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PROGRAMMATIC

CTV – Deutsche Marktstruktur und Chancen für die Vermarktung

Karsten Zunke, 6. September 2021
Bild: Ashley Byrd – Unsplash

Connected TV gilt unter Marketern als großer Trend. Die Kombination aus digitaler Verbreitung und TV-Feeling auf großen Bildschirmen lässt viele Möglichkeiten der Vermarktung zu. Doch das CTV-Ökosystem ist fragmentiert – und die Vermarktung auch. Ein Überblick.

Connected-TV-Angebote (CTV) sind auf weiter auf dem Vormarsch. Streaming-Portale und insbesondere Sport-Sendungen sorgen dafür, dass immer mehr Zuschauer mit Ihrem Smart-TV oder angeschlossenen Adaptern via Internet auf Inhalte zugreifen. Fußballfans müssen in dieser Saison beispielsweise gleich drei CTV-Angebote nutzen (Dazn, Sky, Prime Video), wenn sie Zugriff auf alle Liveübertragungen der Bundesliga und der Champions League haben möchten.

Fernsehsender in der Pole-Position

Mit der wachsenden Menge an einzigartigem Content steigt die Akzeptanz der Zuschauer und damit die Attraktivität des Mediums für Werbetreibende. Fernsehsender gehörten in Deutschland zu den ersten, die den Streaming-Trend erkannten und die Vermarktung hochfuhren, die größtenteils programmatisch erfolgt. So hat sich die RTL-Gruppe mit dem exklusiv von der Ad Alliance vermarkteten Angebot TV Now hierzulande ebenso etabliert, wie Joyn, ein gemeinsames Streaming-Angebot der Medienkonzerne ProSiebenSat.1 Media und Discovery. Joyn wird von Seven.One Media vermarktet und ist programmatisch an Yieldlab angebunden (ein Unternehmen der Virtual Minds Gruppe, die wiederum ebenfalls zu ProSiebenSat.1 gehört). Die Ad Alliance stellt ihr CTV-Inventar ausschließlich über die Smartclip SSP – und damit an die ihr angeschlossenen DSPs – zur Verfügung.

Auch der Sportsender Sky bietet CTV-Inhalte an, die Vermarktungshoheit liegt beim hauseigenen Vermarkter Sky Media. Prinzipiell wird bei den Live-Sportübertragungen auf digitalem Weg via Sky Go und Sky Ticket die lineare Werbung ausgesteuert. Aber auf Sky Go haben Werbetreibende mit „Dynamic Ad Insertion“ eine neue Möglichkeit, zusätzlich zu den Pre-Rolls ihre Kampagnen auch in Video Ads während der Live-Streams zu platzieren. Die Werbeblöcke aus der linearen TV-Übertragung werden auf Sky Go überblendet und sind im digitalen Signal separat buchbar. Für Sky Ticket ist ein Start von Dynamic Ad Insertion ebenfalls geplant. Bei Dynamic Ad Insertion gibt es allerdings eine Einschränkung für den programmatischen Verkauf: Die Streams unterliegen dem Rundfunkstaatsvertrag, der unter anderem eine regionale Ausspielung untersagt. Daher sind aktuell nur Programmatic Guaranteed Deals möglich, die eine Geo-Komponente ausschließen. Auch der aufstrebende Sport-Streaming-Dienst Dazn vermarktet sich selbst und bietet seinen Werbekunden an, sein Inventar als „Programmatic Guaranteed“ zu buchen.

Verlage und unabhängige Angebote vorn dabei

Die großen Verlagshäuser haben das Potenzial von CTV ebenfalls entdeckt und buhlen mit ihren Angeboten um die Gunst der Zuschauer – und die der Werbekunden. Bekannte CTV-Apps sind unter anderem Bild Live, Welt oder Focus online. Parallel drängen Special-Interest-Titel auf Markt und auch unabhängige Anbieter wie Waipu.tv, Pluto TV und Rakuten TV haben sich mit ihren TV-Apps etabliert. Das werbeunterstützte Angebot von Rakuten TV umfasst beispielsweise neben linearen Kanälen globaler Netzwerke und Medienkonzerne auch plattformeigene Themen-Kanäle, die kuratierte Inhalte aus Hollywood und lokalen Studios bieten – darüber hinaus sind über 10.000 Titel auf Abruf verfügbar. Nach eigenen Angaben erreicht Rakuten TV aktuell mehr als 90 Millionen Haushalte.

Bild: Showheroes Dustin Puschmann, BVDW/Showheroes

„Das CTV-Inventar in Deutschland wird immer vielseitiger“, sagt Dustin Puschmann von Showheroes, Leiter des CTV-Labs im Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW). Ständig strömen neue Anbieter in den begehrten Wachstumsmarkt. Auch die Geräteanbieter bauen ihren Einfluss im deutschen TV-Markt kontinuierlich aus. Ursprünglich Hardware-Anbieter, treten sie durch die Transformation zum Plattformbetreiber in ein vollkommen neues Geschäftsfeld ein. „Momentan erweitern Samsung und LG ihr Angebot mit besonderem Eifer, indem sie Content von verschiedensten Quellen für die Nutzer ihrer CTV-Geräte bündeln und vermarkten“, so Puschmann.

Fragmentierte Vermarkter-Landschaft

Gute Inhalte sind daher gefragter denn je. Insbesondere die Pandemie hat die Nachfrage nach CTV-Werbeumfeldern erhöht. So haben in den USA – die als Trendbarometer für den gesamten CTV gelten – in einer IAB-Studie 73 Prozent der Käufer von CTV-Inventar angegeben, dass sie in diesem Jahr ihr Marketingbudget von traditionellem TV zu CTV verlagert haben. Ein Großteil des CTV-Inventars wird programmatisch vermarktet. Entsprechend müssen Vermarkter SSPs mit ihren Inventaren verknüpfen. „Aktuell zeichnet sich die Vermarkter-Landschaft im CTV noch durch ihre starke Fragmentierung aus. Dasselbe Inventar ist über mehrere Anbieter zugänglich, je nach gewünschten Konditionen der Deals“, sagt Puschmann. Somit müssen Werbetreibende unter Umständen sowohl mit CTV-App-Produzenten, TV-Sendern und Geräteherstellern sprechen, um Zugang zum größtmöglichen Inventar zu erhalten. Aggregatoren wie Showheroes bündeln diese Quellen und erleichtern es den Käufern, ihre Kampagne in einem einzigen Deal zu buchen.

SSPs spielen zentrale Rolle

Auch bieten nicht alle bekannten SSPs CTV-Inventar an, als Vorreiter in diesem Segment gelten Xandr, Magnite, Freewheel und Smartclip. Um Werbetreibenden einen noch besseren Zugang zum Inventar zu ermöglichen, hat zum Beispiel Rakuten Advertising angekündigt, künftig auch die Magnite SSP für die Vermarktung einzusetzen – eine der größten unabhängigen Sell-Side-Werbeplattformen. Und Visoon Video Impact, der CTV- und Big Screen-Vermarkter von Axel Springer und Viacom CBS, hat kürzlich bekannt gegeben, das CTV-Inventar von Pluto TV in Deutschland über Xandr Monetize verfügbar zu machen. Bei Waipu.tv kommen gleich mehrere SSPs zum Einsatz. Die Betreiberfirma Exaring vermarktet die CTV-Inventare von Waipu.tv mithilfe der eigenen Sales-Abteilung sowie über mehrere Vermarktungspartner. Dazu zählen vorwiegend bekannte SSP-Partner. Insgesamt sind rund zehn SSPs an der programmatischen Vermarktung der Inhalte beteiligt, alle relevanten Deal-Typen sind nach Aussagen des Vermarkters umsetzbar.

CTV künftig zielgruppenorientierter

Bild: Freewheel Tanno Krauß, Freewheel

Für die Zukunft sind die Marktplayer optimistisch gestimmt und sehen neue Möglichkeiten. „Eine große Chance für CTV ist die Entwicklung je nach Kontextfaktoren Pre-Targeting-Deals zu buchen“ sagt Tanno Krauß, Head of Demand Sales bei Freewheel. Mit solchen maßgeschneiderten und kuratierten Angeboten könnten Kunden das bestmögliche Engagement in der jeweiligen Zielgruppe erzielen. Im Hinblick auf die zukünftige Vermarktung von CTV macht Krauß auch auf die soziale Komponente des CTV-Konsums aufmerksam. „Wir gehen in der Regel davon aus, dass ein über die jeweilige App angemeldeter Benutzer sein ausgewähltes CTV-Angebot selbst schaut. In der Praxis werden wir jedoch durch Ereignisse wie die Euro 2020 daran erinnert, dass CTV ein soziales Medium ist.“ CTV habe das Wohnzimmer erobert, ganz gleich, ob es sich um eine Gruppe von Freunden handelt, die ein Sport-Event verfolgt, oder um ein Pärchen, das sich gemeinsam einen Film oder die Lieblingsserie anschaut. „Diese Faktoren müssen bei der Erstellung von zielgruppenorientierten Angeboten für CTV-Kampagnen berücksichtigt werden“, betont Krauß.

Befeuert dürfte diese Entwicklung durch die verbesserten Möglichkeiten der digitalen Aussteuerung werden, insbesondere das immer feinere Targeting könnte neue Werbekunden anziehen. „Absolut zeitnah erwarte ich, dass erweiterte Targeting-Optionen für CTV zum wesentlichen Bestandteil von Kampagnen werden“, sagt Puschmann. Bislang war CTV-Targeting nicht skalierbar und scheiterte an den Beschränkungen der CTV-Plattformen. Nun eröffnet sich allerdings die Möglichkeit, Content-basiertes Targeting zur Marktreife zu bringen. Im langfristigen Ausblick erwartet Puschmann, dass die steigende Nachfrage nach CTV-Inhalten durch immer neue Zuschauer dazu führt, dass wesentlich mehr Content produziert wird. „Exklusive Inhalte werden zum wichtigsten Alleinstellungsmerkmal avancieren. Damit schlägt die Stunde der Produzenten von hochwertigem Video-Content.“

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