Austarierte Tech-Komponenten als Enabler moderner Datenstrategien
Anton Priebe, 21. Juni 2021Viele Unternehmen schauen derzeit sehr genau auf ihre Daten-Architekturen, um die eigene Marketing-Abteilung für die Zukunft zu wappnen. Immer wieder schwenkt der Blick dabei auch in Richtung der Customer-Data-Plattform (CDP), die als eines der möglichen Elemente für zukunftsfähige Marketing-Baupläne gehandelt wird. Joachim Stalph leitet den Kölner Standort der Unternehmens-Beratung Elaboratum und spricht im Interview über den Weg hin zu einer effektiven Datenstrategie. Dabei kommt der Spezialist für digitales Business und Cross-Channel-Strategien sowohl auf die Kerndisziplinen einer solchen Strategie, Walled Gardens als auch CDPs zu sprechen.
ADZINE: Hallo Joachim, starten wir mit einer Frage aus deinem Berufsalltag: Wie sieht der typische Bauplan für das Gerüst aus, das eine effektive Datenstrategie möglich macht? Was gehört dazu?
Stalph: Den einen Bauplan gibt es in der Tat leider nicht. Dafür hängen Datenstrategien zu sehr an Rahmenbedingungen wie Größe des Unternehmens, Branche, aber auch dem Traffic. Eine effektive Datenstrategie erstreckt sich jedoch immer über drei Kerndisziplinen, die ein Unternehmen für sich organisieren muss:
Daten-Input – was sind Daten-Quellen, welche Datenbestände sind offline sowie online vorhanden und wie oft werden Datensätze aktualisiert? Und wie ist die Vorgehensweise zur Identity Resolution?
Daten-Prozessierung – sind Audiences und Segmente definiert, gibt es eine vorhandene Kundenklassifizierung und wie werden Customer Lifetime Value oder Predcitions berechnet?
Daten-Aktivierung – welche Kanäle sind im Einsatz, wie erfolgt die Datenübermittlung, welche Usecases werden bedient und welches Attributionsmodell ist im Einsatz?
Ergänzend ist das Thema ‘Technologie’ zu nennen, das sozusagen die rahmengebende Disziplin ist. Schlüsselfrage hier ist, wie eine ideale Daten-Architektur aussieht. Also welche Komponenten müssen wie gut zusammenspielen – CRM, ERP, DMP, CDP, CMP et cetera –, um die Datenstrategie des Unternehmens bestmöglich zu unterstützen.
In unseren Projekten arbeiten wir immer sehr nah an diesen Disziplinen und können je nach Fragestellung und Maturität des Unternehmens in die Disziplinen einsteigen. Als besonders hilfreich hat sich bisher gezeigt, über einen Audit eine Bestandsaufnahme der Daten-Architektur und -Strategie durchzuführen. Auf Basis dessen kann man je nach Ergebnissen mit der Optimierung der größten Schmerzpunkte beginnen und dabei das Gesamtbild im Blick behalten.
ADZINE: Die Implementierung von neuer Technologie dauert in der Regel sehr lange. Wie stelle ich fest, ob ich mich mit meinem Vorhaben in die richtige Richtung bewege? Wie schaffe ich auf dem Weg konkrete Use Cases zur Kontrolle?
Stalph: Unsere klare Empfehlung ist hier eine agile und iterative Vorgehensweise. Es geht nicht darum, im ersten Schritt ein möglichst mächtiges und umfassendes Tool auszuwählen und über Monate in die bestehende Architektur zu implementieren, sondern die wichtigsten Usecases zu identifizieren und diese Schritt-für-Schritt zu implementieren. Hier kann auch ein MVP hilfreich sein. Im Kontext Daten bedeutet dies einen Usecase zunächst auf Basis weniger Datenquellen umzusetzen. Häufig genügen schon wenige Daten-Quellen, um erste Usecases erfolgreich zu testen und das Potenzial weiterer Usecases abzuschätzen.
ADZINE: Angesichts der Walled Gardens heißt es immer wieder, dass man seine Daten ins eigene Unternehmen zurückholen soll. Wie gehe ich das an? Und kann mir eine CDP dabei helfen, die Datenhoheit zurückzugewinnen?
Stalph: Wir sehen insgesamt die Herausforderung, dass viele Unternehmen in den letzten Jahren stark auf externe Agenturen sowie Marketingplattformen gesetzt haben, um die User-Kommunikation für sie zu übernehmen. Über diese Externalisierung haben die Unternehmen versäumt eigenes tiefes Wissen über User, Kunden und deren Journeys aufzubauen. Wir möchten in unseren Beratungsprodukten unsere Kunden enablen, sowohl über eine passende Strategie und als auch eine Architektur und entsprechende Usecases, die Datenhoheit zurückzugewinnen und damit das Wissen über User und Kunden wieder zu internalisieren.
Es geht darum die Kontrolle über die erhobenen Daten zu haben, und eigenes Wissen – User Intelligenz – aufzubauen. Mit Blick auf die Walled Gardens wird gerade das Thema ‘Kontrolle’ ad absurdum geführt. Ja, man hat die Kontrolle schnell und kurzfristig Mediaeinkäufe zu tätigen, um somit Klicks und Impressions zu generieren. Hinsichtlich Unabhängigkeit, Datenhoheit und Transparenz stehen die Walled Gardens jedoch diametral zu dem, was für eine Brand wichtig ist! Die Daten, die sich hinter den Marketingplattformen befinden, gehören aber nicht dem Werbetreibenden, sie werden mit den Daten der Konkurrenz zusammengeführt. Das bedeutet, dass Marken auch die Performance ihrer Konkurrenten positiv mitbestimmen.
Um dem entgegenzuwirken, fördern wir in unseren Projekten den Aufbau einer eigenen First-Party-Daten-Strategie. Ziel dieser Strategie ist es möglichst umfassendes Wissen über User und Kunden aufzubauen und dieses intelligent in der Kommunikation, onsite und offsite, zu aktivieren.
Eine CDP ist eine mögliche Komponente einer First-Party-Daten-Strategie und fördert in einer Daten-Architektur Werte wie Unabhängigkeit, Datenhoheit und Transparenz. Hierfür nimmt die CDP in der Architektur eine zentrale Rolle ein und kann in allen drei Disziplinen einer effektiven Daten-Strategie – Input, Prozessierung und Aktivierung – wirken, je nach eingekauftem Tool und Integration in die Architektur.
ADZINE: Welche organisatorischen Veränderungen im Unternehmen bringt der Einsatz einer CDP mit sich?
Stalph: Wenn ein Unternehmen seine Daten-Strategie bewusst angeht und optimieren möchte, dann analysieren wir in unseren Projekten auch immer den digitalen Reifegrad des Unternehmens hinsichtlich Organisation und Prozesse. Häufig sehen wir, dass Unternehmen in Silos organisiert sind und eine Team-übergreifende Zusammenarbeit wenig gefördert wird. Genau dies wird aber für die Umsetzung einer effektiven Daten-Strategie benötigt. Mitarbeiter aus verschiedenen Gewerken – Analytics, BI, Performance Marketing, Konzeption, Tool-Spezialisten, UX, Redakteure, Testing et cetera – sollten in interdisziplinären Teams zusammenarbeiten und die identifizierten Usecases gemeinsam angehen und umsetzen.
Das Team verantwortet die bereits genannten relevanten Disziplinen für ein kundengetriebenes Marketing, also Daten-Input,- Prozessierung und -Aktivierung. Der Fokus des Teams ist sehr Sales-getrieben, nämlich die Erhöhung der Sales durch den intelligenten Einsatz von Wissen über Nutzer und Kunden. Ein weiteres Ziel ist meist die Optimierung der Serviceprozesse.
ADZINE: Vielen Dank für die spannenden Insights, Joachim!