Zur First-Party-Identity im fragmentierten digitalen Ökosystem
Dr. Jochen Töpfer, 8. März 2022Um dem Wunsch nach einem holistischen Marketingansatz gepaart mit einer facettenreichen Analytik nachzugehen, ist die Einbindung von First-Party-Kundendaten und der Einsatz von Customer-Data-Plattformen unabdingbar. Wurden diese technischen Aspekte im Unternehmen umgesetzt, sind bereits alle Weichen für erfolgreiche Cross-Channel-Kampagnen gestellt. Die komplexe Customer Journey, die durch die Nutzung von First-Party-Daten potenzieller Kunden entsteht, kann dann zu einer allumfassenden Sicht auf die Identity zusammengeführt werden.
Recap Episode 1 - Holistischer Marketingansatz
In der ersten Episode dieser Reihe fügten wir Panel-Based und People-Based Marketing zu einem holistischen Marketingansatz zusammen. Durch einen konsequenten Ausbau von Wissen über Kunden zum Zwecke der Personalisierung kann sowohl Effektivität als auch Effizienz im Marketing signifikant gesteigert werden.
Recap Episode 2 – Facettenreiche Analytik
In der zweiten Episode erörterten wir die Rolle der Analytik im Marketing und beantworteten die Frage: Welchen Beitrag kann eine facettenreiche Analytik in einem holistischen Marketingansatz leisten, der Panel-Based und People-Based Marketing miteinander vereint?
Recap Episode 3 – Unified Customer View und Customer Data Platform
In der dritten Episode erfuhren wir, wie der Wunsch nach einem holistischen Marketingansatz technisch umgesetzt werden kann. Die Basis ist eine Personalisierungs-Strategie. Damit kann ein Single Customer View durch Einsatz einer Customer Data Platform (CDP) an einem zentralen Ort mit einem unternehmensintern definierten Wertesystem verfügbar gemacht werden. Mit dem Wertesystem wird der verantwortungsvolle Umgang und zugleich der datenschutzkonforme Einsatz für alle Systeme in Marketing und Vertrieb definiert. Diese Dateninfrastruktur ist Fundament und Sprungbrett für Innovation im Marketing zugleich.
Cross-Channel-Kampagnen – Data-Hygiene
Für den Single Customer View, die zusammenfassende Sicht auf Kundendaten, werden Daten bereinigt, vereinheitlicht, mit Zusatzinformationen angereichert und mit Online- sowie Offline-Kanälen verbunden. Dies bildet eine gute Grundlage für erfolgreiche Cross-Channel-Kampagnen mit anschließender Erfolgsmessung von realen Offline-Conversions und einer Zuordnung der Online-Verkäufe. Dadurch ist der Online-Kanal im Cross-Channel-Attributionsmodell aussagekräftiger und erzielt so mehr Wirksamkeit.
Seit vielen Jahren werden Cross-Channel-Kampagnen sehr erfolgreich eingesetzt. Was ist nun heute das Problem?
Digitales Ökosystem – Walled Gardens und programmatischer Bereich
Das digitale Ökosystem besteht aus einer Vielzahl an Marktteilnehmern und Disziplinen: Unter anderem finden sich dort die Bereiche Social, Search, Premium-Publisher, Programmatic, Mobile, ATV, CTV, DOOH und E-Mail. Diese lassen sich über verschiedene Touchpoints adressieren. Erschwerend kommen die „Walled Gardens“ wie Google, Facebook und Amazon hinzu, die sich nur über native Schnittstellen aussteuern lassen.
Hier zeigt sich der Vorteil des People-Based Marketings: In der Kombination aus einem eigenen Single Customer View durch First-Party-Daten und einem Identity-Graphen, können Werbetreibende die gleichen Zielgruppen nahtlos über alle Kanäle erreichen und so echte Cross-Channel-Kampagnen fahren.
Always-On-Mentalität: Konsistenz on- und offline
Menschen kommunizieren ständig in Online-Kanälen in einem komplexen Netzwerk von persönlichen und beruflichen Beziehungen. Sie ändern ihre Touchpoints ständig – unterschiedliche Daten reihen sich aneinander zu einer komplexen Customer Journey. Erst wenn eine Zusammenführung gelingt, kann die Frequenz der Kampagnen erhöht, eine höhere Präzision der Zielgruppen erreicht und eine konsistente Kommunikation in allen Online- und Offline-Kanälen umgesetzt werden.
Eigentum von Kundendaten und Identität
Zusätzlich dazu sind die gesetzlichen Anforderungen in Bezug auf Dateneigentum und Einwilligung zur Nutzung von Personendaten im Marketing grundlegend geändert worden, sodass Unternehmen nun das uneingeschränkte Eigentum über ihre First-Party-Kundendaten inklusive sämtlicher First-Party-Identities der Online-Welt zu jedem Zeitpunkt anstreben. Nur dadurch können die Kundenwünsche jederzeit berücksichtigt und mit den geschäftlichen Interessen der Unternehmen in Einklang gebracht werden.
First-Party-Identity-Graphen
Die zusammenfassende Sicht auf Kundendaten bezeichnen wir als Single Customer View. Für eine allumfassende Sicht auf die Identity und Kundenbeziehungen sprechen wir von einem Graphen, da die Abfrage der stark vernetzten Strukturen eines gesamten Kundenbestands hierfür effizienter ist. Genauer gesagt hat sich der Begriff eines First-Party-Identity-Graphen durchgesetzt.
Im First-Party-Identity-Graphen eines Unternehmens sind alle bekannten Identifikatoren enthalten, die mit Kundendaten korrelieren, zum Beispiel Namen, Geburtsdaten, E-Mail-Adressen oder Kunden-IDs. Dies können bestehende Kunden oder Verbraucher sein, die sich in digitalen Kanälen über Produkte und Services des jeweiligen Unternehmens informieren. Der First-Party-Identity-Graph befindet sich, wie der Single Customer View, im Eigentum des Unternehmens.
Im Ergebnis erhält man einen unternehmensspezifischen Identity-Graphen, der die bekannten Identifikatoren und unbekannten First-Party-Daten enthält. Über die Zeit wird es gelingen, den unbekannten sukzessive bekannte Identities zuzuweisen.
Durch die pseudonymisierte und kontinuierliche Verknüpfung eines First-Party-Identity-Graphen in das digitale Ökosystem wird sichergestellt, dass sich dieser Datenbestand ständig aktualisiert und sich die Qualität mit der Zeit stetig verbessert. Jede Interaktion mit einer Person, bekannt oder unbekannt, führt zu einem Wissenszuwachs im Identity-Graphen und damit im Unternehmen.
Ausblick: DSGVO-Konformität, Transparenz und Authentizität
Nicht erst seit der DSGVO spielt Datenschutz und Datensicherheit im Marketing eine zentrale Rolle. Neben der DSGVO und sonstigen europäischen Datenschutzgesetzen gibt es verschiedene Zertifizierungen, wie zum Beispiel TISAX und QuLis des Deutschen Dialogmarketingverbands (DDV). Unternehmen können zudem Mitglied der Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherung (GDD) werden, um sicherzustellen, dass alle zum Einsatz kommenden Datenverarbeitungsverfahren DSGVO-konform ausgeführt werden.
Die Erkennung der digitalen und Offline-Interaktionen der Kunden ist im heutigen Marketing-Ökosystem von entscheidender Bedeutung. Die Customer Experience der Zukunft wird unabhängig von aller technischer Innovation immer noch stark davon beeinflusst, wie authentisch sich der Kunde wahrgenommen und wie ehrlich er sich betreut fühlt.
Fazit
Menschen kommunizieren ständig und überall, online wie offline kommen zahlreiche Kanäle zum Einsatz. Sie bewegen sich zudem in einem komplexen Netzwerk von persönlichen und beruflichen Beziehungen. Dabei ändern sich ihre Touchpoints ständig. Eine Zusammenführung dieser ist für Unternehmen aber essenziell, um die Customer Journey vollends zu verstehen und die Customer Experience zu verbessern. Erste technische Lösungen sind bereits vorhanden, sie sollten jetzt kontinuierlich und langfristig zum Einsatz kommen, um von der Lernfähigkeit der jeweiligen Systeme profitieren zu können.
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