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PROGRAMMATIC

Programmatic-Neuland für Screens in der Arztpraxis

Anton Priebe, 13. Oktober 2021
Bild: National Cancer Institute – Unsplash

Digital-Out-of-Home (DOOH) ist in letzter Zeit im Aufwind und einen großen Anteil daran hat der Anschluss an das Programmatic-Ökosystem. Plakate werden also nicht nur zunehmend durch digitale Screens ersetzt – die entstehenden Werbeplätze sind auch programmatisch samt eines Audience-Targetings buchbar. Einer der neuen Player in Programmatic-DOOH ist TV-Wartezimmer, der Bildschirme in Arztpraxen installiert, mit Content ausstattet und vermarktet. Claudius von Soos, Leiter Media Sales von TV-Wartezimmer, berichtet im Interview über erste Erfahrungen mit programmatischer Vermarktung, Targeting in PDOOH sowie das Aussterben des Plakateklebens und Raum für Innovation.

Bild: TV-Wartezimmer Claudius von Soos, TV-Wartezimmer

ADZINE: Hallo Claudius, erkläre bitte TV-Wartezimmer in drei Sätzen.

Claudius von Soos: Wir zeigen Patienten, die im Arzt-Wartezimmer sitzen, ein abwechslungsreiches Informations- und Unterhaltungsprogramm aus News, Wetter, Sport, medizinischen Filmen und kurzen Dokus. Außerdem strahlen wir Werbespots aus, die seit Anfang des Jahres auch programmatisch ausgespielt werden können. Wir sind damit ein Out-of-Home-Publisher, der sowohl selbst Content produziert als auch die Werbeplätze im Programm vermarktet.

ADZINE: Ihr seid dieses Jahr frisch mit Programmatic gestartet und somit ein Neuling in der programmatischen Welt – wie würdest du die ersten Erfahrungen bewerten?

Soos: Insgesamt sehr positiv! Die größte Überraschung für mich war, wie viel Programmatic immer noch mit Menschen zu tun hat. In allen Stufen der Implementierung haben wir uns sehr viel mit unseren Marktpartnern ausgetauscht, und das wird auch bei den laufenden Kampagnen fortgeführt, teils mehr als bei klassischen Buchungen. Natürlich läuft bei der Ausstrahlung alles automatisch, aber bisher ist der Faktor Mensch immer noch extrem wichtig.

ADZINE: Das programmatische Ökosystem ist sehr komplex und zählt viele Beteiligte – oftmals sogar zu viele. Wie funktioniert das Zusammenspiel mit den verschiedenen Playern bislang?

Soos: Ich bin bisher sehr glücklich mit dem Zusammenspiel. Es läuft reibungslos und partnerschaftlich. Wir wussten ja anfangs auch nicht zu hundert Prozent, ob alles so funktioniert, wie wir uns das vorstellen.

Wir haben jedoch auch gemerkt, dass sich einige, vor allem das Medium Digital-Out-of-Home betreffende Prozesse erst noch einspielen müssen. Lass mich ein Beispiel geben: Vor ein paar Monaten wurde auf unserem Netzwerk eine Kampagne ausgestrahlt, bei der wir anfangs nur relativ wenige Impressions generieren konnten. Wir haben dann festgestellt, dass die DSP ein Capping über sieben Tage eingestellt hatte – wie für Online-Kampagnen üblich. Das Wartezimmer ist aber am Wochenende geschlossen, sodass das Capping bei uns auf fünf Tage verteilt werden musste, denn Samstage, Sonntage und Feiertage werden nicht eingerechnet.

Alles in allem kommen bei Programmatic also viele Beteiligte ins Spiel, die zum Teil noch an die Hand genommen werden müssen, damit die Kampagnen gut funktionieren.

ADZINE: Seid ihr abseits von dealbasierten Kampagnen auch im offenen Ökosystem unterwegs?

Soos: Ja, wir realisieren auch Open Auctions. Generell versuchen wir immer das anzubieten, was unsere Kunden von uns nachfragen.

ADZINE: Was könnte besser laufen?

Soos: Momentan sprechen die SSPs nicht mit allen DSPs. Selbst mit einer großen Bandbreite deckst du als Technologie-Anbieter nicht alles ab. Das finde ich sehr schade, weil der Markt wachsen will und soll, aber die Schnittstellen manchmal eben nicht passen. Das ist mein größter Kritikpunkt am derzeitigen System.

ADZINE: Deswegen setzen die meisten Publisher mehrere SSPs ein, sogar so viele, dass letztlich wieder aussortiert werden muss.

Soos: Wir werden uns hier zwar noch weiter öffnen, möchten das Set an Dienstleistern aber überschaubar halten. Weitere Lösungen an unsere internen Systeme anzudocken, bedeutet nämlich auch wieder Aufwand und kostet Zeit.

ADZINE: Lass uns von der technologischen Ebene zur strategischen gehen. “DOOH bleibt One-to-Many-Medium”, sagtest du kürzlich in einem Gastbeitrag bei uns. Personalisierte oder individualisierte Werbeansprachen seien daher nicht sinnvoll. Wie sollte man PDOOH also sinnvoll einsetzen?

Soos: Was DOOH immer schon gut konnte, ist Umfeld. Aus diesem Umfeld ergibt sich dann die Zielgruppen-Zuordnung, also Zielgruppen in verschiedenen Situationen an unterschiedlichen Orten anzusprechen. Wir als Branche haben Screens im Lebensmitteleinzelhandel, im Shopping-Center, an Bahnhöfen, in Kinos, Apotheken, Wartezimmern und so weiter. Überall dort sind Touchpoints, die wir als Branche bedienen und die verschiedenen Mindsets und Demografien sehr genau abbilden.

ADZINE: Welche Targeting-Möglichkeiten ergeben sich in den Wartezimmern?

Soos: Du kannst nach Fachgruppen aussteuern, also zum Beispiel Zahn- oder Frauenarzt, nach Postleitzahl und Geo-Koordinaten – was gerne genutzt wird. Außerdem bieten wir den GFK-Kaufkraftindex nach Postleitzahl an. Diese Targeting-Möglichkeiten haben wir aber auch schon vor dem Einstieg in Programmatic angeboten.

ADZINE: Out-of-Home wird allerorts digitalisiert, Programmatic gilt als die nächste Evolutionsstufe – wie weit ist der Sektor in Deutschland bereits? Stirbt das Plakatekleben aus?

Soos: Viele Prognosen sagen, dass DOOH das klassische OOH in einigen Jahren überholen wird, der Weg ist hier eindeutig. Ich war einmal Geschäftsführer in einem klassischen Außenwerbeunternehmen, das eher in kleineren Orten mit geklebten Plakaten aktiv ist. Aus der Erfahrung kann ich sagen, dass sich diese Plakatstellen durchaus noch rechnen. Im Umkehrschluss ist die Frage, wie digital OOH in Deutschland wird, auch eine kaufmännische. Amortisiert sich die Umrüstung, also das Anfangsinvestment? Die Vermarktung ist bei DOOH dann natürlich auch eine ganz andere, weil viel granularer angeboten wird. Das geklebte Plakat wird in der Regel ja immer noch in Dekaden vermarktet, du musst die Flächen also zehn Tage am Stück buchen.

Die komplette Digitalisierung wird kommen, aber nicht morgen, eher übermorgen. Dabei wird der Anteil von Programmatic immer höher werden. Bei uns liegt er nach wenigen Monaten bereits bei einem Drittel des Umsatzes. Das Schöne daran ist, dass sämtliche programmatischen Kampagnen von Neukunden kommen und sich das bisherige Geschäft mit dem programmatischen nicht kannibalisiert.

ADZINE: Wie sieht die Zukunft von DOOH aus? Wo wird Innovation stattfinden?

Soos: Insgesamt ist die Qualität und Breite der Touchpoints schon sehr gut, Raum für Innovation gibt es aber immer. Das können scheinbar ganz banale Dinge wie die Optimierung der Screen-Qualität sein, sodass das Erscheinungsbild im öffentlichen Raum besser wird.

Wir als DOOH-Branche arbeiten aber gerade vor allem daran, Leistungswerte und Leistungsdaten messen zu lassen, die noch mehr Anerkennung als Währung im Werbemarkt erlangen. Ansonsten gibt es immer Touchpoints, an denen es noch keine Screens gibt. Dort muss man aber auch schauen, wie sinnvoll die Installation ist. Nicht jeder digitale Screen ist auch für den Markt relevant.

ADZINE: Hast du ein Beispiel für einen neuen sinnvollen Touchpoint?

Soos: Sehr spannend finde ich Drogeriemärkte. Das bedeutet interessante Zielgruppen, eine recht große Bandbreite an Produkten und eine entspanntere Atmosphäre als im Supermarkt. Denn auch die Stimmung bei der Rezeption von Werbung ist wichtig.

ADZINE: Alles klar, vielen Dank für das Interview!

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