Die Nutzung personenbezogener Daten im Marketing bleibt ein heißes Thema. Daten- und Verbraucherschützern ist sie ein Dorn im Auge, für Online-Marketer der Schlüssel zu relevanten Inhalten und effizienten Kampagnen. Es müssen jedoch einige Herausforderungen bewältigt werden, um auch in Zukunft erfolgreich Personalisierungen einzusetzen.
Bereits Ende Mai 2021 wurde es beschlossen, am 1. Dezember 2021 trat es in Kraft: ein neues Gesetz zum Schutz der Privatsphäre in der digitalen Welt. Das Gesetz mit dem leicht sperrigen Namen „Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetz“ (TTDSG) tritt zusammen mit dem neuen Telekommunikationsgesetz in Kraft. Das TTDSG enthält die Datenschutzbestimmungen in der Telekommunikation und bei Telemedien. Dabei wurden unter anderem Anpassungen umgesetzt, die aufgrund der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und der E-Privacy-Richtlinie notwendig waren. So enthält das TTDSG unter anderem neue Bestimmungen zum digitalen Nachlass, zum Schutz der Privatsphäre bei Endeinrichtungen und zum Einwilligungsmanagement.
„Bis auf sehr wenige Ausnahmen dürfen seit dem 1. Dezember ohne das explizite Einverständnis der Nutzer im Web keine personenbezogenen Daten mehr verarbeitet werden“, erläutert Stefan Santer, Account Executive DACH bei der Consent-Management-Plattform Didomi. Damit rückt das Einverständnis immer mehr in den Fokus der Marketer. Laut Santer sind durch das TTDSG nicht nur Publisher betroffen, sondern auch Anbieter bestimmter Messverfahren. Konnte die Performance von Marketing-Aktivitäten bei einem nachgewiesenen berechtigten Interesse bisher problemlos durchgeführt werden, ist nun ein Einverständnis nötig.
Vertrauen schaffen und niedrige Hürden
Mehr denn je muss also ab dem kommenden Jahr das Ziel sein, das Einverständnis möglichst vieler Nutzer zu erhalten. Je mehr Einwilligungen Publisher einfahren, desto größer wird die adressierbare Reichweite. Die Nutzer sind mittlerweile für dieses Thema stark sensibilisiert und legen großen Wert auf ihre Privatsphäre. In einer von Didomi in Auftrag gegebenen Studie sagten fast alle Befragten, dass sie bei der Auswahl von Produkten und Dienstleistungen auf die Privatsphäre achten. „Mehr als ein Drittel der Studienteilnehmer berichtete, dass ihnen bei der Auswahl von Produkten und Services der Schutz personenbezogener Daten wichtiger ist als ein niedriger Preis. Das war vor fünf Jahren noch nicht der Fall“, sagt Santer, der dazu rät, auf diese Entwicklung zu reagieren. Der Experte empfiehlt, bereits mit dem Consent-Banner Vertrauen zu schaffen und es in der Corporate Identity zu gestalten. „Logo, Farbe, Schrift – alles ist wichtig. Der erste Eindruck zählt“, sagt Santer. Ist die Hürde Consent genommen, müssen weitere Rädchen ineinandergreifen, damit Personalisierung möglich ist.
Die Datengrundlage muss stimmen
Das große Ziel ist es, die Nutzerinnen und Nutzer so relevant anzusprechen, dass diese sich tatsächlich angesprochen fühlen – zum Beispiel mit personalisierten Website-Inhalten – und dann eine gewünschte Aktion ausführen. „Personalisierung ist für viele Unternehmen ein sehr zentrales Thema, um die Conversion Rate zu verbessern“, sagt Joachim Stalph, Principal Consultant der Unternehmensberatung Elaboratum. Die Rechnung lautet dann klassisch: die richtigen Botschaften, zur richtigen Zeit, im richtigen Kanal für die richtige Zielgruppe. Soweit so gut. Um dies jedoch realisieren zu können, bedarf es viel Vorarbeit, Know-how und einem technologischen Setup, das dies zulässt. „Sich rein auf eine Recommendation- oder Personalisierungs-Engine zu fokussieren, wäre deutlich zu kurz gegriffen. Personalisierung ist nämlich immer nur so gut wie die Daten-Grundlage für die personalisierte Ansprache“, sagt Stalph.
So müssen dem Experten zufolge nicht nur das Consent Management, sondern beispielsweise auch das Tag Management, Analytics, Identity Management und Data Activation durch Personalisierung berücksichtigt werden. Dabei sei es wichtig, dass unterschiedliche Skills und Rollen zusammenarbeiten, von Data Analytics über BI bis hin zu Redaktion, Konzeption und Testing. Auf diese Weise können Personalisierungs-Use-Cases gut umgesetzt werden.
Daten anreichern und Profile bilden
Für gelungene Personalisierungen spielt die Aktivierung der zusammengetragenen First-Party-Daten eine zentrale Rolle. Für diese Aufgabe haben sich in der Praxis Customer-Data-Plattformen (CDPs) bewährt. Die CDPs bringen Daten aus unterschiedlichsten Quellen zusammen und helfen den Publishern dabei, Profile zu erstellen. Dabei lassen sich zwei Arten unterscheiden: anonyme Profile und bekannte Profile, wenn sich Nutzer zu erkennen geben, zum Beispiel durch einen Login.
„Wichtig ist, das Kundenverhalten zu kennen“, sagt Ulisse Sarmiento, Regional VP Solution Consulting EMEA beim CDP-Anbieter Tealium. Was haben sich Nutzer auf der Website angeschaut? Was haben sie gekauft, wofür haben sie sich beim letzten Besuch interessiert und welche Kategorien haben sie in den vergangenen 30 Tagen durchstöbert? Wenn Marketer über diese Informationen verfügen, sind die Voraussetzungen gut, den Interessenten relevante Inhalte und Angebote zu präsentieren, die eine hohe Conversion-Wahrscheinlichkeit besitzen. Dazu ist es nötig, die Daten aus verschiedensten Quellen zusammenzuführen. Bei Tealium setzt man dafür ein sogenanntes Visitor Stitching ein. Das Prinzip: Jeder eingehende Datensatz hat eine eigene ID – zum Beispiel eine anonyme Web- oder App-ID, eine Device-ID, eine CRM-ID oder eine ID aus dem Loyalty-Programm. In der CDP lassen sich Attribute als Visitor-Attribute definieren und können dadurch für die Profilbildung genutzt werden. Wird ein neuer Datensatz erfasst, fügt die CDP ihn mit dem bereits vorhandenen Profil zusammen, berechnet alles erneut und stellt es als aktuelles Profil bereit. Dieser Mechanismus von Tealium ist auf keine bestimmte ID beschränkt und kann auf alle IDs angewendet werden.
CDPs – Echtzeitturbo für Personalisierungen
Eine wesentliche Herausforderung ist es, diese Informationen nicht nur einheitlich zu erfassen, sondern sie für die Personalisierung von Inhalten verfügbar zu machen. Die große Stärke einer CDP ist in diesem Zusammenhang ihre Geschwindigkeit. Eine CDP erhält die Daten, reichert sie an und kann sie sofort wieder aktivieren – quasi in Echtzeit, also innerhalb weniger Millisekunden. Damit unterscheidet sie sich auch deutlich von einem klassischen CRM-System, das langsamer ist und nur wenige Aktivierungsmöglichkeiten hat – beispielsweise den Versand einer E-Mail. Die CDP jedoch kann Daten auf vielfältige Weise veredeln und aktivieren. Beispielsweise können CRM-Daten von der CDP mit Website-Daten oder App-Daten angereichert und aktiviert werden. „Wichtig ist es, Kundenprofile mit einer Historie zu übergeben, damit Marketer in der Lage sind, diese Kunden oder Website-Besucher wiederzuerkennen“, erläutert Sarmiento.
Die Echtzeit-Personalisierungen gewährleistet man bei Tealium zum einen durch clientseitige und zum anderen durch serverseitige Integrationen mit Personalisierungstools. Clientseitige Integrationen sorgen dafür, dass die Daten der CDP an die Browser zurückgespielt werden können. Die serverseitigen Integrationen spielen alle Daten außerhalb des Browsers an die Personalisierungstools.
Datengetriebenheit ist strategische Voraussetzung
Doch egal, wie gut Technologien heutzutage Personalisierungen umsetzen können: ohne geeignete Strategie und Vorbereitung funktioniert es nicht. „Wer Personalisierungen nutzen möchte, muss datengetrieben agieren und auch auf die Datentöpfe zugreifen können“, betont Sarmiento. Aggregierte Daten der Kunden-Einkäufe helfen laut dem Experten dabei ebenso wenig weiter wie Hypothesen, die Analytics liefert. „Wer personalisieren möchte, benötigt zwingend ein kundenzentriertes Mindset“, sagt Sarmiento. Alle Daten sollten sich idealerweise auf Kunden zurückführen lassen. Unternehmensberater Stalph geht noch einen Schritt weiter: „Wir müssen Kundenbeziehungen neu definieren. Aus Touchpoints werden Erlebnisse.“ Die Vision im Kontext Personalisierung liegt für Stalph in der 360-Grad-Kommunikation – also in der personalisierten Kommunikation mit Usern und Kunden sowohl onsite als auch offsite. Die Pflicht sieht er in der Bestandskunden-Ansprache; die Kür in der personalisierten Neukundenansprache. Damit beides gelingt, dürfte auch die Zusammenarbeit interdisziplinärer Teams weiter an Bedeutung gewinnen.
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