In-Game Advertising: Das Klischee vom Nerd-Teenage-Gamer gehört in die 90er
Anton Priebe, 25. Januar 2021Gamer sind seit jeher als junge, männliche Nerds verschrien – zu Unrecht wie Polina Nefidova von Gameloft weiß. Die DACH-Chefin des Spieleentwicklers und -vermarkters räumt im Interview mit Klischees auf und erklärt, dass sich nicht nur die Gaming-Community und die Spiele selbst, sondern auch die Möglichkeiten für Werbetreibende in den letzten Jahren enorm gewandelt haben. Die Technologie wird besser, das Interesse an In-Game Advertising von Mediaagenturen wächst und mit E-Sports kommt ein weiteres spannendes Spielfeld für Marken hinzu.
ADZINE: Hallo Polina, Gameloft ist ein Urgestein unter den Entwicklern in der Mobile-Spielebranche und ihr habt gleichzeitig auch einen Vermarkter inhouse mitsamt einer eigenen SSP aufgebaut. Magst du kurz erklären, wo euer Schwerpunkt liegt? Seht ihr euch eher als Spieleentwickler oder als Tech-Plattform für Advertising?
Polina Nefidova: Gameloft hat in diesem Jahr sein 20-jähriges Firmenjubiläum gefeiert, vor 20 Jahren hat ein Team in Paris angefangen Spiele für Handys zu entwickeln und zu veröffentlichen – das waren ganz unterhaltsame Spiele, aber die sind natürlich aufgrund der damals üblichen Technologie überhaupt nicht zu vergleichen mit denen, die wir heute für Smartphones und Tablets anbieten können. Ich denke, dass unser Fokus auch zwei Jahrzehnte später immer noch auf den Games liegt, sie sind unsere „Brot und Butter“.
Eigentlich von Anfang an haben wir bei Gameloft mit starken Lizenzpartner zusammen gearbeitet, beispielsweise mit Universal Pictures, Disney oder Hasbro. Aus diesen Kooperationen heraus hat sich dann vor circa fünf Jahren ergeben, dass die Partner nicht nur an der Entwicklung von gemeinsamen Games interessiert waren – sondern, dass sie außerdem Interesse daran haben, ihre Produkte in unseren Games als Anzeigen zu platzieren. Das war für uns der Zeitpunkt, den Spielekatalog für Werbung zu öffnen und damit waren wir der erste Entwickler und Publisher von Mobile Games, der In-Game Advertising anbietet. Ich würde sagen, dass wir im Herzen Game-Developer sind, aber sehr gern alle daran teilhaben lassen.
ADZINE: Der Advertising-Aspekt ist natürlich für uns besonders spannend. Wie seid ihr an das bestehende programmatische Werbe-Ökosystem angeschlossen? Wie kann man bei euch Media einkaufen?
Nefidova: Über unseren Vermarkter Gameloft for brands bieten wir unseren Kunden Premium- und Programmatic-Buchungen an. Für die Premium-Buchungen bieten wir die gängigen Formate an und die Einbuchung ist In-Game genauso einfach wie für alle Online oder Mobile gebuchten Kampagnen. Allerdings haben wir darüber hinaus noch mehr, kreativere Lösungen zu bieten. Wir können beispielsweise für unsere Kunden ganz individuell abgestimmte Playable-Ads entwickeln, also Mini-Games mit den Anforderungen und Ideen von und für den Kunden.
Für unsere programmatischen Buchungen ist Gameloft for brands an unser inhouse programmatisches Ökosystem angeschlossen, das heißt wir besitzen eine eigene Sell-Side-Plattform und sind außerdem direkt mit vielen programmatischen Partnern, hauptsächlich über OpenRTB, verbunden. Die Verknüpfung mit den Demand-Side-Plattformen ermöglicht es uns direkt mit Käufern und Brands in Kontakt zu treten, beispielsweise für Buchungen über Private Marketplaces. Wir können für programmatische Buchungen Anzeigenplätze in über 50 Apps anbieten.
Ein weiterer Vorteil, den wir im Gegensatz zu anderen Plattformen bieten, ist, dass wir selbst Ads produzieren können – die dann beispielsweise nicht nur die Inhalte des Kunden transportieren, sondern auch auf das Gaming-Umfeld oder -Genre abgestimmt sind.
ADZINE: Gaming ist in der breiten Bevölkerung angekommen, aber gegen das Klischee vom Nerd in seinem stillen Kämmerlein müsst ihr wahrscheinlich immer noch anarbeiten. Hast du ein paar harte Zahlen zur Gaming-Audience in Deutschland für uns? Wen erreicht man im Gaming-Umfeld?
Nefidova: Oh ja, das mit den Stereotypen hält sich hartnäckig. Aber, und da leisten wir gemeinsam echte Überzeugungsarbeit, dieses Klischee ist längst Geschichte. Zunächst einmal zeigen Studien, dass wir in Deutschland einen ziemlich ausgeglichenen Gender-Split haben, es spielen zu 52 Prozent Männer und zu 48 Prozent Frauen – die Gaming-Community ist also nicht der männliche Nerd in seinem stillen Kämmerlein.
Natürlich sind auch die „Gamer der ersten Stunde“, die beispielsweise in die entsprechende Hardware investiert haben, jetzt älter und mit den Games erwachsen geworden. Wir sehen, dass der Gamer oder die Gamerin im Schnitt zwischen 37 und 38 Jahren alt ist. Das Smartphone ist für die Entwicklung zu einer ganz breiten, heterogenen Spielergemeinschaft natürlich auch mit verantwortlich. Dadurch dass Apps uns durch unseren Alltag begleiten, sind auch Gaming Apps unglaublich populär geworden – und das als ein Querschnitt durch die Gesellschaft. Tatsächlich ist das Smartphone das beliebteste Spielgerät der Deutschen.
Mobile Games bieten inzwischen für alle Spieltypen und Genres das richtige Spiel, wir erreichen die Seniorin, die kurzweilige Ablenkung sucht genauso wie den Strategiefan, der Lust hat sich längerfristig einem Spiel zu widmen. In guter Erinnerung ist mir eine Begegnung mit einem Spieler unseres Games Sniper Fury – er ist über 60 Jahre alt und sehr nett und engagiert. Er hat uns in unserem Berliner Büro besucht und wollte mit uns über die Clans und die Möglichkeiten zur Entwicklung sprechen. Ich denke, dies bestätigt, dass das Klischee vom Nerd-Teenage-Gamer in die 90er gehört und 2021 Spiele von jedem und jeder ganz unabhängig vom Alter und Geschlecht gespielt werden.
ADZINE: Ist das denn auch schon bei den Werbetreibenden, vor allem bei den Agenturen angekommen? Wie betrachten die Gaming im Mediamix?
Nefidova: Absolut, wir sehen, dass die Mediaagenturen und die Unternehmen In-Game Advertising als einen weiteren Bestandteil in ihre Kommunikationsstrategien integrieren. Vor allem, wenn die Werbetreibenden Interesse haben innovative Wege in ihren Kampagnen zu gehen und neue Wege ausprobieren wollen, um ihre Zielgruppe zu erreichen. Brands und Unternehmen haben mehr und mehr Interesse an Werbung, die mit Gamification-Tools arbeitet. Als Folge erstellen wir mehr und mehr Kampagnen, die nur für Games konzipiert und entwickelt werden und nicht für andere Plattformen gedacht sind. Das sind beispielsweise Kampagneninhalte in einer nativen Integration im Game, also eine Einbindung eines Produkts direkt in das Gameplay des Spiels. In-Game Advertising funktioniert als eigenständiger Kampagnenbestandteil und ist nicht nur ein Add-on im übergeordneten Kampagnenmix.
Aber nicht nur die Kreativität überzeugt die Werbetreibenden, sondern wir haben einfach auch die Kennzahlen für erfolgreiche Kampagnenumsetzung auf unserer Seite. Zum Beispiel in der Nutzungsfrequenz sehen wir, das 96 Prozent der Smartphone-User einmal pro Monat über eine Spiele-App spielen, 73 Prozent von ihnen einmal pro Tag. Dabei bleiben 84 Prozent von ihnen mehr als fünf Minuten im Game.
ADZINE: Ein neuer Bereich, der sich Advertisern momentan eröffnet, ist der potenzielle Milliardenmarkt E-Sports. Wie seid ihr dort aufgestellt und was habt ihr vor?
Nefidova: Esports hat sich wirklich zum Breitensport entwickelt und ich freue mich sehr, dass wir bei Gameloft einige Titel im Spielekatalog haben, die sich auch für den sportlichen Wettkampf auf mobilen Endgeräten eignen. Am populärsten und mit eigenen Serien vertreten ist unser Game Asphalt 9: Legends. Das Jahr 2020 hat unsere Pläne etwas durchkreuzt, weil leider die Live-Veranstaltungen wie beispielsweise die Gamescom nicht physisch stattgefunden haben. Daher konnten die Quali- und Finalrunden nicht vor Ort und Publikum ausgetragen werden. Aber ich hoffe, dass wir schon im Herbst 2021 – vielleicht schon auf der Milan Games Week im Oktober – wieder live am Start sein könnten. Unser Ziel ist, dass wir Asphalt 9: Legends zu einem festen Bestandteil im Esports-Terminkalender für mobile Endgeräte machen. Dafür arbeiten wir bereits seit zwei Jahren mit der ESL zusammen.
Die Wirtschaftsprüfer von PricewaterhouseCooper prognostizieren global über 990 Millionen Euro Revenue für den Bereich Esports. Der deutsche Markt ist laut ihren Studien und Berechnungen für Esports der größte Markt in Europa. Das liegt zum einen an der aktiven Beteiligung der Deutschen, denn landesweit können sich zehn Millionen Gamer und Gamerinnen vorstellen, sich in einem Esports-Verein zu engagieren. Aber auch an dem großen Erfolg und der hohen Reichweite der Ausstrahlung von Esports-Veranstaltungen. In Deutschland haben 2019 rund 13 Millionen Menschen Esports-Turniere geschaut – das heißt für Sponsoringpartner oder Werbetreibende gibt es hier eine attraktive Audience, die super involviert ist in das Geschehen.
ADZINE: Danke für das Interview, Polina!
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