Dynamic Spot Insertion lautet das Zauberwort der Stunde, wenn es um Werbeschaltung in Audio-Formaten, vor allem in Podcasts geht. Im Gegensatz zum Live-Radio werden Podcasts meistens asynchron rezipiert. Der Hörer drückt dann auf Play, wenn er Lust dazu hat. Das macht es für die Werbung kompliziert, denn jede Form des Advertisings, die fest im Stream verankert ist, droht zu veralten. Dennoch wollen die Advertiser gerade das Evergreen-Potential erfolgreicher Podcasts nutzen. Die Lösung: Spots werden erst dann in den Podcast eingebaut, wenn er heruntergeladen oder abgerufen wird.
ADZINE: Frau Jürgens, wie ist der Prozess, wenn ein Werbungtreibender programmatisch Ad Insertion buchen will?
Tina Jürgens: Um Missverständnisse zu vermeiden: Wir arbeiten beim Format Podcast noch nicht mit Programmatic Advertising, da die Möglichkeiten im Podcast noch nicht mit anderen Formaten wie zum Beispiel im Bereich Video vergleichbar sind. Wir haben zwar mit der Dynamic Ad Insertion technische Voraussetzungen geschaffen, uns fehlen aber beispielsweise noch durchgehend qualitativ hochwertige Werbemittel.
Wenn sich Werbetreibende für Podcast-Werbung über uns entscheiden, werden die Werbemittel über Dynamic Ad Insertion ausgespielt. Wir sind als Vermittler die Schnittstelle zwischen Werbetreibenden und Podcastern und beraten beide Seiten bei diesem Thema.
ADZINE: Welche technischen Lösungen gibt es, um die Spots möglichst reichweitenstark auszuspielen und geht das mit allen Plattformen?
Jürgens: Wir haben im letzten Jahr zusammen mit unseren Technik-Partnern eine eigene Lösung für die Dynamic Ad Insertion, also die Adserver-basierte Werbeausspielung, entwickelt, mit der Werbetreibende ihr Inventar flexibel vermarkten können. Unsere Lösung funktioniert plattformunabhängig. Das war uns wichtig, weil wir den Markt für alle Teilnehmer offen halten wollen. Reichweite spielt dabei natürlich eine Rolle, ist aber nicht das einzige, wichtige Kriterium. Auch ein Podcast mit einer geringeren Reichweite kann für eine Kampagne geeignet sein, wenn die Zielgruppe stimmt.
ADZINE: Zur Auswahl des „richtigen“ Podcasts setzen Sie auf automatische, semantische Analyse?
Jürgens: Genau. Gerade bei Gesprächs-Podcasts können sich die Themen der einzelnen Episoden stark voneinander unterscheiden. Programmatisch kann man dann aber trotzdem den passenden Werbepartner für die entsprechende Episode finden. Aber nochmal: Es gibt zwar schon Unternehmen, die so arbeiten, aber die Infrastruktur ist noch nicht ausgereift. Ein weiteres Problem ist, dass es momentan noch nicht die Werbepartner und entsprechend passenden Werbemittel dafür gibt.
ADZINE: Welche Plattformen liefern bessere Daten als andere?
Jürgens: Am Ende erhalten wir von allen Plattformen mehr oder weniger das Gleiche, aber jeweils basierend auf ihren Datenmodellen. Wir bekommen grundlegende demografische Daten und Nutzungszahlen, wie zum Beispiel die Durchhörquote. Wir wissen aber, dass diese Plattformen noch mehr Daten sammeln und hätten gerne viel detailliertere Informationen über die Nutzer. Zum Beispiel wüssten wir gerne, welche Podcasts eine Hörerin sonst noch konsumiert, die eine bestimmte Episode gehört hat.
Natürlich muss das Sammeln von Daten dem Datenschutz entsprechen. In diesem Punkt haben wir in Europa eingeschränktere Möglichkeiten, als es beispielsweise in den USA der Fall ist. Daher können wir momentan auch nicht den Detailgrad bei der Konzeption von Kampagnen und der Kampagnenauswertung erreichen, wie es ein Unternehmen wie Chartable am US-Markt tut.
ADZINE: Aber das entwickelt sich doch. Die SSPs von Spotify und RMS sind ja da.
Jürgens: Ja, sie sind da, aber ich persönlich glaube, dass wir noch detailliertere und breiter gefächerte Daten von den Plattformen erhalten könnten, als es momentan der Fall ist.
ADZINE: … damit man endlich 1:1-Targeting machen kann?
Jürgens: Nein, darum geht es nicht unbedingt. Unserer Erfahrung nach wollen unsere Kunden das in der Praxis gar nicht. Wenn das Targeting zu granular wird, dann geht die Reichweite verloren. Und das ist zu diesem Zeitpunkt der Marktreife so auch noch gar nicht unbedingt notwendig. Wenn wir es schaffen, die Reichweiten stark zu vergrößern, kann man natürlich weiter in Richtung mehr Granularität denken.
ADZINE: Welche Daten finden Sie besonders spannend?
Jürgens: Es gibt eine ganze Reihe an Daten, die spannend sind. Je mehr wir zum Beispiel darüber lernen, welche verschiedenen Podcasts eine einzelne Nutzerin hört, desto eher verstehen wir, was für ein Mensch am Endgerät sitzt. Interessant ist dann im nächsten Schritt, welche weiteren Bedürfnisse in Richtung Content oder auch Nutzung die Hörerin hat.
ADZINE: Steht das Konzept des Host-Read nicht dem Bedarf nach Reichweite im Weg?
Jürgens: Bei diesem Thema gibt es noch immer ein Missverständnis. Der Host-Read wird noch oft als Werbemittel mit einem „Live-Charakter“ wahrgenommen. Dabei muss er nicht für eine spezifische Episode produziert werden. Und er ist auch nicht mehr untrennbar, also baked-in, mit einer Episode verknüpft. Genau dafür haben wir Dynamic Ad Insertion, die den technischen Weg der Verteilung von Werbemitteln beschreibt. Über Dynamic Ad Insertion können nicht nur Radio-Spots oder Native Ads distribuiert werden. Auch Host-Reads werden vorproduziert und dann dynamisch in passende Episoden ausgesteuert. Ein Werbetreibender kann so zu einem späteren Zeitpunkt Host-Reads buchen, die dann auch in ältere Episoden integriert werden, die ja nach wie vor gehört werden. Das steigert signifikant die Reichweite.
Die Technik ist da, jetzt gilt es die Werbeindustrie mitzunehmen. Niemand muss sich mehr auf eine Episode zum Zeitpunkt X festlegen.
ADZINE: Was ist denn dann ein Native Audio Ad?
Jürgens: Ein Native Audio Ad ist eine Produktion im Stil eines Host-Reads. Es befinden sind dann kaum „schreiende“ Elemente und Jingles darin. Meistens produzieren wir ein Native Ad mit einem männlichen Sprecher und einer weiblichen Sprecherin.
ADZINE: Daten könnte man auch zum Grundelement des Werbemittels machen. Wir reden schon seit mehreren Jahren über Dynamic Audio Ads.
Jürgens: Ja, das ist schon seit längerer Zeit ein Thema, aber ehrlich gesagt gibt es auch dafür momentan keinen großen Markt. In diesem Zusammenhang sprechen wir ja auch über eine Art der Personalisierung, die einerseits aufwändig zu produzieren ist und gleichzeitig heruntergebrochen auch wieder eher kleine Reichweiten anspricht.
Was ich viel spannender finde, ist dynamischer Content. Man kann mit einem relativ geringen Aufwand einen redaktionellen Mantel für einen Podcast bauen und dann zum Beispiel regional unterschiedliche Inhalte einfügen. In den USA gibt es die ersten Versuche von Verlagen, die Regionalität wie eine Audio Ad integrieren. Dies wird dann als Dynamic Creative bezeichnet und nicht als Dynamic Advertisement.
ADZINE: Wie wird der Erfolg von Kampagnen nachgehalten, welche Mess-Metriken gibt es?
Jürgens: Wir messen den Erfolg einer Kampagne an den gängigen Reporting-Standards wie Episoden-Reichweite in Streams und Downloads, ausgelieferten Ads und Skip-Rates sowie demografische Daten der Hörer, soweit wir dies von den verschiedenen Plattformen zur Verfügung gestellt bekommen. Wir können natürlich auch die Tracking-Pixel der Partner mit integrieren. Darüber hinaus schlüsseln wir die geografische Verteilung der Hörer auf und auch, welches Endgerät genutzt wurde.
ADZINE: Wie sollte sich ein Advertiser, der nun auf den Geschmack gekommen ist, mit dem Format Podcast auseinandersetzen?
Jürgens: Er sollte sich erst einmal persönlich mit dem Format Podcast beschäftigen und einige Episoden hören. Wenn man einmal verstanden hat, was für ein tolles Medium Podcast ist, dann kommen die Ideen für die Verbindung zur eigenen Marke von ganz allein. Ansonsten hilft es immer, sich von Experten beraten zu lassen.
ADZINE: Frau Jürgens, vielen Dank für dieses Gespräch.
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