Marketing für Hightech-Barfußschuhe Made in Germany
Sandra Goetz, 1. März 2022Auf mehr als 10 Milliarden Euro beliefen sich die Konsumausgaben für Schuhe im Coronajahr 2020. Das ist das Jahr, als die junge Brand Groundies ihren Testballon startete und neben dem eigenen Online-Shop zudem sukzessiv Shops in Deutschland eröffnete – für Barfußschuhe. Groundies Stores wurden unter anderem in Hamburg, Berlin und Tübingen eröffnet. International kamen in 2021 Stores in Wien und Tampere/Finnland hinzu. Das Geschäftsjahr 2020/21 wurde mit 16 Millionen Euro Umsatz abgeschlossen. Die Hidden Champions funktionaler Schuhmode kommen, wie so häufig, weder aus der Hauptstadt noch aus Metropolen wie Hamburg, Köln oder München, sondern in diesem Fall aus der berühmten Studierendenstadt Freiburg, die sich den Titel „Green City“ verliehen hat.
ADZINE: Lieber Philip, du hast unter andrem in leitender Position bei Goodbaby International und Medi gearbeitet. 2020 bist du als COO zu Groundies Barfußschuhe gekommen, im November 2021 wurdest du CEO. Wie kam es zu diesem Karriereturbo?
Philip Raum: Der Hintergrund ist eher ein trauriger. Götz Herzog, der Gründer und Geschäftsführer, ist vollkommen unerwartet im September 2021 verstorben, mit 57 Jahren. Da ich bereits mit dem operativen Geschäft vertraut war, war es naheliegend, dass ich die Herausforderung annehme, CEO zu werden – und Gesellschafter.
ADZINE: Hinter der Marke Groundies steckt die EOD European Online Distribution aus Freiburg. Das Unternehmen hat zuvor Online-Shops beispielsweise für Blutdruckmessgeräte, Lichttherapie und Kommunikationstechnik eröffnet. Wie passt das mit Barfußschuhen zusammen?
Raum (lachend): Gründer Götz Herzog kam aus der IT und ist mit einem an den E-Commerce orientierten Geschäftsmodell groß geworden. Es fing mit Festplatten und Speicherchips an und die EOD entwickelte sich als eine Art Marktplatz für unterschiedlichste Online-Shops weiter. 2011 wurde EOD beauftragt, die Distribution samt Aufbau eines Online-Shops für die englischen Barfußschuh-Pioniere Vivobarefoot in Deutschland zu übernehmen. Herzog hatte den Gründer, der aus der berühmten Clarks-Schuhfamilie kommt, in einer Freiburger Kneipe kennengelernt.
ADZINE: Wie ging es weiter?
Raum: Die beiden Geschäftsführer haben sich sehr gut verstanden, Vivobarefoot wollte den Vertrieb in Deutschland stärken. Der IT-Mann Götz Herzog fand es spannend, sich mit funktionalen Premium-Schuhen und Mode zu beschäftigen – und so übernahmen die Freiburger den Vertrieb. Die EOD hat die Marke Vivobarefoot im deutschen Markt sehr erfolgreich aufgebaut. Zusätzlich wurde das Unternehmen noch weiter in Richtung Multi-Channel-Spezialist aufgebaut.
ADZINE: Bis dann die Idee aufkam, eine Eigenmarke zu gründen? Gibt es hier kein Problem ob Wettbewerb et cetera?
Raum: Es gibt kein Problem mit unserer Eigenmarke. Wir machen weiter den Vertrieb für Vivobarefoot – und kooperieren. Außerdem haben die Brands leicht unterschiedliche Ansätze. Vivobarefoot setzt neben Style viel auf Outdoor und Natur. Groundies kommt modisch-klassisch daher, sowohl in Design als auch in Funktion. So werden unsere True Sense Sohlen in Pirmasens und in Portugal gefertigt: beides Standorte mit einer langen Tradition im Schuhhandwerk und beides Standorte für höchste Qualität. Produziert werden die Schuhe dann zu 100 Prozent in Portugal. Wir achten dabei nicht nur auf Qualität und Arbeitsbedingungen, sondern auch darauf, dass die Lieferkette in Europa beheimatet ist. Deutschland ist, was Schuhe betrifft, Nettoimporteur; die meisten Schuhe, die auf dem hiesigen Markt verkauft werden, werden vor allem in China und Vietnam produziert.
ADZINE: Das Groundies-Beispiel zeigt, dass die deutsche Schuhindustrie gut aufgestellt ist. Deutschland gehört innerhalb der EU zu den größten schuhproduzierenden Nationen. Man könnte glatt sagen: ‚Lesson learned.‘ So sagt das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, dass die inländischen Hersteller damit begonnen hätten, ‚den Herausforderungen der Globalisierung auf dem Markt durch eine Ausrichtung auf Know-how, Design und Kreativität zu begegnen‘. Pflichtest du dieser Einschätzung bei?
Raum: Unbedingt. Gerade auch in Bezug auf die immer wichtiger werdende Nachhaltigkeit. Denn: Fast Fashion hat der Mode nicht gutgetan, dazu gehört auch der Schuhmarkt, der quasi das Paradebeispiel für Fast Fashion ist. Es ist wichtig, dass konsumbewusste und nachhaltig orientierte Kundinnen und Kunden differenzieren können, nicht nur, was die Lieferkette beträgt, sondern auch, was Qualität, Design, Kreativität bedeutet.
Dazu gehört, sich sichtbar im Schuhmarkt zu positionieren. Mit Groundies wollen wir erlebbar sein, einen Qualitäts- und Design-Lifestyle aufbauen und pflegen. Denn wir müssen uns nichts vormachen: So trendy wir auch sind, es gibt immer noch genügend Menschen, die mit Barfußschuhen eine ökologisch, naturbewusste Klientel verbinden, die Schuhe tragen, die wie Füße aussehen und bei denen die Zehen sich in separaten Kammern finden wie die Finger im Handschuh – diese Schuhe haben ihre Berechtigung, aber sie sind nicht unser Style. Groundies hat Chelsea-Boots als Barfußschuhe, Sneaker mit True Sense Sohle, Ballerinas oder auch stylische Halbschuhe in einem vielfältigen Sortiment. Auf alle Schuhe gibt es mit Blick auf die Sohlen eine dreijährige Garantie.
ADZINE: Wie viele Stores gibt es bislang und wohin geht die Reise?
Raum: Es gibt bislang insgesamt 15 Läden, davon sind sieben Groundies Stores und acht Park Barefoot Stores. Die Park Barefoot Stores verkaufen beide Marken, also Groundies und Vivobarefoot. Sechs Stores werden als Franchise-Geschäfte betrieben, dazu gehört auch ein Groundies Store in Hamburg-Ottensen, der von Rüdiger Herzog geführt wird, dem jüngeren Bruder vom Gründer. Die Groundies Flagstores sind in Heidelberg und Wien. Für 2022 planen wir weitere, müssen dabei selbstverständlich schauen, wie es mit der Pandemie weitergeht.
ADZINE: 16 Millionen Euro Umsatz weist die Groundies-Bilanz in 20/21 aus. Wie zufrieden seid ihr mit der Entwicklung? Wie hoch ist der Gesamtumsatz im Barfußschuh-Markt?
Raum: Dieses Ergebnis bestätigt unseren Glauben an das Produkt und gibt Mut für Weiteres. Der E-Commerce macht von Anfang an 85 Prozent des Umsatzes aus, die Bestellungen gehen in die ganze Welt, auch in die USA. Über den Gesamtumsatz im Barfußschuhmarkt kann ich allerdings nichts sagen. Mir liegen keine belastbaren Zahlen vor und ich könnte nur spekulieren, das möchte ich nicht.
ADZINE: Kommen wir zum digitalen Marketing. Was macht Groundies beziehungsweise die EOD?
Raum: Wir investieren ins klassische Performance Marketing, ebenso hat das Newslettermarketing ein hohes Gewicht und natürlich unsere Webseite als zentrale Erlebnisplattform der Marke. In den folgenden Monaten werden wir verstärkter Wert auf Content Marketing legen, um unseren Kunden mehr und mehr Inspiration bieten zu können. Es wird viel passieren, wir sind ja noch nicht lange am Markt. Influencer Marketing ist für uns wichtig, Empfehlungsmarketing, Analytics steht ebenso auf der To-do-Liste.
ADZINE: Arbeitet ihr mit Agenturen zusammen, oder ist das Marketing inhouse?
Raum: Wir arbeiten augenblicklich noch wenig mit Agenturen zusammen, machen vieles inhouse. Das soll sich ändern. Wir wollen die Power zwar im Unternehmen behalten, möchten aber Agenturen beauftragen, die uns strategisch beraten und natürlich auch kreativ. Es hat noch niemandem geschadet, über den eigenen Tellerrand zu schauen und sich mit Agenturen auszutauschen.
ADZINE: Was siehst du als größte Herausforderung an?
Raum: Auch, wenn das Unternehmen EOD hinter der Marke Groundies steckt, sind wir doch eher ein Startup in dem Bereich. Die EOD wird sich verändern, wir arbeiten an einem Umbau. Eine weitere große Herausforderung besteht darin, die richtigen Marketingmaßnahmen zur richtigen Zeit einzusetzen. Ich kann nicht zweistellige Millionenbeiträge in die Werbung stecken und dann schauen, wie das so läuft… Ich muss von Anfang an wissen, was ich machen will, und was weggelassen werden muss. Daher gilt es umso mehr, den Austausch mit Agenturen zu suchen, um gemeinsam den richtigen Weg zu gehen.
ADZINE: Wie hoch ist das Marketing-Budget?
Raum: Wir investieren etwa fünfzehn, zwanzig Prozent des Umsatzes ins Marketing. 70 Prozent geht ins Digitale. Wir planen ebenso in klassische Maßnahmen zu investieren, dazu gehört auch PR, um die Audience zu erweitern und in bestimmten Konsumentenlevels bekannt zu werden.
ADZINE: Wie sieht der Wettbewerb aus? Was ist das Ziel von Groundies in 2022?
Raum: Generell liegt funktionale Mode im Trend, dazu gehören Barfußschuhe. Letztere sind ein Nischenmarkt und es gibt nicht den einen großen Barfußhersteller, sondern viele kleine. Das heißt: Obgleich der Markt nicht riesengroß ist, gibt es viele Wettbewerber. Wir wollen mit Groundies in der Nische sein, dennoch unseren Kreis erweitern. Unsere Strategie heißt, erstens die Barfußschuh-Fans erreichen, zweitens die klassischen Schuhträger animieren, es mit den modischen Barfußschuhen von Groundies zu probieren – und dabei zu bleiben. Schließlich steht Qualität bei Groundies an erster Stelle. Wir wollen Exzellenz am Point of Sale, eine geliebte Marke für die Kundinnen und Kunden aufbauen. Schnelles Wachstum ist dem nachgeordnet.
ADZINE: Lieber Philip, wir danken dir für das Gespräch und wünschen dir viel Erfolg beim weiteren Aufbau.