Wenn man in der Werbeindustrie von CTV spricht, denken die meisten direkt an App-Anbieter und ihre Streams. Es existiert jedoch noch eine Ebene davor – die der Betriebssysteme. Dirk Wittenborg führt mit Foxxum ein solches CTV-Betriebssystem ins Feld, das ähnlich wie Android TV oder Amazon Fire von verschiedenen TV-Marken genutzt wird. Nach Samsung ist Foxxum die zweitgrößte CTV-Plattform in Europa, die aber keiner kennt, weil sie als White Label verwendet wird. Gleichzeitig entwickeln die Kieler von Foxxum CTV-Apps und betreiben mit Rlaxx TV einen linearen AVoD+FAST-Service. Im Interview erklärt Wittenborg, warum der tatsächliche Kampf in CTV weltweit auf Plattform-Ebene stattfindet und wer das Rennen machen wird.
ADZINE: Hallo Dirk, wie funktioniert die Vermarktung auf CTVs, wenn wir uns auf die Ebene der Betriebssysteme begeben?
Dirk Wittenborg: In der Regel arbeiten die App-Anbieter zusammen mit dem Plattform-Partner, also beispielsweise mit uns oder Samsung. Heutzutage läuft dies häufig auf einen Inventory Split hinaus, weil Amazon das so geprägt hat. Die Plattformen wollen oft 30 Prozent vom Inventar haben – was einfach wahnsinnig teuer ist, weil es meistens nicht als Marge da ist. Wir machen das anders. Zum Beispiel nutzt der TV-Hersteller Sharp unser Betriebssystem in Europa. Hier übernehmen wir die Vermarktung und teilen die Erlöse mit der Marke.
ADZINE: Welche Möglichkeiten zur Monetarisierung gibt es bei Betriebssystemen?
Wittenborg: Es gibt drei Ebenen: erstens die Platzierung, wenn jemand auf der Landingpage neben Netflix sitzen will. Das sind sogenannte Placement Fees. Dann sind Display-Banner auf der Landingpage der Plattform möglich.
Drittens kannst du je nach rechtlichen Vereinbarungen im Video Playout mit Pre- oder Post-rolls arbeiten. Dazu benötigst du natürlich die entsprechenden Genehmigungen. Wir zeigen bei Rlaxx TV ein Werbevideo in einem Recommendation Layer, in dem wir Content aus einer anderen App empfehlen, bevor geklickt wird. Dazu muss der Partner aber erstmal die Empfehlung und dann noch die Vermarktung erlauben.
ADZINE: Was ist mit Pre-, Post- und Mid-rolls innerhalb der Streams?
Wittenborg: An der Stelle befinden wir uns direkt im Video Playout. Von einem Ökosystem aus begibst du dich mit der App in ein fremdes Land. In der Regel übernimmt der App-Inhaber dort die Vermarktung, schließt aber mit der Plattform ein Revenue Share Agreement ab. Klassisch für Distribution sind 30 Prozent, das stammt noch aus der alten Youtube-Welt. Wobei es wie gesagt heute oftmals nicht 30 Prozent des Revenues, sondern des Inventars umfasst.
ADZINE: Das Interesse an Werbung in CTV von Advertiser-Seite aus ist groß, doch so richtig in Fahrt gekommen ist es zumindest in Deutschland noch nicht. Woran hakt’s?
Wittenborg: Die Deutschen sind einfach Spezialisten darin, alles kompliziert zu machen. Die Vermarktung in CTV läuft hierzulande oft durch Schwestern der traditionellen TV-Vermarkter. Als Prosieben oder RTL versucht man diesen Zustand so lange wie möglich stabil zu halten. Und die Werbeindustrie ist sehr konservativ, die macht erstmal das, was sie kennt.
Dennoch sind US-Player wie Roku und Pluto schon hier. In den USA sind deren Werbemodelle bereits etabliert und die werden sich über die Viewtime sowie die aggressive Vermarktung auch hier durchsetzen.
ADZINE: Der CTV-Markt in Europa ist sehr fragmentiert. Vor kurzem skizzierte einer unserer Gastautoren – aus dem Hause RTL – eine Adtech-Plattform für CTV, die mehrere europäische Märkte abdeckt und TV-ähnliches Werbeinventar bündelt. Glaubst du, dass dies realistisch ist?
Wittenborg: Es ist realistisch, wird aber nicht passieren. Das ist wie im alten Römischen Reich. Es geht um die Frage, wer die Zollstationen errichtet. Nehmen wir auf der einen Seite den Kabelnetzbetreiber, der über seine Subscriber und seine Set-Top-Box bestimmt, wer von den Advertisern ins Wohnzimmer kommt. Dann haben wir die Satellitenverteilwege wie SES Astra, die ihrerseits bestimmen, was es dort kostet.
Im CTV findest du wiederum Walled Gardens wie von Samsung oder LG. Sony und Phillips laufen zu 90 Prozent mit Android TV – diese Zollbrücke wird also effektiv von Google betrieben. Wenn jemand eine Werbegemeinschaft für CTV aufmachen will, dann heißt die am Ende eh Google. Die schließen sich aber sicherlich nirgendwo an.
ADZINE: Wer errichtet die meisten Zollbrücken?
Wittenborg: Es herrscht sehr viel Geschwindigkeit im Markt. Amazon hat gerade in den USA angekündigt, ein eigenes TV-Gerät zu entwickeln. Die vertreiben bereits eigene Chips für ihren Cloudservice, der nächste Schritt werden Chips für Endgeräte, wie es schon Apple vorexerziert. Das Ziel dabei ist die maximale Distribution der Zollbrücken.
Auf lokaler Ebene sind die Player alle unterschiedlich. Der Fernsehmarkt in Österreich ist vielleicht noch dem deutschen ähnlich, aber Frankreich oder Spanien sind komplett anders. Im CTV-Feld spielen vor allem Android, Amazon, Roku und vielleicht Facebook mit globalen Ambitionen. Es gibt einfach nicht viele, die weltweit vermarkten.
ADZINE: Wie kommst du auf Facebook?
Wittenborg: Facebook ist auf der Suche nach Wachstum. Die Nutzer in Social Media wachsen nicht mehr so stark und die Werbeintensität dort ist ausgeschöpft. Außerhalb von Mobile ist der große TV-Bildschirm immer noch der beste Werbeplatz.
Es ist nur die Frage, wen Facebook kauft. Vielleicht Roku, die kosten nur 45 Milliarden. Microsoft fährt sicher bald die gleiche Strategie. Die könnten sogar mit Leichtigkeit Roku und Netflix kaufen. Und Disney noch dazu, wenn sie wollen. In zwei Jahren ist Disney an Netflix vorbeigezogen, dann wird spannend, was die noch Größeren machen.
Um es so zu formulieren: Die Giganten in den USA sind aufgewacht. Amazon hat mal eben mit MGM ein bisschen Content eingekauft für 9 Milliarden. Das ist aber noch das untere Ende der Fahnenstange, was man so ausgeben kann.
ADZINE: Wen siehst du als Gewinner des Spiels?
Wittenborg: Netflix hat nicht die finanzielle Kraft um gegen Spieler wie Amazon, Google oder Facebook zu bestehen, wenn diese erstmal die Zollbrücken errichtet haben und Netflix einfach kopieren und verdrängen. Auch Disney ist weltweit so stark und hat Content-Marken wie Micky Mouse oder Marvel und sogar Themenparks in der Hinterhand – da ist Netflix ganz weit von entfernt. Außerdem wird ein großer Teil des Contents heute nur produziert, damit die Abonnenten nicht abwandern. Die Kosten für Content gehen also nach oben sowie die des Marketings aufgrund des gestiegenen Wettbewerbs.
ADZINE: Wie löst sich das auf?
Wittenborg: Es wird vor allem ein großes Rennen um die Zollbrücken geben, also einen Kampf um die Betriebssysteme. 60 Prozent gehören zu den großen Marken wie Samsung, LG et cetera. 40 Prozent sind unabhängig. Hier in Deutschland sind das etwa Medion oder Orion vom Otto-Konzern. In jedem Land gibt es drei bis fünf solcher lokaler Marken, die in der Regel zusammen so groß sind wie Samsung. Um diesen Markt schlagen sich gerade alle. Samsung ist vom Hersteller zum globalen Broadcaster geworden. Die attackiert keiner direkt, dann schon lieber den lokalen Marken ein Betriebssystem anbieten. Das ist das, was wir machen. Da stehen wir seit zwei Jahren auf einmal im Wettbewerb mit Android, Amazon und Roku.
Google zahlt den Herstellern 10 US-Dollar für die Verwendung ihres Betriebssystems. Bei 100 Millionen TV-Geräten bewertet Google das Eintrittsticket, um beim Spiel teilzunehmen, also mit einer Milliarde – im ersten Jahr. Um eine Basis aufzubauen, benötigen die fünf bis sieben Jahre. Da sind wir schon bei fünf bis sieben Milliarden US-Dollar und so viel nur, um teilzunehmen. Das ist ein teures Konzert.
ADZINE: Vielen Dank für das Interview!
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