Die Digitalisierung beschert der Werbewelt zwar viele neue Möglichkeiten in der Ansprache der Konsumenten, macht die Dinge allerdings für alle Seiten auch sehr viel komplexer. Insbesondere die digitale Vermarktung ist in Zeiten von Programmatic Advertising kompliziert. Publisher arbeiten mit verschiedenen Technologieanbietern zusammen und müssen stets den Überblick über ihre Produkte behalten. Vor allem aus kaufmännischer Perspektive ist das Management und die Abrechnung von Kampagnen eine Herausforderung. Alban Grossenbacher, Gründer und CEO von Gotom, erklärt im Interview wie die Schweizer Software diese Prozesse unterstützt.
ADZINE: Hallo Alban, magst du in ein, zwei Sätzen kurz beschreiben, was hinter Gotom steckt?
Alban Grossenbacher: Hinter Gotom steckt eine moderne Order-Management-Software für die digitale Vermarktung. Wir Gründer haben jahrelang selber bei Vermarktern gearbeitet und erkannt, wie aufwändig die händischen Prozesse, vor allem die kaufmännischen, dort sind und bieten das als standardisierte Lösung an. Das geht von der Angebotserstellung bis zur Mandantenabrechnung am Schluss.
ADZINE: Was vereinfacht ihr für Publisher und Vermarkter im Programmatic Advertising konkret? Kannst du Beispiele nennen?
Grossenbacher: Wir steuern die kaufmännischen Prozesse, bevor die Daten in ein Auslieferungssystem wie Ad Server oder Supply-Side-Plattformen (SSPs) übertragen werden. Das heißt wir bringen Preise und Produkte mit Kunden zusammen, pushen die Kampagnen in die Systeme und kümmern uns nach erfolgter Auslieferung um die korrekte Verbuchung der Umsätze.
Zum einen geht es dabei um die Produkt- und Preislistenverwaltung. Dies wird bei uns im System abgebildet, zum Beispiel in Form der Preistypen wie CPM, CPC, CPcV mit Targeting-Zuschlägen et cetera. Die Kunden sind bei uns mit den Media-Konditionen hinterlegt, also etwa Agenturprovisionen bei Agenturen oder Abschlussrabatte bei Direktkunden. Aus diesen Informationen heraus kannst du I/O-Angebote erstellen oder den Floorprice bei Private Deals verwalten. Wir legen die Angebote dann direkt im Ad Server an und kümmern uns auch um die Deals bei den Supply-Side-Plattformen. Letztlich generiert unser Tool Reportings für Werbekunden, erstellt die Rechnung und verbucht das automatisiert in der Finanzbuchhaltung.
ADZINE: Wie können Website-Betreiber dadurch im Endeffekt mehr Erlöse erzielen? Lautet das Argument “mehr Zeit für Sales?”
Grossenbacher: Das ist das Hauptargument, ja. Wir sind vor allem serviceorientiert, also ein Workflow-Tool. Die Kundenbetreuung wird mit uns besser und effizienter, die Ressourcen lassen sich also sinnvoller investieren.
Gleichzeitig kannst du aber auch höhere Erlöse erzielen, denn wir bieten in der programmatischen Welt das Monitoring der Deals an. Das heißt, du siehst, wie sich der Umsatz entwickelt und bekommst Zugang zu Informationen aus den offenen Auktionen.
Aber das Wichtigste ist einen Überblick über die Deals zu erlangen. Denn größere Vermarkter haben unzählige Deals in verschiedenen Systemen angelegt und müssen diese im Zweifel per Hand heraussuchen und mithilfe von Excel-Tabellen einzeln verwalten.
ADZINE: Welche Datenströme zieht ihr für eure Analysen heran? Wie seid ihr in das Werbeökosystem technisch integriert?
Grossenbacher: Auf der Auslieferungsseite ziehen wir die Deal- und Kampagnendaten wie Bids, Impressions, Umsatz, Viewability und Klicks aus Ad Server und SSPs. Das geht als Reporting an die Werbekunden. Wir ziehen auch die Daten der Website-Platzierungen ins Tool und übernehmen anhand dessen die Mandantenabrechnung für Publisher. Diese Daten liefern wir konsolidiert an ein CRM oder ERP oder auch ein BI-Tool bei größeren Vermarktern. Wenn du beispielsweise drei Adserver und zwei SSPs im Einsatz hast, musst du die Daten zusammenführen, um zu wissen, wie viel Geld du mit einem bestimmten Produkt verdient hast.
ADZINE: Wo siehst du derzeit noch ungenutztes Vermarktungspotenzial für Publisher?
Grossenbacher: Reichweitenkonsolidierung und Datenvermarktung sind schon sinnvoll, es ist aber nicht die Lösung aller Probleme. Man muss schon nah am Produkt verkaufen. Dort geht es in Richtung 360-Grad-Vermarktung, also zum Beispiel die Verbindung von Content-Produkten mit Display-Werbung und Events oder E-Commerce sowie die Einbindung der eigenen Leserschaft. Denn dort haben wir einen Vorteil gegenüber den US-amerikanischen Plattformen. Bei der Reichweitenvermarktung werden wir nie besser sein als die Kollegen GAFA. Aber wenn du dich auf dein Produkt fokussierst und clevere Pakete darum schnürst, wirst du als Publisher noch einiges herausholen können.
ADZINE: Worauf müssen sich Publisher und Vermarkter deiner Meinung nach in 2021 einstellen?
Grossenbacher: Data-Privacy wird immer relevanter, nicht nur von Behörden-, sondern auch von Nutzerseite aus. Daher bin ich auch skeptisch gegenüber den übergreifenden ID-Lösungen, die den Cookie ersetzen sollen. Publisher sollten sich vielmehr darauf konzentrieren, das Thema Privacy ernst zu nehmen und in First-Party-Daten zu investieren. Damit meine ich Login-Bereiche aufbauen und mit sinnvollen Mehrwerten verknüpfen. Innerhalb des Produkts verstehen die Nutzer dann auch datenbasierte Werbung, aber nicht über das ganze Internet hinweg, wie es zurzeit stattfindet. Deswegen glaube ich auch, dass kontextbezogenes Targeting und klassische Umfeldvermarktung in Zukunft wieder an Relevanz gewinnen wird.
ADZINE: Vielen Dank für das Interview, Alban!
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