Im Zuge zunehmenden Datenschutzes rücken Data Clean Rooms in den Fokus der Werbeindustrie. Sie versprechen Informationen verschiedener Partner datenschutzkonform und effektiv fürs Marketing zusammenzuführen, ohne dass die Beteiligten komplette Einsicht in die Daten nehmen können. Die großen Plattformen Amazon, Google und Facebook betreiben diese Räume schon seit einiger Zeit. Nun kommen neue Player hinzu. Anna Schenk, Managing Director EMEA vom Adtech-Unternehmen Semasio, erklärt im Interview, worin sich die Konzepte unterscheiden, wofür Data Clean Rooms eingesetzt werden können und welche Zukunft sie für die Technologie voraussieht.
ADZINE: Hallo Anna, wie würdest du das Konzept eines Data Clean Rooms in einem Satz beschreiben?
Anna Schenk: Ein Data Clean Room ist eine neutrale und geschützte Instanz, über die zwei oder mehrere Parteien ihre Daten sicher teilen und kombinieren können, ohne dabei die Rohdaten offenzulegen.
ADZINE: Data Clean Rooms werden als eine datenschutzkonforme Alternative für das datenbasierte Advertising ohne Third-Party-Cookies gesehen. Welche Anwendungsfälle können sie aktuell für Advertiser abdecken?
Schenk: Ein wesentlicher Use Case und Vorteil für Advertiser besteht darin, dass über die Data Clean Rooms bereits gute Insights generiert werden können. Indem Werbetreibende ihre First-Party-Daten in den Clean Room übertragen, bekommen sie die Möglichkeit mehr über ihre jeweiligen Zielgruppen, wie etwa Nutzer oder Käufer, zu erfahren. Anhand von Datenpartnerschaften lassen sich diese Learnings erweitern, zum Beispiel wenn die eigenen Daten mit denen anderer Media- oder Data-Owner kombiniert werden. Gleichzeitig bietet dies auch eine Chance für Unternehmen mit mehreren Brands ihre Daten innerhalb der Clean Rooms datenschutzkonform zusammenzuführen.
Darüber hinaus ermöglicht die Technologie eine übergreifende Messung des Kampagnenerfolgs entlang der Customer Journey. Dies ist hilfreich, um zu bestimmen, welche Marketingmaßnahmen funktionieren und wo Optimierungspotenziale bestehen. In Zukunft werden die Anwendungsmöglichkeiten weiter ausgebaut. Der nächste Schritt liegt in der besseren Anbindung des programmatischen Ökosystems. So können die generierten Insights direkt bei kooperierenden Media-Partnern aktiviert werden, zum Beispiel über Pre-Targeted Deals.
ADZINE: Welche verschiedenen Ansätze existieren für Data Clean Rooms? Welche Vor- und Nachteile bringen sie jeweils mit sich?
Schenk: Aus meiner Sicht lassen sich aktuell grob zwei Konzepte von Clean Rooms unterscheiden, die der Walled Gardens (Google, Facebook und Amazon), sowie die freien Clean Rooms von Anbietern wie Infosum oder Liveramp. Die Clean Rooms der Walled Gardens bieten den Vorteil aus einem großen Datenpool zu schöpfen und eine direkte Aktivierung in ihrem System zu ermöglichen. Im Wesentlichen handelt es sich allerdings um ein geschlossenes System, welche die Abhängigkeit zum Anbieter massiv erhöht.
Freie Clean Rooms hingegen bieten den Vorteil über Datenpartnerschaften unterschiedliche Daten-Sets miteinander zu kombinieren. Das führt dazu, dass wertvolle Insights gewonnen werden und sich getargetete Kampagnen flexibel aktivieren lassen. Die Freiheit seine Daten mit ausgewählten Partnern zu kombinieren gibt den Beteiligten einen gewissen Gestaltungsspielraum. Ein anfängliches Problem wird aber die Skalierbarkeit der freien Lösungen sein. Diese hängt stark davon ab wie sehr sich die Marktteilnehmer an dem Konzept freier Data Clean Rooms beteiligen werden.
ADZINE: Wie ist denn der aktuelle Stand? Von Anbieterseite aus hieß es letztens die Werbewirtschaft sei “fast” bereit für den Einsatz von Data Clean Rooms. Wie siehst du das? Inwiefern sind die Konzepte ausgereift und praxisfähig, insbesondere mit Blick auf Deutschland?
Schenk: Aus meiner Sicht sind Data Clean Rooms auch in Deutschland schon bereit für den Einsatz. Um diese dann auch zum Leben zu erwecken und für alle Stakeholder attraktiv zu machen, ist es wichtig, dass sich neben den Brands auch die Media- und Datenpartner öffnen, um gemeinsam in den Clean Rooms zu kooperieren. Dann werden diese virtuellen Räume echte Wertschöpfung erzeugen können.
ADZINE: Bringen die Clean Rooms Einstiegshürden mit sich? Wer kann sich den Einsatz leisten und für wen lohnt es sich? Vor allem: Für wen lohnt es sich nicht?
Schenk: Aus Sicht der Advertiser sollte man sich zuallererst bewusst machen, welche eigenen First-Party-Daten vorhanden sind, die man in den Clean Room einbringen möchte. Hinzu kommt, dass der Markt bereits sehr undurchsichtig ist und sich für die cookielose Zukunft viele verschiedene neue Lösungen im Markt formieren. Aus Sicht der Werbetreibenden ist es daher wichtig, den Überblick zu behalten und allein oder gemeinsam mit der Agentur das richtige Setup für die Zukunft zu finden. An erster Stelle sollte daher die Strategie für die cookielose Zukunft stehen und im zweiten Schritt geprüft werden, welches technologische Setup dafür nötig ist. Deshalb lohnt es sich auf jeden Fall für jeden Werbetreibenden Data Clean Rooms als einen Pfeiler im gesamten Prozess miteinzubeziehen.
ADZINE: Welchen Tipp kannst du Advertisern mit auf den Weg geben, die sich diesem Konzept annähern wollen?
Schenk: Advertiser sollten sich angstfrei mit der Thematik auseinandersetzen und sich auf neue Wege im Programmatic Advertising vorbereiten. Es entstehen durch die Data Clean Rooms spannende, neue Möglichkeiten Kampagnen zu testen und diese datenschutzkonform auszusteuern. Das ist eine hervorragende Chance, an der alle Marktteilnehmer mitwirken sollten.
ADZINE: Ein kleiner Blick in die Zukunft – können Data Clean Rooms auch dabei helfen, Sell- und Buy-Side im Programmatic Advertising zusammenzubringen?
Schenk: Definitiv. Wenn die Clean Rooms nicht nur zur Generierung von First-Party-Data-Insights für Werbetreibende gut sind, sondern sich zu einer echten, neutralen Plattform für mehrere Marktteilnehmer entwickeln, entfalten sie ihr volles Potenzial. Dann könnte eine solche Plattform in Zukunft erlauben datenbasierte Werbung auszusteuern, ohne dass Datenanbieter und Websites ihre Daten aus der Hand geben müssen. Werbetreibende und Agenturen sollten über einen Clean Room die Möglichkeit haben, ihre Zielgruppen weiterhin nach individuellen Bedürfnissen und unter Berücksichtigung von First-Party-Daten zu analysieren und zu definieren, um sie anschließend einheitlich über verschiedene, am Clean Room teilnehmende Medienangebote programmatisch aussteuern zu können. Damit ließe sich verhindern, dass wir in Zukunft zu antiquierten Konzepten zurückkehren, in denen Targeting einzig nach der Definition der Publisher eingekauft wird.
ADZINE: Danke für das Interview, Anna!
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