Die wichtigsten Entwicklungen von Marketing-Technologie 2022
Anton Priebe, 3. Januar 2022Der Sektor der Marketing-Technologie kann bedenkenlos als extrem schnelllebig bezeichnet werden. Am laufenden Band entstehen neue Aufgabengebiete, die durch Technologien abgedeckt werden wollen. Auch die fortschreitende Digitalisierung in allen Lebensbereichen führt dazu, dass sich Martech-Lösungen rasant weiterentwickeln. ADZINE hat sieben Expertinnen und Experten gefragt, welche Trends sie für den Martech-Sektor im neuen Jahr voraussehen.
Kohorten-Targeting und Medienallianzen
Jürgen Galler, CEO und Co-Founder der Datenplattform 1plusx sieht auf dem Technologiesektor insbesondere zwei Entwicklungen voraus. “Im kommenden Jahr wird man sich in der Branche auf die Frage konzentrieren, wie man an der Schnittstelle zwischen Datenschutz und effektiver Zielgruppenansprache – Targeting – vermarkten kann. Während Google neue Privacy-Sandbox-Vorschläge einführt, höchstwahrscheinlich abgeleitet von FLoC und FLEDGE, wenden sich Werbetreibende wohl erst dann dem Kohorten-Targeting zu, wenn die präziseren Methoden ausgeschöpft sind”, meint der Daten-Spezialist.
In der Zwischenzeit gehen seiner Ansicht nach immer mehr Medienunternehmen – wie Verlage, Rundfunkanstalten und unabhängige digitale Medien – Allianzen in Form von Fusionen und technologischen Partnerschaften ein, um ihre Metriken zu stärken und ein Gegengewicht zur Dominanz der Walled Gardens zu schaffen. Dies führe zu einer massiven Umwälzung der Werbetreibenden und ihrer relativen Positionierung auf dem Markt.
Gleichgewicht zwischen Personalisierung und Datenschutz
Den Punkt Targeting-Unsicherheit sieht Branchenkollege Florian Lichtwald ebenfalls als größten Trend für 2022. Lichtenwald ist Geschäftsführer und Chief Business Officer der Konkurrenz-Datenplattform Zeotap. “Datengetriebenes Marketing wird sich 2022 noch verstärken”, ist er sich sicher. Damit das Targeting funktioniert, müssen Unternehmen jedoch ihre Hausaufgaben machen. “Unternehmen müssen sich darauf fokussieren, ihre First-Party-Datensätze über alle Kanäle hinweg zu einer Single Customer View oder einem ‘Golden Record’ zusammenzuführen. Marketingverantwortliche haben bereits mit dem Wechsel auf Technologien begonnen, die ihnen dies ermöglichen.”
Dabei gehe es um ein “Gleichgewicht zwischen Personalisierung und Datenschutz”, das von Marken angestrebt werden soll, indem sie Technologien einsetzen, die es ihnen ermöglichen, die Präferenzen der Kunden während der gesamten Customer Journey auf einfache Weise zu berücksichtigen. “Die einzige Möglichkeit für die Branche, verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen, besteht darin, den Verbrauchern zu zeigen, dass ihre persönlichen Daten sicher sind, und ihnen gleichzeitig die relevanten Erfahrungen zu bieten, die sie von Marken erwarten”, so Lichtenwald.
Automatisierung und Personalisierung
Datenplattformen ordnen Informationen richtig an, doch letztlich fließen diese dann in Systeme wie die Customer-Engagement-Plattform Mapp. Michael Diestelberg, seines Zeichens VP Product & Marketing des Unternehmens, weiß auch: “Es wird immer schwerer Zielgruppen mit ‚herkömmlichen‘ Marketing-Methoden zu erreichen. Und das nicht nur wegen veränderter Data-Privacy-Anforderungen, sondern auch wegen der schieren Masse an Werbebotschaften, mit denen Endkunden täglich in Kontakt kommen.”
Das Schlüsselwort sei 2022 deshalb Effizienz. “Automatisierte Prozesse werden Standard werden, ebenso wie ein Höchstmaß an Personalisierung in der Kundenkommunikation”, meint Diestelberg. Hinzu komme die Fähigkeit, Daten durch maschinelles Lernen und KI in Echtzeit zu verarbeiten und einzusetzen, um Prognosen zum künftigen Kundenverhalten zu erhalten oder um Performance-Anomalien automatisiert zu erkennen und zu beheben.
Neue Measurement-Tools und Demokratisierung von Daten
Wenn der Erfolg der Marketingmaßnahmen bewertet werden soll, kommen Lösungen wie Analytic Partners in Spiel. Die DACH-Chefin Maren Seitz glaubt, dass der Umgang mit Daten auch 2022 im Vordergrund stehen wird, “von der Datenherkunft bis zur Datenanalyse – und vor allem im Bereich Datenschutz.” Als Antwort auf diese Herausforderungen werden wir ihrer Meinung nach noch mehr Martech-Tools im Bereich alternatives Targeting und Measurement sehen. “Viele davon waren 2021 noch in der Entwicklung und werden es 2022 auf den Markt schaffen”, prognostiziert Seitz.
Sie warnt vor falschen Schlüssen: “Marketer sollten hier jedoch vorsichtig sein: neu und mehr ist nicht zwangsläufig besser. Viele Martech-Tools im Bereich Messung werden sich weiter auf die Optimierung kurzfristiger Performance fokussieren – so verliert man leicht den Blick auf die langfristigen Auswirkungen der analysierten Aktivitäten.” Wer hingegen die Auswahl der Tools in eine solide Strategie einbette, dem böten sich sicher Chancen. “Der Startpunkt sollte also sein: Was sind meine KPIs und Ziele? Welche Daten habe ich dafür, welche brauche ich noch und welche kann ich auch einfach links liegen lassen?”, erklärt Seitz.
Im Zuge dessen werden wir zudem den Trend und eine Notwendigkeit hin zur Demokratisierung von Daten und Insights sehen. “Sie müssen allen Stakeholdern verständlich und einfach zugänglich gemacht werden – vom CMO über den CFO bis hin zu den Entscheidern in einzelnen Funktionen. Hierfür wird es eine Sprache im Unternehmen brauchen, die alle verstehen und eine einheitliche (harte) Währung, die Aktivitäten vergleichbar macht.”
Lösungen für Content Marketing auf dem Vormarsch
In eine ganz andere Richtung deutet Christian Bennewitz von der Website-Optimierungs-Lösung Siteimprove. Der Sales-Chef für Deutschland sieht den weiteren Vormarsch des Content Marketings voraus. “Wachsende Anforderungen der Verbraucher machen es immer schwieriger, relevante Inhalte an das richtige Publikum zu bringen. In der Vergangenheit konzentrierten sich Martech-Lösungen ausschließlich auf das Thema Personalisierung, aber die Pandemie hat deutlich gemacht, dass Kunden mit Marken auf einer menschlicheren Ebene in Verbindung treten wollen”, erklärt Bennewitz.
Daher erwartet er “eine größere Nachfrage nach Lösungen, die Marketing-Teams dabei helfen, das Verhalten und die Erwartungen ihrer Kunden zu verstehen, um strategisch Content zu produzieren und zu veröffentlichen, der individuell, zugänglich, fehlerfrei, auffindbar und glaubwürdig ist.”
Lead Scoring für B2B
Eine Aufgabe von Content Marketing ist die Generierung von Kontakten, die Lead Generation. Claudia Projic, Geschäftsführerin des Martech-Tools Kyto, wähnt hier einen großen Zuwachs im kommenden Jahr. “Lead Scoring wird für Marketing und Vertrieb 2022 deutlich an Bedeutung gewinnen”, so Projic. “Früher waren Vertriebler beispielsweise auf Messen unterwegs und knüpften dort durchschnittlich 30 Kontakte. Heutzutage generieren Unternehmen alleine durch Websitebesucher rund 1.000 potenzielle Leads am Tag.”
Weiterhin gelte aber: Qualität über Quantität. “Das Filtern der eventuellen Leads und die Auswahl der qualitativ hochwertigen passenden Kontakte wirkt sich essenziell auf effiziente und effektive Marketing- und Vertriebsaktivitäten aus, gerade im B2B-Bereich”, meint Projic. Das Angebot an neuen Software-Lösungen werde zudem weiter wachsen. Dies setze wiederum Know-how bei den Anwendern voraus. “Mittelständler werden in besonderer Weise gefragt sein, ihre digitalen Kompetenzen auf der einen und ihre digitale Infrastruktur auf der anderen Seite weiter auszubauen. Dabei ist die Wahl der richtigen Tools entscheidend, um nachhaltig, effizient und zielgerichtet zu wirtschaften”, schließt die Kyto-Chefin.
Konnektoren zwischen den Technologien
Doch nicht nur die Wahl der richtigen Tools, sondern auch wie und ob diese überhaupt miteinander kommunizieren, ist entscheidend, weiß Dominic Karpf, Team Lead Product Management des Order-Management-Systems Gotom. “Die Pandemie hat die Digitalisierung weiter beschleunigt. Die außerordentliche Situation zwingt die Unternehmen unserer Branche ins Homeoffice und die neue Arbeitsweise, die sich langfristig etablieren wird, verlangt in allen Bereichen teamübergreifende Online-Kollaboration”, sagt Karpf. “Der Trend ist klar, es braucht verknüpfte Technologie in jeglichen Arbeitsbereichen und insbesondere im Online-Marketing.”
Daher sei es unerlässlich, die operativen Business-Prozesse diesen Gegebenheiten anzupassen und sich Tools zu bedienen, welche diese Problemstellung angehen. “Dafür eignen sich Konnektoren, die zwischen verschiedenen Softwares innerhalb des Unternehmens eingesetzt werden und mit hoch automatisierten Workflows sowie Schnittstellen das operative Tagesgeschäft effizient unterstützen”, erklärt Karpf.
Tech Finder Unternehmen im Artikel
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