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MOBILE

App Advertising, Targeting und Tracking der Zukunft

Anton Priebe, 10. Mai 2021
Bild: Denis Cherkashin – Unsplash

Das Werbeökosystem verändert sich derzeit grundlegend. Nachdem die Browser-Anbieter für Desktop und Mobile Web bereits Schritte unternommen haben, die Datenerfassung und personalisierte Werbung schwieriger gestalten, ist Apple erneut vorgeprescht und beschränkt das Marketing im App-Universum. Nicht nur die Third-Party-Cookies stehen unter Beschuss, auch die Nutzung von Mobile-Advertising-IDs scheint in Zukunft nur noch bedingt möglich. Bislang betrifft dies lediglich iOS-Umgebungen, doch ähnliche Züge von Google gelten als wahrscheinlich. Zu den eigenmächtigen Maßnahmen der großen Player wie Apple und Google gesellen sich allgemein verschärfte Datenschutzbestimmungen vonseiten des Gesetzgebers. Die zukünftigen Möglichkeiten im App-Universum hinsichtlich Advertising, Targeting und Tracking sind zwar nur begrenzt absehbar, dennoch ist die Werbeindustrie nicht unvorbereitet.

Bild: Masterplan Media Jana Kordt, Datazulu

“Wir beobachten die Entwicklungen zum Thema iOS 14.5 schon länger, daher trifft uns als Agentur der Rollout des Updates nicht völlig unerwartet”, sagt Jana Kordt, Senior Manager Data Excellence bei der Tech-Beratung Datazulu, zu Apples ATT. “Auch wenn man bei Apple-Usern von einer kaufkräftigen Zielgruppe spricht, sollten sich die Auswirkungen – zumindest auf den absoluten Anteil betrachtet – in Grenzen halten.” iOS-User würden in Deutschland aktuell einen Marktanteil von 30 Prozent ausmachen, was zu einigen Konsequenzen im Kampagnenmanagement führen würde. Kordt nennt beispielsweise sinkende Reichweiten bei Retargeting- und Audience-Kampagnen, Einschränkungen für Reportings, kompliziertere Optimierung und generell steigende Preise.

Deswegen sollten Advertiser ihrer Meinung nach aktuell ihre Opt-in-Raten für die IDFA-Nutzung optimieren und neben User-basiertem Targeting auch auf umfeldbasiertes sowie kontextuelles Targeting setzen. Identity-Lösungen wie Haushaltsgraphen, Cookieless-User-Graphen oder Same-Device-Graphen böten derzeit Alternativen zum Einsatz der IDFA, wobei auch an neuen Lösungen gearbeitet werde.

Targeting-Anbieter finden neue Wege

Bild: Ogury Jan Heumüller, Ogury

Ogury, ein Adtech-Unternehmen das sich selbst als “Advertising Engine” bezeichnet, bietet als Antwort bereits ein alternatives Targeting an. Dies stützt sich einerseits auf das Umfeld, also semantische und kontextuelle Datenpunkte plus aktuelle Interaktionen, greift aber andererseits auch auf eigene Nutzerdaten aus der Vergangenheit zurück. “Wir haben jahrelang Consent-basiert die Mobile Journey der Nutzer analysiert und registriert, welche Apps sie installieren, wie sie diese einsetzen und welche mobilen Websites sie besuchen”, erklärt Jan Heumüller, Managing Director Central Europe von Ogury. “So können wir beispielsweise feststellen, dass Nutzer, die eine bestimmte News-App installiert haben, auch überproportional häufig Gesundheits- oder Fitness-Apps nutzen. Das ist ein zusätzlicher Layer an Verifizierung für uns, dass wir die richtige Person targeten, wenn wir zum Beispiel Werbung für eine Yoga-Brand ausspielen.”

Zusätzlich werden die Umfelder und die eigene Datenbasis kontinuierlich mit Umfragen validiert. “Wir liefern ständig Umfragen über unser Inventar aus mit ganz allgemeinen Fragen wie ‘Wie oft treibst du Sport?’ oder ‘Machst du Yoga?’. So sehen wir zum Beispiel, dass in der News-App eher sportinteressierte Personen surfen.” Für konkrete Kampagnen werden im Vorfeld auch speziellere Fragen gestellt, wie etwa “Suchst du gerade ein neues Auto” oder “Wie alt ist dein Smartphone?”.

Einen weiteren Ansatzpunkt zur Validierung von Umfeldern liefern die Interaktionen mit den dortigen Impressions. Die Yoga-Marke sollte etwa dort werben, wo Werbevideos aus der Kategorie Sport überproportional oft zu Ende geschaut oder geklickt werden. “Wir targeten im Endeffekt also die Ad Impression und nicht mehr den einzelnen Nutzer”, so Heumüller.

Alternative Messansätze für Kampagnen

Bild: Remerge Pan Katsukis, Remerge

Mit kreativem Targeting ohne ID hat sich App-Retargeting-Spezialist Remerge schon länger auseinandergesetzt. Pan Katsukis, CEO und Co-Founder von Remerge, stellt jedoch klar: “Retargeting ohne ID funktioniert nicht. Es gibt zwar technische Möglichkeiten wie Fingerprinting, aber die sind klar gegen die Richtlinien der Store-Betreiber. So riskiert der Kunde, aus dem Store zu fliegen oder wir selbst verlieren unsere Certified Partner ID von Apple.” Deswegen gehe es eher darum zu verstehen, was das Ziel der Brand ist, und dieses Ziel ohne ID, etwa mit dem Kontext, zu erreichen. “Im Grunde genommen versucht man eine Reihe an anderen Attributen abzugreifen, zum Beispiel die Beschreibung der App oder die aktuelle Uhrzeit, und mit guten Creatives zu arbeiten, sodass der richtige User die App installiert und im Idealfall einen Einkauf tätigt”, so Katsukis.

Um den Erfolg der Kampagnen messen zu können, bedient sich Remerge seines Incrementality-Produkts. “Das basiert auf einem relativ bekannten Setup aus der Wissenschaft, zum Beispiel aus der Pharma-Industrie. Dort arbeitest du mit einer Test- und eine Kontrollgruppe. Die einen bekommen ein Placebo und die anderen das echte Arzneimittel. So kannst du die Wirkung prüfen”, erklärt Katsukis. Übersetzt man das in die Marketingwelt, sieht nur eine Gruppe ein Werbemittel, während das andere keins ausgespielt bekommt. Die Wirkung auf Conversion Rate und Return on Ad Spend soll so ersichtlich werden, vorausgesetzt, die Gruppen sind homogen. Für deren Einteilung dienen First-Party-Daten der Kunden und Parameter der Supply-Partner.

Apple selbst stellt zur Messung des Kampagnenerfolgs sein SKAdNetwork zur Verfügung. Der Konzern bereitet die User-Daten allerdings so auf, dass sie nicht mehr auf den einzelnen Nutzer heruntergebrochen werden können. Außerdem gibt er sie zeitverzögert raus, im Falle der App-Installation 24 Stunden und für In-App-Aktionen bis zu 72 Stunden später. Das erschwert wiederum die Optimierung der Kampagnen. Als Gewinner von ATT stehen daher Mobile Measurement Partner da, die Conversion-Modellierung für User ohne Tracking-Einwilligung anbieten, glaubt auch Jana Kordt.

Googles MAID als Auslaufmodell und DSGVO-Unsicherheiten

Pan Katsukis ist überzeugt davon, dass Google bald ähnliche Schritte wie Apple für sein Android-Universum einleiten wird. “Die Chrome-Teams definieren Privacy – das sieht man ja momentan in der Web-Welt – über Audiences und nicht über IDs. Android wird bestimmt nachziehen, aber dafür einen funktionierenden Ersatz anbieten im Gegensatz zu Apple”, so Katsukis.

Bild: Addapptr Alexander von der Geest, Addapptr

“Wir sehen neben Apples iOS-14-Initiative im Moment keine weiteren Verschärfungen im App-Bereich”, meint hingegen Alexander von der Geest, COO und Co-Founder bei der App-Monetarisierungs-Plattform Addapptr. Interessant sei jedoch, dass erstmals im App-Bereich ein “privater” Player so massiv in den Datenschutz eingreife. Er sieht Probleme am Horizont, was die Vorgaben der DSGVO angeht. “Bislang war das Ökosystem damit beschäftigt, staatliche Vorgaben umzusetzen. Leider ist die regelgerechte Umsetzung der DSGVO nach wie vor noch nicht klar. Es herrscht immer noch Unsicherheit über die genaue Gestaltung der Abfrage”, so von der Geest. Die Ansichten der verschiedenen Aufsichtsbehörden von Österreich bis Frankreich gingen weit auseinander. “Die französische CNIL etabliert zum Beispiel Prüfpflichten des Vendors in Bezug auf die Nutzung einer CMP durch Publisher, während beispielsweise das Kopplungsverbot in Österreich weit ausgelegt wird.” Außerdem sei unklar, wie sich das Zusammenspiel der iOS-Consent-Abfrage und der Abfrage nach DSGVO verhalten würde. “Muss der Nutzer jetzt wirklich zweimal hintereinander gefragt werden? Widerspricht das nicht dem Sinn der DSGVO? Wird dadurch die rechtlich bindende Abfrage eventuell relativiert? Es stellen sich in der Praxis für den Publisher so viele Fragen, dass es keine einfachen Lösungen gibt.”

Das Inventar ohne Zustimmung nach DSGVO und ohne technischen Zugriff auf die IDFA nehme jedenfalls zu. “Das Targeting wird komplexer, die Erfolgsmessung wird schwieriger, die Vermarktung wird aufwendiger”, schließt von der Geest.

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