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MARTECH

Cookie-Aus führt zum Kampf um digitale Kundenschnittstellen

Karsten Zunke, 6. April 2022
Bild: Christopher Gower – Unsplash

Das Ende des Third-Party-Cookies ist beschlossene Sache. Viel Zeit bleibt nicht mehr, mit passenden Strategien den damit verbundenen Informationsverlust zu kompensieren. Das Targeting droht weniger präzise auszufallen und die Attribution der Wertbeiträge einzelner Kanäle zum Kampagnenziel könnte zum Blindflug werden. Den gläsernen User gibt es nicht mehr.

Bild: Haratsis Dimitrios Haratsis

„Das künftige Motto lautet nicht ‚tracking by default‘, sondern ‚privacy by default‘, bringt es Dimitrios Haratsis, Advisor Customer Driven Marketing, auf den Punkt. Advertiser und Publisher versuchen nun, die Datenhoheit zurückzugewinnen. Um ein neues Kundenverständnis aufzubauen, sind First-Party-Datenstrategien gefragt. Eine zentrale Rolle dürften dabei die Touchpoints zum Kunden sein, die noch in der Datenhoheit der Anbieter liegen. „Ein Ziel kann es sein, Nutzern die richtige User Experience anzubieten und darüber idealerweise Logins- zu generieren“, sagt Haratsis. So ließe sich ein besseres Profilverständnis aufbauen, um diese Nutzer wiederum noch intelligenter anzusprechen und an eine Marke zu binden.

Bekannte Nutzer im Fokus

Bild: Netcentric Fritz Oleinek, Netcentric

Ähnlich sieht dies Fritz Oleinek, Senior Director Marketing Technology Consulting bei Netcentric. „Um in der ‚cookieless world‘ zu überleben, müssen Nutzer-Pfade und -Journeys so gestaltet werden, dass sie zügig zu einer Authentifizierung führen – inklusive Opt-in“, so der Experte. Nur so werde es in Zukunft möglich sein, Eins-zu-eins-Kommunikation mit Kunden und Konsumenten zu führen. „Daher ist es extrem wichtig, sämtliche Kundendaten jederzeit parat zu haben, um sie sowohl für personalisierte Angebote als auch für tiefgreifende Analysezwecke nutzen zu können.“

Eine solche „360-Grad Customer View“ wird von Marketern schon lange gewünscht und von Beratern gefordert. Doch trivial ist dies nicht. Kundenverhaltensdaten müssen in Echtzeit einem Profil angefügt werden können, um mit dem nächsten Klick bereits reagieren zu können - dies gilt für Onsite- genauso aber für Offsite-Kanäle. „Auch digitale Werbung wird zukünftig mit hauptsächlich bekannten Nutzern personalisiert und optimiert werden“, ist Oleinek überzeugt.

Ohne Technik geht es nicht

Eine neue strategische Fokussierung auf die Schnittstellen zu bekannten Nutzern setzt automatisch auch technische Überlegungen auf die Agenda. Um eine einheitliche Sicht auf den Kunden zu gewährleisten, müssen zunächst die oft zitierten Silos abgerissen werden. Da dieses Unterfangen leichter gesagt als getan ist, kommen immer häufiger Customer Data Platforms (CDPs) ins Spiel, die sich wie ein Layer über die bestehenden Systeme legen und diese integrieren.

Zu den Kernaufgaben der CDP gehört die Vereinheitlichung und Homogenisierung von Kundendaten aus diversen Quellen (online und offline), um so ein integriertes Digital-Kundenprofil zu erstellen. Dieses Profil kann dann in Echtzeit genutzt werden, um beispielsweise in Apps, auf Websites oder für digitale Werbeplätze eine personalisierte Customer Experience auszuspielen. „Technologie und verfügbare Funktionalitäten einer CDP haben sich in den letzten Jahren stark weiterentwickelt und etabliert“, sagt Oleinek. Aus Sicht des Experten ist es daher „unablässig für die Personalisierung von Customer Experiences in allen Kanälen jetzt in eine CDP zu investieren.“

Clevere Datenstrategien entwickeln

Bild: Elab Joachim Stalph, Elaboratum

Auch nach Einschätzung von Joachim Stalph, Senior Director von Elaboratum in Köln, sollten Unternehmen die bestehenden Martech-Landschaft prüfen und gegebenenfalls ein Upgrade vornehmen, zum Beispiel durch eine CDP. Parallel sollten sie eine Datenstrategie entwickeln. „Es ist extrem wichtig, die Customer Journey vom Consent zum Login zu optimieren“, betont Stalph. Idealerweise lasse sich das initiale Vertrauen beim Consent des Users in ein permanentes Vertrauen überführen, indem der Nutzer einen Mehrwert erkennt, sich registriert sowie einloggt und somit ein permanentes Daten-Verhältnis eingeht.

Außerdem müssten sich Unternehmen dem Experten zufolge künftig verstärkt darauf konzentrieren, die gewonnen Daten zu aktivieren – in dem Sinne, dass alles, was an Kunden-Intelligenz aufgebaut wurde, nun genutzt wird, um es nach außen in die richtigen Kanäle zu pushen. „Das ist der finale Schritt in der Wertschöpfungskette der Daten, des datengetrieben Marketings und der datengetriebenen User-Ansprache“, sagt Stalph. In diesem finalen Schritt werden die Daten monetarisiert.

Im Wettbewerb mit den GAFA unbedingt punkten

Doch allein mit einer neuen Datenstrategie und den passenden Technologien dürfte es in der Praxis noch nicht getan sein. Schließlich gibt es große Plattformen wie Google, Facebook & Co., die ebenfalls an Kundenschnittstellen interessiert sind – und einen Großteil davon bereits mit Logins vereinnahmt haben. Das Erfolgspotenzial der digitalen Kundenschnittstellen zu heben, ist also auch ein Kampf um eben diese. „Es gibt auch Abwanderungen von den Walled Gardens. Insbesondere beim Zukunftsthema ‚privacy by default‘ möchten viele User der Geiselhaft der großen Plattformen entkommen“, sagt Haratsis.

Die große Kunst ist es, solche Nutzer mit adäquaten Angeboten abzuholen. Und das beginnt bereits damit, den Consent vertrauensvoll einzuholen. „Man muss versuchen, die User mit relevantem Content, intelligenter Ansprache und passenden Services zu binden“, betont Haratsis, „und falls eine Kommunikation nötig sein sollte, wohldosiert mit ihnen kommunizieren, statt sie mit Retargeting zu verfolgen.“ Der Experte ist sich sicher, dass eine Abwanderung von großen Plattformen zu Einzelangeboten funktionieren kann. „Es ist ein langsamer Prozess, der aber in Zukunft durch Second-Party-Datenallianzen und Data Clean Rooms unterstützt werden könnte.“ Dies könnte aus Sicht des Experten zwei Folgen haben: Zum einen würde das Oligopol der Plattformen abgebaut und zum anderen könnte man über die Anzahl der eingeloggten Nutzer seine Zielgruppen skalieren.