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Die Evolution von Contextual & Semantic Targeting auf ihrem Weg ins CTV

Anton Priebe, 5. Oktober 2021
Bild: Ugo Mendes Donelli – Unsplash

Im Fahrwasser der schwindenden Third-Party-Cookies gewinnt kontextuelles und semantisches Targeting zunehmend an Bedeutung. Was sich für einige nach einer Rückkehr zur klassischen Umfeldplanung anhören mag, stellt für viele eine ernstzunehmende Alternative für userbasiertes Targeting dar. Denn die Methoden, um Kontext oder Semantik zu entschlüsseln und somit die passende Zielgruppe zu erreichen, unterscheiden sich doch deutlich von denen der “alten” Werbewelt. Zudem steht das Verfahren mittlerweile sogar für neue Kanäle wie Connected TV zur Verfügung. ADZINE hat bei Contextual-Experten genauer nachgefragt, worin die technologische Evolution besteht, wie sie bei CTV ins Spiel kommt und wann das Targeting an seine Grenzen stößt.

Von der stumpfen Umfeldplanung zum intelligenten Targeting-Ansatz

Bild: Dynadmic Corinna Heßler, Dynadmic

Zunächst sind Contextual und Semantic Begriffe, mit denen eher Sprachwissenschaftler als Werbefachleute etwas anfangen können. Letztere gebrauchen sie daher oft Synonym – dabei ist die Trennschärfe durchaus vorhanden und angebracht. “Kontextuelles Targeting platziert eine Werbung passend zu einem Themenfeld”, erklärt Corinna Heßler, Managing Director beim Vermarkter und Targeting-Spezialisten Dynadmic Deutschland. Hier wird bei den einfachsten Konzepten ein Gesamtrahmen betrachtet, also Adidas-Werbung in einem Sportumfeld wie dem Kicker platziert. “Der Übergang von Kontext zu Semantik entsteht, wenn nicht nur der Themenschwerpunkt, sondern auch die einzelne Platzierung analysiert wird”, so Heßler weiter. Dies ist etwa dann der Fall, wenn eine Seite nach einem Keyword wie Fußball durchsucht wird, ist aber bei weitem nicht das Ende der Fahnenstange. “Ein vollständig semantischer Ansatz geht über ein einzelnes Keywordspotting hinaus und analysiert auch Sinnzusammenhänge. Das reine Auftreten des Wortes ‘Fußball’ reicht nicht mehr aus, um ein Fußballumfeld zu charakterisieren, denn es könnte auch ein falscher Alarm sein, wenn das Wort nicht repräsentativ für den Gesamtinhalt ist oder Mehrdeutigkeiten aufwirft.”

Im Vergleich zur Umfeldplanung, die in der Mediaplanung bereits seit Jahrzehnten existiert, leisten moderne Targeting-Ansätze also weitaus mehr. Sie machen sich den konkreten Seiteninhalt zunutze, anstatt lediglich Publisher nach Themen einzuordnen. “Text- und Sprachanalyse ermöglichen die Verarbeitung einer stetig steigenden Menge an Informationen und Triggern zur Einordnung und Bewertung von Inhalten”, erläutert die Deutschland-Chefin von Dynadmic. “So wird die Assoziation mit granulareren Themen – aus ‘Nachrichten’ wird ‘Finanznachrichten’ oder sogar ‘nachhaltige Investments’ – möglich und ein einzelnes Schlagwort steht nicht mehr pars pro toto für sein Umfeld.” Die Sentimentanalse berücksichtigt sogar Wertungen, was Brand Safety und Suitability in die Karten spielt. Letztlich steigen laut Heßler somit Reichweite und Analyseeffizienz sowie die Sicherheit der Platzierungen.

Insgesamt werden die eingesetzten “Wörterbücher” immer intelligenter und nähern sich den menschlichen Fähigkeiten: “Weitere Fortschritte finden sich in den Bereichen der Mehrdeutigkeit der einzelnen Bestandteile – spricht ein Text mit Brand über ein Feuer oder eine Marke – und neue Ansätze wie der NER-Ansatz ermöglichen auch sinntragende Einheiten wie Eigennamen, Filmtitel wie zum Beispiel für CTV und Firmennamen wie beispielsweise Apple zu erkennen und richtig zuzuordnen.”

Kontext-Targeting erreicht CTV

Bild: Showheroes Group Patrick Jähnichen, Showheroes Group

Die Filmtitel zu erkennen und richtig einzuordnen ist eine Herausforderung, der sich die Showheroes Group verschrieben hat. Patrick Jähnichen, Global Director Product, Data and Machine Learning der Gruppe, schätzt die Bedeutung von kontextuellem Targeting für CTV noch “recht gering” ein. Das läge aber vor allem daran, dass es bislang noch keine ausgereiften Lösungen für diesen Anwendungsfall gab. “Das Interesse jedoch ist groß, alle CTV-Anbieter, mit denen wir reden, sind sich über die Herausforderungen durchaus im Klaren und sehr an der Anwendung von semantischem Targeting und unserem Ansatz dazu interessiert”, meint Jähnichen. “Durch den hauptsächlichen Einsatz des eigentlich veralteten VAST-Standards in der Version 2.0 sind die Möglichkeiten beschränkt und kreative Lösungsansätze gefragt.”

Der CTV-Bereich muss ohne textuelle Informationen auskommen. Die Integrationen basieren auf dem VAST-Tag und lassen kein Javascript zu, erklärt der Datenfachmann der Video-Experten. Die große Herausforderung bestehe darin, zum aktuellen Content belastbare Informationen und Metadaten zu bekommen. “Für lineare TV-Streams ist das für die meisten Kanäle noch recht einfach: Electronic Programme Guides sind gut über das Internet verfügbar, zusammen mit Kanalinformationen und dem aktuellen Zeitstempel kann man so Informationen zum gerade laufenden Content abrufen”, so Jähnichen. Bei Video-on-Demand-Inhalten sei das schon schwieriger, hier kommt eine direkte Integration mit den Publishern zum Zuge. “Diese geben uns Zugriff auf ihr Video-CMS und damit auf die Metadaten des Content, die wiederum von uns analysiert und abgelegt werden können. Eine Kombination aus beiden Ansätzen erschließt damit jegliches CTV-Inventar angeschlossener Partner für ein semantisches Targeting in Bezug auf das gerade laufende Video.”

Noch ist Luft nach oben beim semantischen Targeting in CTV. “Nächste Schritte werden sehr wahrscheinlich die Nutzbarmachung von Untertitel-Daten beziehungsweise Transkripten sein, die sogar eine noch genauere Kontextualisierung im laufenden Stream ermöglichen”, prophezeit Jähnichen. Somit würde nicht nur eine Lufthansa im Rahmen von Reisedokumentationen werben, sondern vielleicht auch Jever in der Lieblingsserie nach einem Gespräch über einen gemütlichen Grillabend.

Auch Contextual-Anbieter kochen nur mit Wasser

Bild: Datazulu Jana Kordt, Datazulu

Trotz diverser Finanzierungsrunden für kontextuelle Targeting-Lösungen und vieler Diskussionen über das Thema würde Jana Kordt noch nicht von einem Hype sprechen. Kordt ist Senior Manager Data Excellence der Datazulu, Agenturtochter und Beratungsarm der Hamburger Masterplan Media. Ihrer Meinung nach wird das Verfahren zwar als eine der Möglichkeiten in der cookielosen Zukunft an Relevanz gewinnen, doch gehört es seit Jahren zum festen Bestandteil innerhalb der Kommunikationslösungen ihrer Kunden. Insbesondere der Travel-Bereich tut sich hier hervor, bei dem anlassbezogene Kommunikation sehr effizient ist und besser performt als userbasiertes Targeting.

Kordt vermisst in der Praxis vor allem Transparenz: “Damit Contextual die Erwartungen erfüllen kann, ist es Aufgabe des Marktes beziehungsweise der technologischen Anbieter, die Services und Lösungen transparenter zu gestalten – sowohl in der Planung als auch in der Aussteuerung. Neben der Transparenz bezüglich Kontext-Keywords und Ausspielungs-Plattformen brauchen wir Self-Service-Angebote, um schnell und individuell handeln zu können. Ein großes Problem bei den meisten ‘Zielgruppen-Datenanbietern’ war und ist die Intransparenz bezüglich der Frage, wo und wie Zielgruppen beispielsweise rekrutiert wurden. Dem sollte man mit dem aktuell herrschenden Marktrückenwind jetzt direkt begegnen.”

Obwohl kontextuelles Targeting auf den ersten Blick simpel erscheint, ist es auf den zweiten Blick häufig sehr viel komplexer und bedarf ausgefeilter Kreativität sowie “Gehirnschmalz”, meint Kordt. “Im Lower Funnel ist es sehr einfach, ‘Produkt-Interessierte’ in Umfeldern anzusprechen, die sich kontextuell um die Produktthemen drehen. Herausfordernd wird es im Upper Funnel: Wie erreiche ich Personen, die noch kein aktives Produktinteresse haben, die wir aber in diese Richtung für uns gewinnen und aktivieren wollen?” Dies sei künftig nur mit höheren Streuverlusten zu erreichen. Wirklich gute Lösungen für den Upper Funnel sind in den Augen der Daten-Expertin in vielen Fällen die Kernherausforderung des Marktes.

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