Das Ende des Cookies - oder besser: das Ende von technografischen IDs, zu denen auch die Mobile Device ID gehört - sorgt täglich für neuen Diskussionsstoff. Nicht zuletzt durch die jüngsten Maßnahmen der “Adtech-Größen”, wie zum Beispiel die starke Einschränkung der Device ID seitens Apple, die im April gelauncht wurde, oder aber die Entwicklungen rund um die Google Chrome Privacy Sandbox als Cookie-Alternative.
Obwohl niemand weiß, was genau ab 2022 passieren wird, sind zwei Punkte schon jetzt klar: Erstens, das Ende von Third-Party-Trackern stellt eine Zäsur in der Adtech-Welt dar und wird einiges auf den Kopf stellen. Zweitens, schon jetzt existieren eine Vielzahl an Lösungen und Ideen, die personalisierte Werbung auch weiterhin ermöglichen werden. Die für Werbetreibende am vielversprechendsten setzen auf eine direkte Kundenbeziehung und mehr Transparenz für Online-User.
Um es etwas greifbarer zu machen, stelle ich mir gerne ein klassisches Verkaufsgespräch zwischen Kunde und Verkäufer vor. Kunden haben verschiedene Präferenzen: Manche haben sich bereits detailliert informiert, andere beschäftigen sich gerade zum ersten Mal mit einem Produkt oder wollen einfach nur schnell eine Erledigung machen. Die Aufgabe des Verkäufers ist es, Fragen zu stellen und die Antworten des Kunden möglichst schnell zu deuten, um so auf die Situation zugeschnittene Informationen bereitzustellen und das nötige Vertrauen für einen Kauf zu schaffen. Das gleiche Ziel verfolgen Werbetreibende in digitalen Medien mittels “Customer Journey Touchpoints” und Datensignalen.
Ein wichtiger Bestandteil des klassischen Verkaufsgesprächs ist die direkte Beziehung zwischen Kunde und Verkäufer. Im Grunde können Kunden bei jeder Frage des Verkäufers frei darüber entscheiden, was und ob sie antworten. Und an dieser Stelle bricht die Analogie zwischen Verkaufsgespräch und digitalem Erlebnis. Denn (bisher) haben Nutzer häufig nicht genügend Transparenz und Kontrolle, um zu entscheiden, mit wem sie welche ihrer Daten teilen wollen.
Vier zukunftsweisende Technologien abseits von Third-Party-Trackern
Regulierungen und neue Targeting-Lösungen zielen im Kern darauf ab, wieder eine direktere und nachvollziehbare Verbindung zwischen Kunden und Verkäufern herzustellen, bei der die Bedürfnisse und Präferenzen der Kunden stärker in den Mittelpunkt rücken. Um eine bessere Orientierung in der neuen ID-Landschaft zu ermöglichen, unterscheiden wir im Folgenden vier Hauptbereiche bzw. Technologien, die das Potenzial haben, das Third-Party-Tracking abzulösen. Werbetreibende sollten dazu in der Lage sein, Chancen und Risiken dieser Lösungen einzuschätzen, um für sich zu bewerten, welche Maßnahmen für sie zukünftig in Frage kommen.
Publisher IDs
Viele große Publisher haben sich über die letzten Jahre eine Basis von eingeloggten Nutzern aufgebaut. Diese “Authentifizierte Zielgruppe” kann jetzt durch die Nutzung von First-Party-Cookies - oder einer analogen Technologie - genutzt werden, beispielsweise über Programmatische Guaranteed oder Private Deals. Publisher IDs bieten auf Grund der direkten Kundenbeziehungen eine gute Alternative zu Third-Party-Cookies, vorausgesetzt Publisher besitzen die nötige Reichweite und aktivierbare, relevante Datensignale.
Universal IDs
Hierbei handelt es sich technisch gesehen um eine elegante Lösung, die gehashte E-Mail-Adressen von verschiedenen Publishern nutzt, um einen gemeinsamen Identifier zu bilden, der analog zum auslaufenden Third-Party-Cookie funktioniert und ebenso auf der Zustimmung (“Consent”) des Nutzers basiert. Einige Anbieter erweitern ihr Angebot auch um eine probabilistische Komponente für Zielgruppen, deren Mailadresse unbekannt ist.
Aus Werbetreibenden- und Vermarktersicht verändert sich der Prozess kaum, gleichzeitig stellen Mailadressen im Vergleich zu Cookies sehr persistente Identifikatoren dar, die leicht zwischen verschiedenen Systemen übertragen werden können. Google hat in einem Blogpost bekannt gegeben, solche Arten von IDs in Zukunft nicht zu unterstützen. In Worten: “We don’t believe these solutions will meet rising consumer expectations for privacy, nor will they stand up to rapidly evolving regulatory restrictions''. Während viele Marktteilnehmer Universal IDs unterstützen, sollten diese Bedenken auch durch Werbetreibende in Betracht gezogen werden.
Walled Garden IDs
Globale, nutzerzentrierte Plattformen besitzen durch ihre eigenen Mediaökosysteme einen reichen Fundus an “eingeloggter” Kundenbeziehungen. Besonders ihre Reichweite und adressierbaren Zielgruppensegmente machen Walled Gardens auch in Zukunft zu mächtigen Marktteilnehmern. Sie haben außerdem die Möglichkeit, Nutzern transparent Zugriff auf die Verwaltung ihrer Daten zu geben. Das sollten wir alle weiter streng beobachten. Der Nachteil von Walled Garden IDs ist die fehlende Interoperabilität, was zum Beispiel eine holistische Erfolgsmessung erschweren wird.
Privacy Sandbox
Das Google Chrome Team hat eine Reihe von Vorschlägen zu datenschutzorientierten API-Lösungen entwickelt, die die Nutzung von User-IDs obsolet machen sollen. Darunter Lösungen für Retargeting (FLEDGE), Interessentargeting (FLOC) und Conversion Tracking. Die Privacy Sandbox beinhaltet das Potenzial, Identifizierung auf Benutzerebene fast vollständig abzuschaffen, während die Adressierbarkeit über aggregierte Kohorten nahezu vollständig erhalten bleibt. Im Moment existieren viele leidenschaftliche Diskussionen, ob erhöhter Datenschutz auch tatsächlich der Fall sein wird. Fakt ist: Die Privacy Sandbox befindet sich momentan noch im Entwicklungsstadium, sodass noch viele Änderungen und Diskussionen anstehen, bevor wir einschätzen können, ob und wie diese Lösungen in unserer Industrie Anwendung finden.
Was Werbetreibende jetzt tun sollten
Panik ist ein schlechter Ratgeber! Die Werbeindustrie war schon immer schnelllebig und hat sich bereits in der Vergangenheit häufig grundlegend verändert. Jetzt ist der Zeitpunkt, sich einen Überblick zu verschaffen und in Frage kommende Lösungen konsequent zu testen. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass sich am Ende eine einzige Lösung durchsetzen wird.
Brands sollten sich nicht ausschließlich darauf fokussieren, was das neue geltende Recht ist, sondern aktiv an einem eigenen Wertesystem in Bezug auf Datennutzung und Kommunikation arbeiten. Wann werden Nutzerdaten erhoben, wie transparent können Nutzer dies nachvollziehen und was haben Konsumenten eigentlich im Gegenzug davon, ihre Daten bereitzustellen? So können neue Datenlösungen anhand des eigenen Markenversprechens eingeordnet werden.
Sobald diese Fragen geklärt sind, empfehle ich die Durchführung eines Datenaudits. Da vor allem direkte Kundenbeziehungen immer wichtiger werden, sollten dabei auch First-Party- bzw. CRM-Daten im Mittelpunkt stehen. Die eigene technologische Infrastruktur sollte sowohl dazu in der Lage sein, Daten regelkonform und akkurat zu messen als auch über die nötigen Schnittstellen beispielsweise zu Mediaeinkaufssystemen verfügen, um gesammelte Daten in Kampagnen nutzbar zu machen.
Letzten Endes geht es Werbetreibenden wie in der Analogie am Anfang beschrieben weiterhin darum, ein für Kunden möglichst relevantes und zielführendes Gespräch zu bieten. Dafür benötigen Marken eine zukunftsorientierte Datenstrategie, die sowohl den Wert von freiwillig offenbarten, persönlichen Präferenzen ausschöpft (First-Party-Daten aus direkten Beziehungen), als auch in der Lage ist, bisher unbekannte potenzielle Kunden eloquent anzusprechen (zum Beispiel über kontextuelle, nicht personenbezogene Datenpunkte).
Große Veränderungen werden häufig zunächst mit hohem Aufwand gleichgesetzt. Ich selbst bin davon überzeugt, dass die aktuellen Entwicklungen in der Werbeindustrie aber vor allem eine Chance beinhalten, neues Vertrauen in digitale Werbekanäle aufzubauen, indem sie zu einer besseren und vor allem respektvollen Kommunikation zwischen Marken und ihren Kunden beitragen. Werbetreibende, die die kommenden Veränderungen annehmen und aktiv an einer zukunftsfähigen Marketingstrategie arbeiten, werden den Wertbeitrag ihrer Marketingmaßnahmen so in Zukunft noch steigern können.
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