Für die Zuschauer ist alles ganz einfach: Sie schalten ihren Smart-TV an und konsumieren Inhalte – und Werbung. Für Marken und Werbetreibende ist die Lage schwieriger. Auf dem Big Screen prallen die lineare AGF-Welt und das digitale Marketing via Connected TV und Addressable TV aufeinander. Vor allem mit dem Targeting hapert es noch.
Addressable TV (ATV) erfreut sich großer Nachfrage. Die Voraussetzungen für die Werbebranche sind vorhanden, der Markt ist immer besser ansprechbar. Laut einer aktuellen Untersuchung der RTL-Tochter Smartclip sind in Deutschland mittlerweile mehr als 18 Millionen TV-Geräte HbbTV-fähig und können daher adressierbare Werbung empfangen. Werbetreibende können sowohl innerhalb als auch außerhalb der regulären Werbeunterbrechung mit ATV ihre digitale Werbung im linearen Fernsehprogramm platzieren.
Haushaltbasiertes Targeting in ATV
ATV-Plattformen, wie die Lösung von Smartclip, analysieren – datenschutzkonform nach Einwilligung – auf welchen Geräten welches Programm zu welcher Zeit geschaut wird. Auf dieser Basis können Zielgruppen modelliert und mit ATV-Werbung angesprochen werden. Zum Beispiel lassen sich aufgrund des Nutzungsverhaltens Profile bilden, die beispielsweise Männer- und Frauen- sowie Familienhaushalte darstellen. Basis hierfür ist das Muster der Nutzung, also welches Programm zu welcher Tageszeit in welcher Frequenz auf einem TV-Gerät konsumiert wird. Das lässt sich zudem mit digitalen Targeting- und Identifikationslösungen verbinden.
Die Smartclip ATV-Plattform ermöglicht haushaltbasiertes Targeting über alle internetfähigen Endgeräte hinweg – und damit auch eine Verlängerung von TV-Kampagnen in rein digitale Umfelder und andersrum. Die Grundlage hierfür ist der sogenannte „Haushaltsgraph“, der ermittelt, welche Geräte über ein Heimnetzwerk miteinander verbunden sind. „Das Interesse ist groß, denn TV-Werbetreibende können mit ATV Zuschauer granularer adressieren, als dies mit über die klassischen TV-Spots möglich ist“, sagt Sebastian Busse, Director Addressable TV International bei Smartclip. Auf diese Weise lassen sich beispielsweise alle Nutzer auf dem Smart-TV targeten, die regelmäßig eine bestimmte Sendung schauen oder ein bestimmtes Interesse zeigen, etwa Sport. „Wir sehen anhand des Zeitstempels, wann ein Spot ausgeliefert wurde und welche Geräte zu dieser Zeit auf dem betreffenden Sender online waren. Diese Geräte können Werbetreibende im Nachgang retargeten oder ausschließen“, erläutert Busse.
Seit kurzem ist in den Inventaren von RTL Deutschland und von Seven.One Entertainment auch ein programmatischer Spotaustausch innerhalb einer Werbeinsel realisierbar. Mit dieser Mechanik können unterschiedlichen Zielgruppen verschiedene Werbespots gezeigt werden. Derzeit beschränkt sich das Targeting beim programmatischen Spotaustausch innerhalb einer TV-Werbeinsel im lineareren Fernsehen noch auf Kontaktklassenoptimierung (Frequency Capping). Weitere Optimierungsmöglichkeiten sollen bald zur Verfügung stehen. Grundsätzlich kann ATV-Werbung entweder klassisch (Insertion Order (I/O)) oder programmatisch über die D-Force dedizierte Active Agent DSP eingebucht werden.
CTV – komplex und heterogen
Während sich das Addressable TV auf den Smart-TV beschränkt, ist für Werbetreibende die Situation bei Connected-TV-Angeboten (CTV) komplexer. Hier können die Inhalte sowohl auf dem Smart-TV als auch auf anderen internetfähigen Geräten ausgespielt werden. „Die Targeting-Möglichkeiten im CTV sind von den Daten abhängig, die von den jeweiligen CTV-Plattformbetreibern übergeben werden. Diese Daten können je nach Gerät, Anbieter und Vermarkter sehr unterschiedlich sein“, erläutert Adition Technologies Geschäftsführer Ralf Hammerath. So bietet CTV grundsätzlich die gleichen Targetingmöglichkeiten, die Marketer aus der digitalen, programmatischen Welt kennen, doch in der Praxis steht man noch ganz am Anfang.
Verbreitet sind in erster Line kontextuelles Targeting im Rahmen der Themen-Channel der Vermarkter sowie regionales, soziodemografisches und zeitbasiertes Targeting. Ein profilbasiertes Targeting ist im CTV (noch) problematisch: Während die eine ihre Lieblingssendung in der Mediathek über den Smart-TV schaut, nutzt ein anderer dafür sein Tablet, die nächste einen Fire-TV-Stick und wieder ein anderer sein Smartphone – alle diese Geräte haben unterschiedliche Betriebssysteme und verschiedene Browserumgebungen. Hinzu kommen häufig eigene Vermarktungsinteressen der Gerätehersteller. Diese Heterogenität gilt als große Herausforderung für CTV, denn für die Zielgruppensegmentierung und das Targeting ist ein stabiler Identifier nötig.
Aber es gibt erste Fortschritte. So kann beispielsweise Joyn bereits geräteübergreifend gebucht und ausgesteuert werden. „Bei Joyn wird der Identifier in jedem Fall übergeben. Egal ob das Programm auf dem Smart-TV, auf dem Tablet oder dem Smartphone geschaut wird“, sagt Hammerath. Bei anderen Angeboten ist die Situation nicht so komfortabel. Um dieses Manko abzufedern, kann ein Haushaltsgraph herangezogen werden. So hat Adition Technologies über das Virtual Minds „Identity Grid“ zum Beispiel ebenfalls die Möglichkeit, verschiedene Identifier eines Haushaltes zu einem Haushaltsprofil zu modellieren und dieses anzusprechen. Ein Haushaltsgraph kann allerdings nur gebildet werden, wenn Mindestanforderungen wie IP-Adresse, Device-ID und App-ID datenschutzkonform mit dem jeweiligen Bid Request übergeben werden. „Je mehr Daten übergeben werden, desto granularer kann programmatisch getargetet werden“, sagt Hammerath. Doch Informationen zu Sender und Content-Kategorie werden von den meisten CTV-Apps noch nicht mit übergeben. Auch strategische Gründe dürften dabei eine Rolle spielen. Denn Broadcaster CTV steht auch in direkter Konkurrenz zum klassischen TV, und die Sender müssen sich entsprechend sehr genau überlegen, welche Informationen sie preisgeben, ohne Gefahr zu laufen, dass sich die Kanäle kannibalisieren.
Vermischung von AGF- und Programmatic-Welt
In der Folge kommt es für CTV-Einkäufe zu einer Vermischung aus alter AGF- und neuer programmatischer Welt. So muss in vielen Fällen im CTV mit Affinitäten und den Erfahrungen der TV-Einkäufer Media geplant werden. Es ist heute noch immer ein verbreiteter Use-Case, TV-Werbung klassisch einzubuchen und die CTV-Angebote des entsprechenden Senders mit hinzuzunehmen. Doch es gibt erste reine CTV-Kampagnen. Beispielsweise hat im vergangenen Jahr die Deutsche Bank über die Active Agent DSP eine CTV-Branding-Kampagne auf RTL Plus und Joyn ausgespielt – mit Vermarkter-übergreifender Kontaktklassenoptimierung.
Perspektivisch sollen im CTV die gleichen Targeting- und Aussteuerungsoptionen möglich sein, wie man es heute aus dem Programmatic Advertising gewohnt ist. „Aber sowohl Broadcaster als auch Agenturen ordnen die neuen Möglichkeiten noch nicht einheitlich TV-Werbung oder digitalem Marketing zu“, sagt Hammerath. Hilfreich wäre es deshalb, wenn Advertiser darauf drängen würden, dass CTV-Anbieter ausreichend Daten übergeben, damit ein besseres programmatisches Targeting für CTV-Kampagnen machbar wird.
Auf Agenturseite geht man das Thema pragmatisch an. Für die Video-Marketing-Agentur Videobeat spielen CTV-Buchungen von App-Publishern auf Smart-TVs beispielsweise bisher kaum eine Rolle. Vielmehr fokussieren sich die Video-Spezialisten auf das lineare TV und buchen für ihre Kunden Kampagnen im Addressable TV sowie in den Streaming-Angeboten der Broadcaster, die auch über den Smart-TV genutzt werden. In der Regel bucht die Agentur ATV basierend auf soziodemografischen Merkmalen ein. „Ein Targeting einzusetzen ist immer dann sinnvoll, wenn ich eine sehr spezifische Zielgruppe habe und Streuverluste vermieden werden sollen“, sagt Dirk Jakobson, Managing Partner, Videobeat. Doch das Inventar ist knapp. „ATV ist vergleichsweise teuer, weil das Interesse hoch und die Verfügbarkeiten gering sind. Verschärft wird die Situation durch die gestiegene Nachfrage im linearen TV“, so der Experte. Unter Umständen könne eine Buchung im klassischen TV in der aktuellen Situation sogar die bessere Wahl sein. „Dann fehlt zwar das Targeting, aber die Buchung ist mitunter im TKP günstiger und die Reichweite höher. Dies gilt es von Fall zu Fall abzuwägen“, so Jakobson.
Hinter den Kulissen bleibt also noch viel zu tun, damit linear und digital auch werbetechnisch zu dem Medium verschmelzen, das es für den Zuschauer schon lange ist: Fernsehen. Nicht mehr und nicht weniger.
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