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MARTECH

Hilfestellung bei der Digitalisierung des B2B-Mittelstands

Anton Priebe, 8. Dezember 2021
Bild: Bhargav Panchal – Unsplash

Der Mittelstand gilt als Motor der deutschen Wirtschaft und hat sich international schon längst einen Namen gemacht. Dennoch scheinen die hiesigen mittelständischen Unternehmen der Digitalisierung hinterherzuhinken und somit auf große Potenziale zu verzichten. Claudia Projic vom Berliner Martech-Anbieter Kyto möchte dieses Potenzial gemeinsam mit den B2B’lern heben und unterstützt sie mit Technologie-Lösungen, um deren Geschäft anzukurbeln. Im Fokus steht dabei insbesondere das Portalmarketing. Im Interview erklärt Projic, was dahintersteckt und wie es um die Digitalisierung des deutschen Mittelstands aktuell sowie in Zukunft steht.

Bild: Kyto Claudia Projic, Kyto

ADZINE: Hallo Claudia, bitte erkläre Kyto in drei Sätzen.

Claudia Projic: Kyto ist Marktführer für B2B-Portalmarketing. Wir optimieren die Profitabilität unserer Kunden, indem wir sie in B2B-Partnernetzwerke und -Plattformen platzieren. Eine weitere Kernleistung ist die Analyse von Website Traffic mithilfe einer selbst entwickelten Software, die es möglich macht, Besucher und Besucherinnen in Leads umzuwandeln.

ADZINE: Was sind das für Unternehmen?

Projic: Was Portalmarketing angeht, richten wir uns konkret an mittelständische und exportierende Industrieunternehmen aus verschiedenen Branchen. Das können nationale oder internationale Unternehmen sein, die beispielsweise in der Chemie-, Medizin- und Elektrotechnik tätig sind. Das Website-Traffic-Tool richtet sich an Unternehmen aller Art.

ADZINE: Was ist Portalmarketing genau?

Projic: Portalmarketing ist ein digitaler Marketingansatz, der darauf abzielt, Unternehmen in Online-Branchenverzeichnissen – auch B2B-Portale genannt – zu positionieren, in denen Einkäufer gezielt nach Produkten suchen. Beispiele sind Europages, Directindustry, oder Alibaba. Weltweit existieren über 1.500 verschiedene Portale und Online-Verzeichnisse. Die unterscheiden sich in ihrem Fokus zum Beispiel nach Region oder Branche. Bei der Auswahl von passenden Portalen ist es daher wichtig, auf die spezifischen Bedürfnisse aller Exportbranchen einzugehen. Dazu braucht es vor allem regionale Kenntnisse, Zielgruppen-spezifische Expertise und Branchenwissen.

ADZINE: Wie kann man Portalmarketing systematisieren, vor allem, wenn man international arbeitet? Und wie viel Handarbeit steckt da drin?

Projic: Die Bedürfnisse und Ziele unserer Kunden fragen wir im Vorfeld anhand eines Fragebogens ab, sodass wir wissen, wo welche Produkte vertrieben werden sollen. Zu den relevanten Daten gehören auch die Top-5-Produkte und weitere Niederlassungen der Unternehmen. Nach Analyse der Daten selektieren wir die wichtigen Portale vor. Nach der Verknüpfung mit dem Dashboard müssen Unternehmen dann nur einmal ihre Firmendaten und -leistungen eingeben und das System überträgt sofort alle Informationen in alle ausgewählten B2B-Portale. Auf Änderungen reagiert die Technologie direkt und aktualisiert in Echtzeit.

ADZINE: Funktioniert der Eintrag in Portalen überhaupt ohne entsprechendes Marketing-Budget, um ihn zu promoten?

Projic: Das ist mit Portalmarketing sehr gut möglich. Da Einkäufer in diesen Portalen gezielt nach sehr spezifischen Produkten suchen, ranken Firmenverzeichnisse und Portale für generische Suchbegriffe wie zum Beispiel “CNC Fräsen” oft auf den vorderen Plätzen bei Suchmaschinen. Somit werden Suchanfragen zum größten Teil auf B2B-Portale gelenkt, da diese eine hohe Relevanz aufweisen. Weiterhin sind Portale fester Bestandteil der Informationsrecherche von B2B-Einkäufern. Unternehmen, die dort präsent sind, können früh gefunden werden und mit den umfangreichen sowie validen Informationen direkt als potenzieller Partner ins Auge gefasst werden.

ADZINE: Wenn ich mit Vertretern aus der Industrie spreche, heißt es oft “Wir kennen unsere Lieferanten und Partner seit 20 Jahren, ich brauche kein Internet”. Wie digitalisiert ist der deutsche Mittelstand im B2B mittlerweile?

Projic: Aktuelle Studien zeigen auf, wie hoch der Digitalisierungsbedarf im deutschen B2B-Mittelstand noch ist und wo die meisten Potenziale liegen. Beispielsweise der “Digital Sales Monitor 2021”, eine Untersuchung zum Status quo der Vertriebsprozesse in Bezug auf Digitalisierung, hält fest, dass gut aufgesetzte Strukturen und Automatisierungen in einer digitalen Vertriebsstrategie eine Umsatzsteigerung von bis zu 26 Prozent ermöglichen können. Trotz des hohen Wachstumspotenzials bewerten viele Führungskräfte aus der Studie ihre eigenen Prozesse und Strukturen aber als mangelhaft und kaum digitalisiert.

Das zeigt deutlich, dass Unternehmen immer noch sehr viele große Chancen für eine bessere Performance bei gleichzeitig niedrigen Kosten “liegen lassen”. Bereiche, in denen es noch besonders viele Potenziale gibt, sind beispielsweise die Automatisierung von Reportings oder die Verzahnung von Marketing und Vertrieb, um Kommunikations-Silos aufzubrechen.

ADZINE: Wie kann man B2B’lern am besten helfen? Welchen großen Hebel übersehen die oft, um die Digitalisierung anzustoßen?

Projic: Mit einer kompetenten Beratung. In einem guten Gespräch können offene Fragen geklärt werden und umsetzbare digitale Strategien ins Auge gefasst werden. Was oft übersehen wird, ist, dass Strukturen komplett neu gedacht werden müssen und man trotzdem klein anfängt. Man muss nicht alles auf einmal digitalisieren, aber es gibt bestimmte erste Bereiche, die man als B2B’ler zuerst ins Auge fassen sollte.

Studien zeigen beispielsweise auch, dass es ein gängiger Fehler ist, Vertrieb und Marketing voneinander zu trennen. Laut des “Digital Sales Monitor 2021” geschieht dies noch in über der Hälfte der Unternehmen. Die digitale Transformation im Unternehmen ist die ideale Möglichkeit, beide Abteilungen miteinander zu verzahnen. So entstehen Synergien und Daten können optimal genutzt werden.

Grundsätzlich ist auch einer der ersten Hebel, die B2B-Marketers gerne übersehen, die Website. Eine gute Website ist nicht nur übersichtlich und aussagekräftig, sondern sollte bei exportierenden Unternehmen beispielsweise auch in diversen Sprachen verfügbar sein. Wenn man dann noch Website Analytics einsetzt, ist ein erster Schritt zur digitalen Leadgewinnung getan.

ADZINE: Müsst ihr die Unternehmen davon überzeugen, sich internationaler aufzustellen? Haben die Motivation zum Wachstum?

Projic: In der Regel muss man sie nicht überzeugen. Wenn die Unternehmen sehen, wie einfach und kostengünstig man expandieren kann, sind das Interesse und die Neugier geweckt. Die neue Generation junger Marketers ist stolz auf die traditionsreichen sowie innovativen deutschen Mittelständler, die weltweit hohes Ansehen genießen. Sie wollen ihre Unternehmen global platzieren und das können sie auch, indem wir ihnen aufzeigen, wie man neue Märkte mit einfachen Mitteln erschließt. Wenn der Kunde dann sieht, wie unkompliziert und zugleich umsatzfördernd internationales Wachstum aussehen kann, ist der sprichwörtliche Appetit geweckt.

ADZINE: Wie verändert sich B2B-Marketing in Deutschland, was siehst du für die Zukunft voraus?

Projic: Mittlerweile ist es zur Binsenweisheit geworden, dass die Digitalisierung alles verändert und unaufhörlich voranschreitet. Im B2B-Marketing wird es konkret darum gehen, Marketers in ihren Prozessen und Strukturen mithilfe von digitalen Tools maßgeblich zu unterstützen. Hier möchte ich vor allem Mittelständlern raten, sich noch mutiger auf digitale Lösungen einzulassen und dafür grundlegend gegebene Prozesse zu hinterfragen. Man muss die Chancen sehen, die mit der Digitalisierung einhergehen und sich daraus ergebende Potenziale zielgerichtet ausschöpfen. Wir sind aber auf dem richtigen Weg. Das digitale Denken ist in großen Teilen der deutschen Unternehmenswelt angekommen. Nun muss weitergedacht werden: Ganzheitliche digitale Vernetzung sämtlicher Bereiche im Unternehmen, um neue und vor allem nachhaltige Umsatzpotenziale zu generieren.

Es gibt aber auch Dinge, die ich mir für die Branche in der Zukunft wünsche. Mir wurde kürzlich auf den ersten Messen wieder vor Augen geführt, wie unterbesetzt Frauen noch immer im Mittelstand sind. Eine aktuelle Studie über GmbH-Geschäftsführergehälter im Jahr 2020 bestätigte meine Vermutung: Gerade einmal neun Prozent Frauen sind in der Führungsetage von GmbHs vertreten. Hinzu kommt, dass Frauen bis zu zehn Prozent weniger Gehalt verdienen als ihr männliches Pendant. Das ist weder zeitgemäß noch weiter hinnehmbar.

ADZINE: Vielen Dank für das Gespräch!

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