FLoC-Nachfolger Topics – (k)eine Lösung für Cookieless Targeting?
Dr. Jochen Schlosser, 17. Februar 2022Das Jahr hat gerade erst angefangen und schon sorgt Google erneut für eine Überraschung. Erst im Januar 2021 stellte Google sein neues Modell für interessenbasierte Werbung vor: „Federated Learning of Cohorts“ – kurz FLoC. Die neue Technik stieß allerdings auf wenig Gegenliebe, sowohl seitens der Publisher als auch der Advertiser. Jetzt hat Google FLoC endgültig beerdigt und dessen Nachfolger vorgestellt. In Zukunft soll „Topics“ Interessenprofile von Nutzern direkt im Browser erstellen.
Endgültiges Aus für Googles FLoC
Die Idee hinter Googles ursprünglicher Third-Party-Cookie-Alternative war, nicht mehr das Online-Verhalten individueller User zu tracken, um zielgenau Werbung auszuspielen, sondern diese in interessenbasierte Gruppen zu stecken – sogenannte Kohorten. Mitglieder einer Kohorte zeigen ähnliches Surfverhalten, der individuelle User sollte innerhalb der Gruppe jedoch anonym bleiben. Die jeweilige Kohorten-Kennung sollte Google und seinen Werbepartnern dann später eine datenschutzfreundliche Schaltung relevanter Werbung ermöglichen, die sowohl mit der ePrivacy-Verordnung als auch der DSGVO konform ist. Was im ersten Moment nach einer guten Alternative klang, konnte am Ende jedoch keine der anvisierten Zielgruppen überzeugen.
Bereits nach dem ersten Testlauf gab es wütende Proteste und Boykott-Aufrufe. Mozilla, Apple, Firefox und weitere Anbieter kündigten an, dass die FLoC-Anwendung definitiv nicht in ihre Browser einziehen werde. Wordpress wolle die Technik wie ein Sicherheitsproblem behandeln und automatisch deaktivieren. FLoC wurde insbesondere dafür kritisiert, noch immer nicht genug zu tun, um Fingerprinting und die Identifikation einzelner Nutzer innerhalb einer Kohorte zu verhindern. Außerdem würden die gesammelten Daten – darunter möglicherweise auch sensible Informationen wie zum Beispiel zum Gesundheitsstatus oder der Religionszugehörigkeit – noch immer ohne die ausdrückliche Einwilligung der User geteilt werden. Es ist also wenig überraschend, dass Google das Projekt FLoC nicht weiterverfolgt und stattdessen einen neuen Kurs einschlägt.
Themen statt Kohorten
Nach dem Ende von FLoC soll Topics nun alles richten und Kritiker überzeugen, dass Google schlussendlich doch die richtige Lösung für alle parat hat. Genau wie FLoC sind auch Topics als Alternative zu Audiences auf Basis von Third-Party-Cookies zu sehen. Topics teilt User allerdings nicht mehr in Gruppen ein, sondern erstellt aus der Surf-Historie des Browsers ein individuelles Interessenprofil. Während der User sich durchs Web bewegt, zeichnet Chrome Informationen über die besuchten Websites auf. Anhand dieser Informationen wird der Browser verschiedenen Interessen oder Themen (Engl.: „topics“) zugewiesen. Derzeit stehen etwa 350 Themen zur Auswahl. Wenn ein User eine Website aufruft, die Topics unterstützt, legt der Browser für diese Woche und Website zufällig eins der Top-5-Themen fest. Da immer auch die historische Zuweisung der letzten drei Wochen gespeichert bleibt, stehen somit auf einer Seite drei Topics zur Verfügung, die zu Targetingzwecken mit Werbetreibenden geteilt werden. Die Topics selbst haben in dem Sinne nicht direkt mit dem Inhalt der Webseite zu tun und werden erstellt, ohne dass dabei Zugang zu detaillierten Nutzerdaten oder IDs benötigt wird.
Das Teilen dreier zufälliger Themen anstelle einer FLoC-Kohorte macht es Websites deutlich schwieriger, einzelne User zu identifizieren. Durch den relativ geringen Informationsgehalt der Topics wird die Erstellung einer Fingerprint-ID stark erschwert. Im Gegensatz zu FLoC soll Topics den Usern leichten Zugang zu ihrem Interessenprofil bieten. Sie bekommen eine Liste der aktuell gespeicherten Themen angezeigt und können falsche Zuordnungen löschen oder die Topics-API komplett ausschalten. Außerdem ist durch die feste Taxonomie der aktuell 350 Topics ausgeschlossen, dass sensible Daten zu Themen wie Geschlecht, Herkunft und Religion weitergereicht werden.
Topics für Branding vs. Performance Advertising
Aus Sicht des Datenschutzes sind Topics sicherlich ein großer Fortschritt. Doch nun stellt sich die Frage, ob neben diesem Aspekt und der größeren Transparenz für Webseitenbetreiber und Nutzer überhaupt noch ein inkrementeller Wert gegenüber anderen Ansätzen verbleibt, um erfolgreiche digitale Kampagnen aufzusetzen. Zumindest im Kontext Branding stellt sich diese Fragen relativ offensichtlich. Klassische Targeting-Kriterien wie Alter und Geschlecht werden jedoch nicht durch ein Topic abgebildet und ohne eine reichweitenstarke Kontrolle der Frequenz ist der Werbedruck kaum steuerbar.
Auf der anderen Seite, im Kontext von Performance Advertising, sieht sich Google Topics in unmittelbarer Konkurrenz zu Contextual Targeting in Kombination mit First-Party-IDs. Contextual Targeting stellt bereits heute ähnliche Informationen zu den Interessen der User zur Verfügung und ist dabei vollständig kompatibel mit diesen neuen IDs. Dadurch gibt es deutlich mehr Kombinationsmöglichkeiten und am Ende größere Reichweiten, inklusive besseren Mechanismen zur Kontrolle der Frequenz. Es gibt also Alternativen zu Topics, die mindestens gleichwertige, eher sogar bessere Ergebnisse liefern können, und die mit Branding-Kampagnen besser im Einklang stehen.
Das legt die Vermutung nahe, dass Publisher mit guten First-Party-Strukturen die Finger von Topics lassen werden. Die neuen First-Party-Konzepte werden auch von Google unterstützt, warum sollte man also überhaupt auf Topics und die nach wie vor undurchsichtige Sandbox zurückgreifen?
Ende gut, alles gut?
Google steht noch immer unter enormen Zeitdruck. Der Konzern will Third-Party-Cookies erst dann endgültig deaktivieren, wenn zufriedenstellende Ersatztechniken aus dem eigenen Haus zur Verfügung stehen, die weiterhin ein einträgliches Werbegeschäft ermöglichen, und das scheint auch mit Topics noch nicht der Fall zu sein. Den Third-Party-Cookies wurde von Google zwar noch eine Gnadenfrist bis Ende 2023 gewährt, momentan ist allerdings noch nicht wirklich absehbar, wann erste Praxistests mit Topics beginnen können.
Mit dem Ende der Third-Party-Cookies hat Google einen Wettlauf gestartet, ohne bereits eine Lösung definiert oder auch nur ausreichend skizziert zu haben. Im Bereich First-Party-ID gibt es von der Konkurrenz bereits gute Konzepte, auch Google greift diese auf. Es bleibt abzuwarten, ob Google es noch rechtzeitig schafft, die Sandbox zu spezifizieren und das Ökosystem zu überzeugen, diese auch einzusetzen, oder ob es am Ende erneut eine Verzögerung des Roll-out geben wird.
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