Das Programmatic-Ökosystem ist nicht gerade für seine Transparenz bekannt. Viele Studien beschäftigen sich mit der undurchsichtigen Supply Chain. Traurige Berühmtheit in der Werbeindustrie erlangte beispielsweise die ISBA-Studie aus Großbritannien, die feststellte, dass 15 Prozent der Programmatic-Ausgaben komplett in der Lieferkette versickerten. Eine neue Analyse von Adalytics wirft nun einen weiteren Blick auf das Adtech-Gefüge und widmet sich speziell den Gebühren, die beim programmatischen Mediaeinkauf entstehen.
Adalytics bezeichnet sich selbst als “crowd-sourced social experiment” und stellt eine Browser-Erweiterung bereit, die ausgelieferte Werbeanzeigen analysiert und in Kategorien zusammenfasst. Sie sollen dem Nutzer unter anderem deutlich machen, wie ihn die Werbeindustrie einordnet und veranschaulichen, ob die angezeigte Werbung tatsächlich relevant ist. Hinter Adalytics steht der Datenexperte Krzysztof Franaszek, der in Computational Biology promoviert hat und sich jetzt verstärkt dem Digital Advertising, insbesondere dem Bereich Adtech, widmet. Gespeist aus den Daten aus der Browser-Extension und weiteren Quellen hat Franaszek bereits diverse Studien über die Adtech-Welt veröffentlicht.
Die aktuelle Untersuchung beschäftigt sich mit den Fees der Adtech-Unternehmen, die im Programmatic Advertising agieren, und die sogenannte Supply Chain bilden. Dies meint die Kette vom Advertiser über Technologien wie Demand-Side-Plattformen (DSP) oder Supply-Side-Plattformen (SSP) hin zum Publisher. Für die Analyse nutzte Franaszek sowohl Daten aus seinem Tool und anderer, öffentlich zugänglicher Studien als auch zusätzlichen, privaten Input in Form von Log-Level-Daten vonseiten der Publisher und Advertiser. Allerdings sind die Aussagen der Studie mit Vorsicht zu genießen, denn unter anderem waren Faktoren wie Geographie, Zeit und Gerätetyp (kein CTV) limitiert. Außerdem wurden weder direkt verkaufte Ads noch eventuelle finanzielle Ausgleiche auf Vertragsbasis oder ähnliche Mechanismen nach der Auktion berücksichtigt. Dennoch zeigen die Ergebnisse Tendenzen auf, auf die sich ein Blick durchaus lohnt.
Schwankende Fees werfen Fragen auf
Zunächst fällt auf, dass die Spanne, in der sich die Fees bewegen, sehr groß ist. Selbst bei gleichbleibendem Mediaeinkäufer und Suppy Path auf derselben Publisher-Domain konnten bei der einen Impression 5 Prozent und bei der nächsten 85 Prozent Gebühren für SSP und DSP anfallen. Der Anteil variiert um bis zu beträchtliche 80 Prozent.
In Extremfällen flossen bei manchen Impressionen bis zu 98 Prozent des Budgets zu den Adtech-Intermediären, womit lediglich 2 Prozent des anfänglichen Geldes des Werbetreibenden beim Publisher ankamen. In anderen Fällen erreichte den Publisher sogar mehr Geld, als zum Start in das Programmatic-System hineingegeben wurde. Dies erklärt sich Franaszek damit, dass die SSPs teils gezielt Verluste in Kauf nehmen und den Publishern mehr ausschütten, um ihre Win Rate insgesamt in die Höhe zu treiben und letztlich attraktiver in der Nutzung zu wirken. Eine höhere allgemeine Nutzungsrate führt langfristig natürlich zu mehr Erlösen. Eine weitere Erklärung dafür wäre die Einhaltung fester Deals mit Mediaeinkäufern, um auf eine bestimmte Anzahl von Impressions zu kommen.
Die erhobenen Fees aufseiten der SSPs unterscheiden sich zudem von Publisher zu Publisher und hängen scheinbar nicht mit der Qualität eines Mediums zusammen. So wurden Nischenseiten mit wertvoller Audience, beispielsweise aus der Pharma-Industrie, höhere Gebühren auferlegt als Clickbait-Seiten mit automatisch aktualisierten Ad Slots. Dies wirft die brisante Frage auf, ob das Programmatic-Ökosystem die Quantität der Impressions über Qualität stellt?
DSP und SSP nehmen sich 35 Prozent vom Kuchen
Im Schnitt gingen bei einer 10-Dollar-Auktion 35 Prozent des Werbebudgets an SSP und DSP. Bei der Hälfte der Impressionen bewegten sich die einbehaltenen Gebühren zwischen 22 und 45 Prozent. Jede vierte Impression verbuchte 46 Prozent Fees, wobei hier vor allem eigene Werbeformate wie Native ins Spiel kamen.
Im Mittel behielten die SSPs circa 23 Prozent der Werbedollars ein. Trotz der allerorts vorherrschenden Varianz konnten auch fest verhandelte Gebühren beobachtet werden. Franaszek spricht jedoch angesichts der Diskrepanzen die Empfehlung aus, dass Publisher, Mediaagenturen und Advertiser ihre Log-Level-Daten im Auge behalten sollen, ob abgesprochene Fees auch eingehalten werden.
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