Bürosprache Englisch als Erfolgsrezept beim Recruiting
René Weber, 20. April 2022Jan Bechler ist Gründer und CEO der Agentur Finc3 Marketing Group und darüber hinaus als Partner bei den OMR sowie als Investor tätig. Vor kurzem hat der Dienstleister bekannt gegeben, dass es sich mit der US-Agentur Fortress Brand zusammenschließen wird. Was ist Finc3 für eine Agentur, die von Hamburg aus und jetzt auch mit Standort in New York weiter global wachsen will? Wie geht sie das Thema New Work an? Diese und weitere Fragen hat uns Bechler im Interview beantwortet.
ADZINE: Moin Jan, lass uns zu Beginn gerne über Finc3 sprechen – was zeichnet euch als Agentur aus?
Jan Bechler: Wir sind ganz bewusst eine Gruppe von Spezialagenturen. Ich glaube nicht an das Prinzip des Gemischtwarenladens, denn wer behauptet, dass er alles kann, der kann wahrscheinlich nichts davon richtig gut. Mein Beispiel ist immer das Restaurant, das internationale Küche anbietet und sagt, dass es dort Rinderfilet, Trüffel-Pasta, Sushi und Kaiserschmarrn gibt. Da kann einfach nicht alles gleich gut schmecken. Mit Finc3 bedienen wir stattdessen nur ganz bestimmte Bereiche im Online Marketing wie E-Commerce Marktplätze, B2B Performance Marketing, CRM und BI. Unser Anspruch ist es, in diesen Spezialgebieten der Beste zu sein.
ADZINE: Weg von euren Leistungen, hinein in euren ‘Maschinenraum’. Worauf legt ihr intern besonders Wert?
Bechler: Das Wichtigste, was wir als Agentur haben, sind Menschen – eigentlich ist es das Einzige. Wir verfügen über keine Patente und keine Maschinen. Deswegen ist für mich als Gründer die Hauptpriorität, die besten Talente im Markt für uns zu begeistern und dafür zu sorgen, dass sie bleiben – indem sie jeden Tag lernen und besser werden. Unsere deutlich unterdurchschnittliche Fluktuation und die Tatsache, dass Leute lange bei uns bleiben, zeigen, dass wir bei der Mitarbeiter:innen-Bindung insgesamt einen guten Job machen.
ADZINE: Ihr habt vor ein paar Wochen angekündigt, dass ihr im Laufe des Jahres in ein neues und größeres Office in der Nähe des Hamburger Bahnhofs zieht. Geht der Trend durch die Pandemie nicht eher hin zu kleineren Büros, da die Mitarbeiter:innen nicht mehr permanent zurück ins Office wollen? Welche Homeoffice-Regelung fahrt ihr bei euch?
Bechler: Homeoffice war schon immer einer der Firmenwerte. So war es bereits in der Vergangenheit möglich, dass Mitarbeiter:innen zumindest temporär überall auf der Welt arbeiten können. Das heißt: Wir haben ein paar Jungs, die den Januar in Deutschland einfach nicht aushalten und deshalb gerne im Ausland, zum Beispiel in Kapstadt, arbeiten. Davon abgesehen sind wir ein internationales Team mit Menschen aus über 30 Nationen. Wenn jemand beispielsweise sagt: ‘Ich möchte meine Familie in Mexiko besuchen, erst zehn Tage Urlaub machen und dann noch zwei Wochen dranhängen, um von dort aus zu arbeiten’, dann ist das natürlich möglich. In der Pandemie haben wir generell von dieser Flexibilität Gebrauch gemacht und die Mitarbeiter:innen ins Homeoffice geschickt. Gleichzeitig haben wir das Büro aber nicht geschlossen, weil es Situationen gibt, in denen man nicht von zuhause aus arbeiten kann.
Wir glauben sehr stark an die Rolle des Büros, weil eine Firma mehr als eine Arbeitsgemeinschaft ist. Sie ist auch ein soziales Gebilde und ich glaube, dass es sehr wertvoll ist, wenn man mit Kolleg:innen zusammenkommt, weil da ganz viele soziale Beziehungen entstehen, die eine Firma ausmachen. So wird auch das neue Büro ausgerichtet sein – mit viel weniger Fläche für Stillarbeit, dagegen mit viel mehr Platz, wo man in Teams kollaborativ zusammenarbeiten kann, in Projekträumen oder sogenannten ‘Huddle Rooms’. Und es gibt auch mehr Social Area als Treffpunkt für die Kolleg:innen. Grundsätzlich ist unsere Philosophie, dass nach der Pandemie mindestens zwei Tage pro Woche im Büro gearbeitet wird.
ADZINE: Ihr schreibt gerade Positionen aus wie Inhouse Journalist, Python Engineer oder CRM Manager. Wie gut gelingt euch die Suche nach Fachkräften? Wie lockt ihr die Leute jenseits von Angeboten wie Firmenhandy und Zuschuss zum Mittagessen?
Bechler: Zunächst einmal zahlen wir sehr faire Gehälter und bieten viele Möglichkeiten zur Weiterentwicklung. Das halte ich für wahnsinnig wichtig, weil das etwas ist, was Leute sehr motiviert. Eine ‘Secret Sauce’ unseres Recruitings ist, dass wir als Firmensprache Englisch nutzen. Das lag auf der Hand, da unser Geschäft sowieso international ist und wir weltweit mit Kunden zusammenarbeiten.
Es gibt viele sehr gut ausgebildete Mitarbeiter:innen im Ausland, die häufig der Liebe wegen nach Hamburg kommen, aber wenig bis gar kein Deutsch sprechen. Für die fallen viele Firmen als Arbeitgeber weg, bei denen Englisch keine Firmensprache ist. Bei uns können sie dagegen von Tag eins an produktiv mitarbeiten und das ist wirklich ein großer Vorteil für unser Recruiting.
ADZINE: Neues Personal zu gewinnen ist eine Sache – sie dauerhaft zu halten eine andere Aufgabe: Welche Aktivitäten unternehmt ihr, um Mitarbeiter:innen an euch zu binden beziehungsweise sie weiterzuentwickeln? Ich habe etwas von einer ‘Clifton Strengths 34 Methode’ gelesen, die ihr einsetzt. Was beinhaltet die?
Bechler: Wir arbeiten mit ‘Clifton Strengths’, weil wir ans stärkenbasierte Führen glauben. Es ist hilfreicher, Mitarbeiter:innen so einzusetzen, dass wir ihre Stärken voll zur Entfaltung bringen, als zu versuchen, an ihren Schwächen zu arbeiten. Was das Thema Weiterentwicklung angeht, machen wir ganz viel: Es gibt die interne Finc3 Academy für gezielte Weiterbildung zu aktuellen Themen oder die Finc3 School, wo wir externe Speaker für den Blick über den Tellerrand einladen. Wir sagen auch immer, dass es ein ‘Unlimited Education Budget’ gibt, wenn ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin klarmachen kann, dass eine Fortbildung für ihn oder sie und die Firma einen großen Wert darstellt.
ADZINE: Kleiner Blick in die Glaskugel – wie müssen sich Agenturen als Business aufstellen beziehungsweise was müssen sie mitbringen, um auch in Zukunft relevant für ihre Kunden zu sein?
Bechler: Als Agentur ist es total wichtig, selbstbewusst zu sein und auf Augenhöhe mit den Kunden zu agieren. Das war in der Vergangenheit nicht immer so. Wir sagen mittlerweile ganz klar: ‘Wenn ihr unsere Werte nicht teilt und mit dem Team nicht gut umgeht, dann beenden wir die Zusammenarbeit’. Es ist auch sehr wichtig transparent zu sein, was man als Agentur macht, warum man das macht und was der Auftraggeber konkret davon hat – damit kann man immer zeigen, warum man ein relevanter Partner ist. Wir achten auch sehr stark darauf, dass Kunden nie das Gefühl haben, dass wir sie irgendwie übers Ohr hauen wollen.
ADZINE: Du bist sehr aktiv auf Linkedin mit regelmäßigen Posts. Hat dich auch die Corporate-Influencer-Welle gepackt, die gerade viele Unternehmen beschäftigt? Welche Ziele verfolgst du mit deiner starken Präsenz auf der Plattform?
Bechler: Mich hat die Corporate-Influencer-Welle jetzt nicht so stark gepackt, als ich das für mein Ego bräuchte. Aber Menschen identifizieren sich eher mit Personen und folgen diesen eher als Firmen, deswegen versuche ich jetzt sozusagen unsere Firma zu personifizieren. Vor allem geht es darum, uns als Experten und noch wichtiger als attraktiven Arbeitgeber darzustellen. Zusätzliche Kunden sind nicht das Problem, im Moment sind wir ausverkauft und nehmen keine neuen Mandate mehr an. Das Bottleneck sind eher gute Leute. Da wollen wir weiter wachsen.
ADZINE: Danke dir für das interessante Gespräch!