir gemeinsam mit den Kunden.“ Statt kurzfristig auf einen Trend aufzuspringen und ihn nur punktuell in der Planung zu berücksichtigen, plädiert Klier dafür, mit neuen Kanälen nachhaltiger zu agieren. Die frühzeitige Kommunikation und das Agieren Hand-in-Hand mit den Kunden sind aus Sicht der Agentur daher sehr wichtig.

Erst prüfen, dann anbinden

Klier rät auch dazu, neue Kanäle nicht überstürzt technisch zu integrieren, viel wichtiger sei die langfristige, strategische Integration. „Die Strategie darf kein Soufflé sein. Sie muss Hand und Fuß haben, zur Marke passen und nachhaltig ausgerichtet sein, damit sie wirklich ein Wachstumspotenzial für die Zukunft erschließt“, so Klier.

Bild: Xandr Robert Kraemer, Xandr

Um neue Kanäle anzubinden, muss also zunächst das Potenzial des Kanals ausgelotet und mit der aktuellen Entwicklungsstufe der Marke abgeglichen werden, um daraus die richtigen Maßnahmen abzuleiten. Unabhängig davon, ob Marken zu den Early Adoptern gehören oder gerade erst anfangen: Nach Einschätzung von Robert Kraemer, Senior Director CTV and Omnichannel bei Xandr, ist für einen neuen Kanal, der noch am Anfang der Marktreife steht, der direkte Weg immer noch der beste. „Eine möglichst direkte Anbindung des Inventars sorgt für maximale Transparenz und minimiert Kosten und Risiken. Offene Plattformen, die einen großen Teil der Wertschöpfungskette abdecken, können hier punkten, da sie die Schnittstellen im Mediaeinkauf reduzieren“, so Kraemer. Ohne Standards gehe nichts, „Medienkanäle lassen sich nur skalieren, wenn es einen einheitlichen, strukturierten Austausch von Daten, Inventaren und Informationen gibt.“ Neben der Strategie und den richtigen Rahmenbedingungen sind im nächsten Schritt passende Technologien für den Mediaeinkauf elementar.

Technologie folgt dem Konvergenz-Trend

Bild: Virtual Minds Tom Peruzzi, Virtual Minds

Nach Einschätzung von Tom Peruzzi, Sprecher der Geschäftsführung und CTO Virtual Minds, vollzieht die Einkaufstechnologie im Programmatic-Bereich letztlich das nach, was die Mediaplanung vor dem Hintergrund anhaltender Zielgruppenfragmentierung schon seit geraumer Zeit vorgibt und vorlebt: konvergente Kampagnen, deren medien- und kanalübergreifende Aussteuerung immer stärker von DSPs ausgeübt wird. „Insofern gibt es hier durchaus einen Trend zum Einsatz von Multi- beziehungsweise Omnichannel-Plattformen und -Technologien, die die Kampagnenorchestrierung übernehmen“, sagt Peruzzi. Bei Werbetreibenden, die Programmatic inhouse abwickeln, ist die Wahl zwischen Spezial-DSPs und Multi- beziehungsweise Omnichannel-DSPs dem Experten zufolge immer eine Frage der Kommunikations- und Mediastrategie sowie der damit verbundenen Setup- und Betriebskosten. Auf Agenturseite werden laut Peruzzi in der Regel Multi- beziehungsweise Omnichannel-Tradingdesks mit einem hohen technologischen Reifegrad in den einzelnen Medien und Kanälen eingesetzt, um Komplexität zu reduzieren.

Bild: MiQ Nils Kopnarski, MiQ

Zwischen Multichannel- und Omnichannel-Strategien besteht noch ein kleiner, aber feiner Unterschied. Während Multichannel gerne in Silos gedacht wird und die Learnings der einzelnen Kanäle nicht miteinander verknüpft werden können, ist die Lage bei einem Omnichannel-Ansatz anders: Hier werden die Kampagnen nicht in neben- oder nacheinander geschalteten Kanälen und gleichem Messaging gefahren. „Der größte Mehrwert ist die Verbindung mit anderen Kanälen und damit die Möglichkeit, den Kanal in eine Omnichannel-Strategie einzubinden“, sagt Nils Kopnarski, Operations Director DACH von MiQ. „Die Kanäle werden aus einer Hand geschaltet und sind so miteinander verbunden, dass Ergebnisse des einen Kanals den anderen beeinflussen können, sie also sozusagen in einer einzelnen Buying-Strategie zusammengefasst sind.“ Für digitale Formate wie Display, Native oder OLV gilt dem Experten zufolge die potenzielle Möglichkeit dazu schon länger, „für neuere Digitalkanäle wie OOH oder TV ist dies aber neu und erweitert dementsprechend die zukünftigen Möglichkeiten deutlich.“

Bleibt der Traum ein Traum?

Wie eine BVDW-Mitgliederbefragung zeigt, wurde bereits im Jahr 2020 zu 80 Prozent Programmatic Advertising innerhalb einer Kampagne über mehr als nur einen Kanal eingesetzt; in 80 Prozent dieser Fälle wurden drei bis fünf Kanäle miteinander kombiniert oder gleichzeitig genutzt. Aber nur in einem Drittel der Fälle fand kanalübergreifend ein Targeting auf der exakt gleichen Datenbasis statt. Meist wurden also kanalspezifischen Daten genutzt – mit kanalspezifischer Targeting-Logik beziehungsweise mit einer einheitlichen Targeting-Logik über alle Kanäle. Entsprechend gaben damals 45 Prozent der Befragten an, dass sie drei oder mehr DSPs für kanalübergreifende Kampagnen nutzen müssen. Bleibt der Traum einer einheitlichen Plattform für den digitalen Mediaeinkauf also dauerhaft ein Traum? „Nein“, sagen alle Marktbeobachter. Man komme ihm Stück für Stück näher.

Auch Kopnarski glaubt daran, dass dieser Traum wahr wird. Nach seiner Einschätzung wird sich das Verständnis dieses Traums mit zunehmenden technischen Möglichkeiten und neuen Kanälen konstant verändern. „Wenn wir eines sicher sagen können, dann dass wir in der digitalen Werbung kein ‘Ankommen’ erleben werden“, so der Experte, der davon überzeugt ist, „dass unser jetziges Verständnis dieses ‚Omnichannel-Traums‘ wahr wird“. Peruzzi ist ebenfalls davon überzeugt – nicht zuletzt ist dies auch ein Ziel, das Virtual Minds verfolgt: eine holistische Mediamanagement-Plattform, die auf der Demand-Side wie auf der Supply-Side alle Kanäle orchestriert und damit die Planung und Aussteuerung konvergenter Mediaprodukte und Kampagnen ermöglicht. „Bis zur Endausbaustufe wird das sicherlich noch ein paar Jahre dauern, aber das ist das, was der Markt braucht und will“, sagt Peruzzi. Dafür bedürfe es neben der rein technologischen Ebene und den Enablern auch entsprechende Methodiken, Geschäftsmodelle und Anwendungsszenarien. Auch Lern- und Erfahrungskurven werden laut Peruzzi ein entscheidender Schlüsselfaktor sein.

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