“Publisher müssen das, was auf Social Media gut funktioniert, in die eigenen Reihen zurückholen”
Anton Priebe, 27. Januar 2021Ein großer Teil der Budgets für digitales Bewegtbild fließt in die US-Plattformen Facebook und Google. Covid-19 scheint diesen Trend nicht gebremst zu haben – im Gegenteil. Ilhan Zengin, Gründer und CEO der Showheroes Group, spricht im Interview darüber, wie es zu dem Oligopol in der Vermarktung kommen konnte, welche Gegenmaßnahmen Publisher wie Advertiser ergreifen können und warum sein Unternehmen die Corona-Krise mehr als nur gut überstanden hat.
ADZINE: Hallo Ilhan, magst du kurz in ein, zwei Sätzen beschreiben, was hinter Showheroes steckt?
Ilhan Zengin: Mittlerweile sind wir die Showheroes Group. Wir sind Europas innovativstes, digitales Tech- und Media-Konglomerat mit dem Fokus auf Video. Dazu gehört auch Showheroes als größte Videoplattform für digitale Publisher und Brands, wenn es um Content-Syndication und -Kreation geht, aber vor allem auch darum, als Advertiser neue Reichweite im Bewegtbildbereich aufzubauen.
ADZINE: Ihr seid ein relativ junges Unternehmen und habt gerade erst die Showheroes Group ins Leben gerufen. Wie seid ihr vom Unternehmen zur Gruppe geworden und was ändert sich dadurch?
Zengin: Der Grund dafür war unser Wachstum in 2020. Wir haben uns umsatzseitig verfünffacht und über 100 neue Heroes eingestellt. Durch die M&A-Deals und neue Produktlinien hat es Sinn gemacht, mehr als ‘nur’ Videovermarkter zu sein. Neben der Premium Videobrand Showheroes haben wir nun die Showheroes Studios für Asset- bzw. Content-Produktion, Viralize für SaaS Publisher-Yield-Optimierung, The Digital Distillery als europäisches Eventformat, die Union als Programmatic Trading Desk in UK und The Garage als unseren inhouse Innovation Hub ins Leben gerufen.
Wir wollen kein Bauchladen werden, aber sind als Gruppe bereit dafür, Segmente innerhalb der Media anzugehen, die nicht zwingend auf das einzahlen, was wir am Anfang mit Showheroes gemacht haben. Jetzt bietet die Umbrella-Brand die Möglichkeit, neue Produkte einzugliedern, ohne den bestehenden Markenkern aufzuweichen.
ADZINE: Covid-19 hat vielen Unternehmen Probleme bereitet, euer Business aber anscheinend eher beflügelt. Woran liegt das?
Zengin: Wir hatten Ende Q1, Anfang Q2 auch einen Dip in den Umsätzen, aber nichts Dramatisches. Die europäische Digital-Vermarkterlandschaft als Ganzes hat meiner Meinung nach nicht massiv unter Corona gelitten.
Unser Business hat aber vor allem durch die M&A-Deals profitiert. Stream Ads und Viralize hätten wir ohne Covid-19 im Sommer bzw. Herbst nicht kaufen können, denn sie wären zu wertvoll gewesen. Wir hatten durch unsere starke Positionierung, vor allem im deutschen Markt, die Möglichkeit, Corona zu verdauen und in neuen Märkten zu wachsen – also Unternehmen zu integrieren, denen es zu dem Zeitpunkt nicht so gut ging. 2017 hätten wir die Krise sicher nicht gut verdaut. Ein Unternehmen muss schon etabliert sein, sonst wird’s schwer. Auf Neugeschäft in der Krise hat schließlich keiner so richtig Lust.
ADZINE: Wie schaffen es Publisher mit Plattformen wie Facebook und Google, in die wohl der Großteil des Video-Budgets von Marken fließt, zu konkurrieren? Welche Gründe sprechen von Advertiser-Seite aus gegen die Giganten und für den offenen Werbemarkt?
Zengin: Grundsätzlich ist klar, dass Publisher vor Social Media und Google ein einfacheres Leben hatten. Es gibt in der Media eine Triangulation aus Content, Reichweite und Vermarktung. Content baut die Reichweite auf, die man hinterher vermarktet. Darauf hatten die Publisher am Anfang der digitalen Ära ein Monopol. Nun wurde dieses Monopol durch Google und Facebook aufgelöst, die den Content, den jemand anderes produziert hat, für ihre Reichweite genutzt und diese sehr smart mit einem Login vermarktet haben. Die Trigger-Kosten wurden also auf den Publisher abgewälzt. Das ist nichts Neues, aber der Ursprung der Situation, in der wir uns heute befinden. Der Markt ist aus dem Gleichgewicht geraten. Wenn Google und Facebook den Publishern dann noch Technologie anbieten, die vom Content der Publisher finanziert wurde, und sie davon abhängig machen, kann das Rennen nicht mehr gewonnen werden.
Publisher müssen also versuchen, dass sie das, was auf Social Media gut funktioniert, in die eigenen Reihen zurückholen. Damit meine ich vor allem die Art und Weise, wie mit Content umgegangen wird – wie zum Beispiel schnelle Ladezeiten und Konfektionierung für verschiedene Devices. Im zweiten Schritt sprechen wir natürlich auch von der Möglichkeit, dies entsprechend gut zu vermarkten und dabei seine Brand ins Feld zu führen. Da geht es um das Umfeld, dafür sind die Brand-Budgets gemacht. Eine Brand, die im Social-Media-Bereich auf Awareness setzt, hat immer das Risiko in Umfeldern ausgespielt zu werden, die nicht passen. Publisher können und sollten also ihre Audience, Qualität und Identität ins Feld führen.
ADZINE: … was sollten die Advertiser tun?
Zengin: Für Advertiser muss es im Umkehrschluss genauso funktionieren: Wenn sie Besucher vor allem über Facebook und Instagram einkaufen, bekommen sie keine brandsafen Umfelder einer Marke, die eine Assoziation bei den Nutzern weckt, die eins-zu-eins zu ihrer Brand passt. Darüber hinaus sind sie extrem intransparent und weisen einen relativ schwachen Cost-per-completed-View aus – falls sich das mal ein Advertiser ausrechnen würde…
Aber auch Advertiser wissen, dass du irgendwann an der Nabelschnur hängst, wenn du ein Oligopol stärkst. Wir haben also alle ein Interesse daran, dass das Ungleichgewicht nicht noch größer wird, als es ohnehin schon ist.
ADZINE: Welche Tipps kannst du Werbetreibenden mit Blick auf Videowerbung an die Hand geben? Gibt es typische Fehler, die euch immer wieder begegnen?
Zengin: Ein klassischer Fehler betrifft das Measurement-Thema: Was wird gemessen? Der CPM, CPCV oder der viewable Cost-per-Completed-View? Der Kunde misst häufig immer noch nicht das, was er mit seiner Kommunikation eigentlich erreichen möchte.
Brand Awareness und Recognition sind auch schwer messbar und du kannst nicht für jede Kampagne ein Panel schalten. Es gibt als Metriken dann eben Klickraten und View-Raten im Angebot. Aber die musst du dann auch lückenlos durchmessen und vor allem die Vergleichbarkeit unter den Kanälen herstellen.
Für mich wäre die wichtigste Metrik, dass ein Video durchgeschaut wird und komplett sichtbar ist. Außerdem muss es auf einer passenden Seite laufen und im relevanten Content eingebettet sein. Hier würde ich versuchen die relevanten Kosten zu ermitteln und als Maßstab nehmen – das macht aber fast keiner.
ADZINE: Welche Entwicklungen und Trends siehst du für 2021 im Bereich Video voraus?
Zengin: Es wird auf jeden Fall noch mehr Short-Form-Content und kurze Video-Ads geben. Bumper Ads sind zum Beispiel in 2020 viel populärer geworden. Generell wird mobiler Content zunehmen, also ist Mobile Video ein Trend.
Gleichzeitig wird es 5G ermöglichen, dass mehr Long-Form-Content mobil im Stile von Video-on-Demand konsumiert wird. Analog zu CTV bzw. OTT wird das sicher auch ein größerer Trend.
ADZINE: Vielen Dank für das Interview, Ilhan!
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