Zu Beginn der Corona-Pandemie erlebte hochwertiger Journalismus eine Renaissance. Die Page Views schnellten in die Höhe und die meisten Publisher mit einem Abo-Modell wussten das gestiegene Interesse zu nutzen. In der Folge verlautbarten die meisten Verlage Erfolgsmeldungen über Rekordabos, oft erzielt über Sonderangebote und zeitlich begrenzte Aktionen. Doch wie nachhaltig war das Wachstum und sind Verbraucher auch in Nicht-Pandemiezeiten bereit, für hochwertigen Journalismus zu bezahlen? Welche Modelle setzen Publisher aktuell ein und welche Möglichkeiten zur Generierung und Beibehaltung neuer Kunden haben sie?
Eine Studie von Yougov im Auftrag des Finanzdienstleisters Stripe zeigt einen Trend, der Medienunternehmen hoffen lässt. Besonders junge Menschen von 18 bis 24 Jahren sind demnach bereit, für Online-Nachrichten zu zahlen. Seit Beginn der Corona-Pandemie haben Deutsche im Schnitt 22 Prozent mehr für Online-Inhalte ausgegeben.
Das beliebteste Werbemittel zur Neukundengenerierung ist dabei das Produkt selbst. Publisher setzen in Deutschland vor allem auf die offensive Präsentation ihrer “Plus”-Artikel hinter der Paywall. Idealerweise sind User so interessiert an den Inhalten, dass sie ein Abo abschließen.
Die Paywall als Lead-Generierungs-Tool
Die digitale Bezahlschranke wird immer wichtiger und die Wahl eines passenden Modells ebenso. Freemium (Soft) Paywalls, Hard Paywalls und Metered Paywalls werden im internationalen Vergleich am häufigsten verwendet.
Die in Deutschland beliebteste Zugangsmethode zu journalistischen Methoden ist das Freemium-Modell. Eine bestimmte Anzahl der Inhalte sind frei zugänglich, während sich ausgewählte Beiträge hinter der Paywall befinden. Das Freemium-Modell sorgt dafür, dass Stammleser für aktuelle Nachrichten und frei zugängliche Beiträge auf die Webseite des Mediums gelangen und fortwährend auf Exklusivartikel hinter der Bezahlschranke hingewiesen werden. Freemium wird in der Medienbranche häufig genutzt, weil das Risiko von Traffic- und Leser-Verlusten im Vergleich zur harten Bezahlschranke deutlich geringer ist.
Harte Paywalls zeigen das journalistische Angebot, allerdings sind maximal Teaser der Artikel frei zugänglich. Ausnahmen stellen in der Regel nur Ad-hoc-News oder Presseagenturnachrichten dar. Das Risiko, Fly-By-User abzuschrecken, ist hoch: Generell muss mit einer hohen Absprungrate und Traffic-Einbußen zwischen 80 und 85 Prozent gerechnet werden. Daher setzen vor allem Medien auf das Modell, die Nischenthemen bedienen und dort auf eine loyale Leserschaft zurückgreifen können. B2B-Publikationen sehen in diesem Modell eine Chance, da nur wenige User zum Stöbern und Updaten auf die Seiten gelangen. Laut BDZV nutzen in Deutschland nur 20 der insgesamt 178 gelisteten Medienunternehmen das Hard-Paywall-Modell.
Einen Kompromiss stellt vor allem die in den USA beliebte Metered Paywall dar, die hierzulande bei lediglich fünf Prozent der Medienunternehmen eingesetzt wird. Das Modell baut darauf auf, Lesern ein bestimmtes Zugriffskontingent auf redaktionelle Inhalte zu gewähren. Bei manchen Anbietern ist das Kontingent auch zeitlich statt quantitativ begrenzt. Ist dieses aufgebraucht, muss ein Abonnement abgeschlossen werden, um weitere Inhalte lesen zu können. Auch diese Form der Paywall bringt Risiken mit sich, da die Abwanderungsrate nach dem Abschöpfen der kostenfreien Inhalte relativ hoch ist. Auf der anderen Seite können interessierte Leser mit hochwertigen Artikeln vom Wert des Abos gegebenenfalls stärker überzeugt werden als von den “einfacheren” Gratisartikeln im Freemium-Modell.
Neben Soft, Hard und Metered Paywalls gibt es zahlreiche weitere Varianten, die ebenfalls getestet werden, sich aber noch nicht auf breiter Front durchgesetzt haben. Dynamische und Hybride Paywalls basieren auf Daten und vereinen Aspekte bereits etablierter Modelle. Dazu kommen Modelle wie Spotify for News, Pay What You Want, Pay Per Use oder Punktesysteme.
Smarte Daten
Klar ist, dass sich immer mehr Verlage und Medienunternehmen für Paywalls und kostenpflichtige Inhalte entscheiden und hier ihre Chance sehen, ein nachhaltiges digitales Geschäftsmodell aufzubauen. 85 Prozent der Befragten einer Trendumfrage vom BDZV und Schickler gaben im letzten Jahr an, dass Paid Content in den nächsten drei Jahren existenziell relevant für das journalistische Digital-Angebot sein wird. 60 Prozent der Verlage gehen davon aus, bis 2030 die redaktionellen Kosten vollständig mit den Einnahmen aus Digital-Abonnements decken zu können. Dazu kommt, dass 58 Prozent der Verlage erwarten, bis 2026 die Print-Rückgänge durch Digitalerlöse kompensieren zu können. Um diese Ziele zu erreichen und mit den Wünschen der Leser zu verbinden, arbeiten Verlage und Medienunternehmen fieberhaft an der Optimierung ihrer Paywall- und Abo-Strategien.
Dabei wird auch die Frage, welche Inhalte hinter den Paywalls zu finden sind, immer zentraler für die Neukundengewinnung. Die Echtzeitnutzung der Zugriffs- und Traffic-Daten kann zudem zu Effizienzgewinnen führen. Es ist durchaus denkbar, dass Inhalte dynamisch vor und hinter die Paywall geschoben werden, wenn Themen eine Viralität erreichen und damit den Traffic erhöhen sollen. Auch für die Retention-Strategie wird die Datennutzung immer wichtiger – denn Kunden müssen kontinuierlich den persönlichen Wert ihres Abonnements erfahren. Auf den jeweiligen Interessen basierende Artikelempfehlungen, präsentiert entweder per Newsletter oder in einem persönlichen User-Bereich, halten das Interesse der Nutzer an den Inhalten aufrecht. Daten können zudem die Produktentwicklung beeinflussen, etwa wenn ein erhöhtes Interesse an einem Themenbereich in entsprechende (kostenpflichtige) Webinare oder Ebooks mündet.
Einzelkämpfer oder Teamplayer?
Starke Marken haben eine Chance, auch als Einzelkämpfer zu bestehen und gegen andere Medien – aber auch gegen andere Abo-Modelle wie Spotify, Netflix oder Gaming-Abos – in Konkurrenz zu treten. Für mittlere und kleinere Publisher besteht eine Chance, der “Subscription Fatigue” mit gemeinsamen Plattformen entgegenzutreten. Fast die Hälfte der deutschen Erwachsenen würde lieber für ein einziges Medienabonnement bezahlen, welches den Zugriff auf mehrere Nachrichtenseiten ermöglicht, als mehrere einzelne Abonnements abzuschließen.
Das erklärt auch, warum weit über 90 Prozent der Verlage angeben, sich in Zukunft als Teamplayer statt Einzelkämpfer auf dem Markt positionieren und Kooperationen mit weiteren Medienunternehmen eingehen zu wollen. Aber auch die Paywall hat das Potenzial, sich weiterzuentwickeln. Welche Paywall oder Abonnement-Systeme sich am Ende bewähren und den größten Nutzen, sowohl für Medien als auch die Leserschaft haben, wird die Zeit zeigen. Bis dahin ist es wichtig, alle Möglichkeiten zu testen und offen für Innovationen am Markt zu sein, um den sich ständig wandelnden Anforderungen der Leser gerecht zu bleiben und unabhängigen Journalismus weiter finanzieren zu können.
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