Schweizer Martech schafft cookieloses Tracking und Analytics ohne Consent
Anton Priebe, 18. Januar 2021Viele Tracking- und Analytics-Anbieter stehen vor einem großen Problem, weil ihre Lösungen ausschließlich auf Cookies basieren. Selbstbestimmung des Nutzers durch Datenschutzregulierungen und Browser-Hersteller machen ihrer Technologie einen Strich durch die Rechnung. Markus Forster ist Managing Director beim Schweizer Martech-Unternehmen Fusedeck und damit der einzige hiesige Mitarbeiter des Anbieters, der jetzt in Deutschland startet. Forster kommt vom Programmatic-Vermarkter und der Holzbrinck-Tochter Highfivve, die er mitgegründet und dann lange Zeit geführt hat. Jetzt baut er von München aus den Analytics-Spezialisten Fusedeck auf, der Tracking ohne Cookies verspricht. Im Interview erklärt Forster, wie das funktioniert und wieso die anderen Anbieter technologisch nicht nachziehen.
ADZINE: Hallo Markus, magst du kurz in ein oder zwei Sätzen beschreiben, was Fusedeck seinen Kunden anbietet?
Markus Forster: Fusedeck ist eine Marketing-Technologie, die es unseren Kunden im Zeitalter von ITP und DSGVO ermöglicht hundert Prozent ihres Traffics rechtssicher zu tracken. Mit Fusedeck werden Trackingdaten zentralisiert erhoben, bewertet und visualisiert, damit die richtigen Entscheidungen im Online-Marketing getroffen werden können. Die Key-Features sind Tracking, Analytics, Tag-Management und Campaign-Management.
ADZINE: Website-Tracking und -Analyse müssen sich heute einerseits nach den Regeln der DSVGO richten, andererseits erschweren Maßnahmen der Browser-Hersteller die Funktionsweisen der traditionellen Systeme. Mit welchen konkreten Herausforderungen hat das Marketing daher heute zu kämpfen?
Forster: Wenn ich heute als Website-Betreiber Tracking- und Analyse-Tools einsetze, die auf Cookies basieren und personenbezogene Daten verarbeiten, dann bin ich aufgrund der DSGVO dazu verpflichtet, die explizite Einwilligung des Nutzers zu holen – den sogenannten Consent. Das geschieht in der Regel über eine Consent-Management-Plattform (CMP) und erfolgt in den meisten Fällen beim Seitenaufruf über ein Pop-up-Fenster.
Dies führt zur ersten großen Herausforderung: Viele Nutzer fühlen sich durch dieses Aufpoppen irritiert und verlassen die Seite direkt wieder. Die Bounce Rate steigt hierbei unseren Messungen und Gesprächen mit Kunden zufolge auf bis zu 40 Prozent. Das sind potenzielle Kunden, die ich direkt an der Tür schon wieder verliere. Zweitens geben die verbleibenden Nutzer auch nicht zu 100 Prozent ihre Zustimmung. Hier sehen wir nochmals je nach Consent-Lösung und Aufbereitung bis zu 80 Prozent Verlust. Das dritte Problem ist technisch und geht in Richtung ITP oder Adblocker. Browser verhindern teils heute schon das Ausführen von Cookies und Adblocker können auch Tracker blockieren.
Im Worst Case verliert ein Website-Betreiber so über 90 Prozent seiner Daten zu Analysezwecken. Somit verliert er jede kritische Masse für Marketing, UX-Optimierung oder Retargeting. Das ergibt so wirklich keinen Sinn mehr.
ADZINE: Ihr versprecht mit Fusedeck Tracking und Analyse ohne Cookies – wie funktioniert das genau?
Forster: Wir speichern keinen übergeordneten User, sondern lediglich Sessions und verknüpfen dann alle Interaktionen, die währenddessen gemacht werden, mit dieser Session. So können wir nach wie vor alle wichtigen Analysen machen und zum Beispiel die Fragen beantworten: Woher kam der Traffic, über welches Werbemittel, wie gut war die Qualität dieses Traffics, wie lange war die aktive Verweildauer, welche Seiten wurden konsumiert, was für Interaktionen wurden ausgelöst, kam es zu Conversions oder nicht und so weiter.
Die Session läuft nach 30 Minuten automatisch aus. Für diese Trackingvariante muss kein Cookie oder anderer Identifier auf dem Gerät des Users abgelegt werden, da die Messung komplett serverseitig passiert. Wichtig ist auch, dass die Daten ausschließlich dem Auftraggeber gehören und von uns in keiner Weise weiterverwendet werden.
ADZINE: ...aber ihr könnt auch mit Cookies arbeiten?
Forster: Genau, du kannst den Consent entweder direkt einholen oder zu einem späteren Zeitpunkt – was wir größtenteils empfehlen. Je nachdem, aus welchem Land der Nutzer kommt, oder ob der Consent gegeben wurde, wird entschieden, welches Tracking zum Einsatz kommt. Kommt ein Nutzer zum Beispiel aus der Schweiz, wo wir keine DSGVO haben, kann automatisch das cookiebasierte Tracking verwendet werden und gleichzeitig wird kein Opt-in benötigt, um beispielsweise ein Retargeting-Pixel zu feuern.
ADZINE: Inwiefern löst dies die genannten Herausforderungen im Digitalmarketing und insbesondere in der datengetriebenen Werbung?
Forster: Zunächst ist immer die Unterscheidung zwischen rechtlichen und technischen Herausforderungen wichtig. Der Einsatz einer cookielosen Technologie ist nicht zwangsläufig DSGVO-konform, weil es dort nicht um technische Methoden geht, sondern darum, ob personenbezogene Daten verarbeitet werden oder eben nicht. Beim Thema ITP etwa geht es rein um den technischen Einsatz um Cookies. Ein Beispiel: Fingerprinting-Tracking ist auch cookielos, aber nicht DSGVO-konform, wenn ich ohne Consent arbeite.
Zur rechtlichen Herausforderung: Ich brauche keinen Consent, somit verliere ich als Webseitenbetreiber keine Nutzer durch das Pop-up der CMP und das nachgelagerte Opt-in. Sollte ein User etwa für Retargeting interessant sein, können wir immer noch den Consent einholen, aber eben erst dann, wenn er benötigt wird. Für manche Publisher ergibt es Sinn, gleich die Zustimmung einzuholen, etwa wenn sofort datenbasierte Werbung geschaltet werden soll. Aber beim klassischen Web-Shop etwa ergibt es mehr Sinn, erst ein wenig Engagement des Users mit Produkten abzuwarten und dann zu fragen und zu erklären, warum man den Consent benötigt. Wenn ich in ein Restaurant gehe und am Eingang meine Kreditkarte abgeben soll, ist das ja auch komisch. Außerdem vermeide ich so, dass viele Nutzer, die eine Website gleich wieder verlassen, in irgendwelchen Retargeting-Pools landen und später zu einem hohen Preis wieder angesprochen werden, ohne dass ich etwas über sie weiß.
Zur technischen Herausforderung, also dem Verlust durch ITP oder Adblocker: Wir arbeiten auf der kundeneigenen Domain, somit kann das Tracking nicht blockiert werden. Der Blocker kann nicht erkennen, ob es sich um technisch notwendige Voraussetzungen handelt oder etwas anderes.
ADZINE: Wenn das so “einfach” geht – wieso stellen nicht alle Anbieter auf diese Methode um?
Forster: Für viele etablierte Anbieter im Markt ist es nicht so einfach umzustellen. Die haben ihre Geschäftsmodelle in einer anderen Zeit aufgebaut und basieren oftmals darauf, personenbezogene Daten zu nutzen und zu monetarisieren. Neben Tracking und Analytics sind die häufig im Programmatic Advertising tätig und stellen das Analyse-Tool kostenlos zur Verfügung, während mit den Daten der Website-Betreiber das Geld verdient wird. So ein Geschäftsmodell kannst du nicht von heute auf morgen umstellen. Anbieter aus dem US-Markt stehen zudem noch vor der Hürde des Privacy Shield.
ADZINE: Wie seid ihr in das bestehende Martech- und Adtech-Ökosystem integriert?
Forster: Wir bieten über eine API Schnittstellen zu anderen Tools oder weitere Integrationen. Wir können etwa Daten in Analyselösungen von Drittanbietern pushen und tracken zum Beispiel auch Googles UTMs mit. Dadurch, dass wir mit Rohdaten arbeiten, können wir sie auch an Data-Management-Plattformen weitergeben, automatisiert Audiences in Drittsystemen generieren – wenn der Consent vorliegt – oder die Lösung mit einem CRM verknüpfen.
ADZINE: Wie sehen eure nächsten Schritte aus? Was habt ihr nun in Deutschland vor?
Forster: Wir bauen am Standort München ein lokales Team auf, um unsere Kunden vor Ort betreuen können. Ich spreche schon mit den ersten potenziellen Mitarbeitern. Außerdem suchen wir nach Integratoren und ersten Kunden. Unser Ziel ist es 2021 nach dem erfolgreichen Start in der Schweiz im deutschen Markt Fuß zu fassen.
ADZINE: Welche Trends siehst du für dieses Jahr in deinem Sektor voraus?
Forster: Die herkömmlichen Tracking- und Analyse-Lösungen werden mehr unter Druck geraten. 2020 ist es schon zu einigen hohen Strafen aufgrund von Verstößen gegen die DSGVO gekommen, was zeigt, dass die Datenschutzbehörden handeln. Ich gehe davon aus, dass sie in Zukunft noch härter und auch gegen kleinere Unternehmen vorgehen werden.
Die größeren Herausforderungen sehe ich aber eher im Bereich der personenbezogenen Werbung. Hier wird die Branche noch stark mit dem Cookie-Tod zu kämpfen haben.
ADZINE: Vielen Dank für das Interview, Markus!
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