Im Bewegtbildkosmos ist das Thema Connected TV (CTV) in den letzten Jahren häufig intensiv diskutiert worden. So bietet CTV für Werbetreibende deutliche Potentiale, denn sie können ihre Zielgruppen effizienter mit ihren Botschaften erreichen. Auch bei den Konsumenten zeigt sich die Tendenz, dass längere Bewegtbild- und TV-Inhalte nicht mehr nur linear konsumiert werden, sondern auch über internetfähige Smart-TVs und Streaming-Devices. Es findet also eine Verschiebung der Konsumgewohnheiten vom linearen Fernsehen hin zu Connected TV statt. Gerade deshalb ist das Themenfeld ein guter Nährboden für Innovationen und Wachstum. Unabhängig voneinander haben sich nun die beiden Adtech-Unternehmen Xandr und Pubmatic dem Thema angenommen und analysieren den deutschen Markt für CTV.
So kommt das internationale Werbeschwergewicht Xandr in seinem CTV-Guide zu dem Schluss, dass im vergangenen Jahr rund 48 Millionen Menschen in Deutschland über CTV erreichbar waren. Bis 2024 soll die Zahl der CTV-Nutzer in Deutschland dann auf 52,3 Millionen anwachsen. Zunächst muss jedoch klargestellt werden, dass der Begriff CTV nicht immer einheitlich verwendet wird. Bei Xandr bezeichnet er jede Art von Fernseher, der mit dem Internet verbunden ist und über den Bewegtbildinhalte angeschaut werden können. In diesem Kontext wird zwischen angeschlossenen Geräten unterschieden wie Apple TV oder dem Amazon Fire TV-Stick, Spielekonsolen und Smart-TVs, über die Nutzer Video-on-Demand ohne zusätzliche Geräte streamen können. Generell ist CTV jedoch unterschiedlich in den europäischen Märkten definiert, weshalb ein internationaler Vergleich der Märkte häufig schwierig ist. Xandr und Pubmatic geben ihr Bestes, um dennoch ein Verhältnis herzustellen.
In Deutschland wächst Connected TV am schnellsten
“Connected TV hält extrem viel Potenzial für die Werbelandschaft bereit. Deswegen ist es wichtig einen guten Überblick über das Thema sowie die Nuancen und Dynamiken der unterschiedlichen Märkte zu haben. Deutschland ist beispielsweise geprägt durch Sender-Allianzen“, kommentiert Marius Rausch, VP & Managing Director Central Europe bei Xandr, die Ergebnisse.
Xandr hat für seinen Guide mit Führungskräften aus neun verschiedenen Ländern gesprochen. Demnach wächst in Deutschland Connected TV schneller als in anderen Ländern. Die Reichweite des digitalen Bewegtbilds hat sich hierzulande 2020 um 4,1 Prozent erhöht, die Corona-Pandemie wird ihren Beitrag dazu geleistet haben. Im Vergleich dazu wuchs der Markt in Frankreich um 3,6 Prozent, in Großbritannien um 2,9 Prozent.
Auch die Supply-Side-Plattform Pubmatic kommt in ihrer CTV-Studie für den EMEA-Raum zu dem Schluss, dass Connected TV in Zukunft weiter enorm an Bedeutung in Deutschland gewinnen wird. Pubmatic hatte dazu zwischen Juli und Oktober 2020 Interviews mit dafür Verantwortlichen von der Buy- und Sell-Side geführt. So kommentiert ein deutscher Sender: “Es war allen klar, dass CTV die nächste große Sache für 2020 und 2021 sein könnte. Und jeder möchte sein Geschäft in Gang bringen und die Einnahmen zum Laufen bringen.”
Eine große Lücke bei den Werbespendings
Werden die Werbespendings betrachtet, die in Deutschland für digitales Bewegtbild ausgegeben werden, zeigt sich schnell, dass noch eine große Lücke zwischen diesen und denen für klassisches TV besteht. Demnach fließen in 2021 rund fünf Milliarden US-Dollar in lineare TV-Werbung. Im Digitalsegment sollen es hingegen “lediglich” zwischen 1,5 und 2 Milliarden US-Dollar sein. Allerdings ist deutlich zu erkennen, dass die Werbespendings fürs klassische TV in den letzten Jahren leicht rückläufig waren und das Corona-Jahr hier einen starken Einbruch beschert hat. Die Werbespendings für CTV hingegen steigen laut Xandr stetig an.
In vielen anderen Ländern wiederum ist die Lücke nicht ganz so groß und die Budgets beider Segmente, digital und klassisch, nähern sich zunehmend an. Allen voran ist hier Großbritannien zu nennen.
Pubmatic schätzt die Ausgaben für CTV eher klein ein und zitiert dazu einen befragten Sender: “Connected TV spielt sich wie alles auf Smart-TVs oder Setup-Boxen ab. Es würde mich wundern, wenn es alles zusammengenommen auf mehr als 80 Millionen Euro kommt.”
Herausforderungen des Marktes
So verheißungsvoll die Ergebnisse der Studien auch klingen, so groß sind teilweise die Herausforderungen, denen sich Marktteilnehmer in Deutschland gegenübersehen. Werbetreibende hierzulande sind mit einem CTV-Ökosystem konfrontiert, welches sich noch im Aufbau befindet. So steckt die Einführung von Programmatic in diesem Bereich immer noch in den Kinderschuhen. Ein von Pubmatic befragter Seller schätzt etwa, dass Programmatic “immer noch weniger als 5 Prozent beträgt, aber wächst”. Ein Sender kommentiert hierbei: “Wir bieten Programmatic Guaranteed an und Private Auctions starten jetzt auch, sind aber noch nicht groß. Das Problem ist heute – worauf willst du überhaupt bieten, denn das Angebot ist immer noch begrenzt. Obwohl man noch keine großen Umsätze macht, investieren wir in Programmatic, da dies mittelfristig zu einem wichtigen Wachstumstreiber werden wird. Daher planen wir es in unserer Wachstumsstrategie ein.” Außerdem fehle hier häufig ein eindeutiger Identifier. Es gibt also noch einiges an Infrastruktur aufzubauen.
Und auch andere technische Herausforderungen bestehen. So fehlt es laut Xandr an einer notwendigen Standardisierung, um etwa die unterschiedlichen Inventare einheitlich verfügbar zu machen. Außerdem existiert häufig kein einheitlicher kanalübergreifender Standard für Measurements und die notwendigen Daten entsprechen nicht den Anforderungen. Diese müssen zudem mit den Datenschutzbestimmungen kompatibel sein. Darüber hinaus äußern die Teilnehmer der Pubmatic-Befragung Bedenken, dass der CTV-Markt in Deutschland in zwei Teile geteilt wird: in einen Sender-Markt und einen App-Markt für andere Player. Gerade CTV-Apps werden enorm an Bedeutung gewinnen.
Ein Blick in die Zukunft
Für die Zukunft erwarten viele Marktteilnehmer deutlich mehr Wachstum und einen verschärften Wettbewerb. “Ich denke, es wird Wachstum geben, und zwar schnelles Wachstum für alle. Aber für integrierte Systeme dürfte das Wachstum natürlich schneller sein. So wird die Fire-TV-Landschaft wohl explodieren, einfach weil das System funktioniert. Innerhalb des Google-Buchungssystems wird es mit Sicherheit auch sehr cool laufen”, kommentiert ein Teilnehmer der Pubmatic-Studie.
Ekkehardt Schlottbohm, Regional Director Central Europe von Pubmatic, ergänzt: "Der deutsche Markt entwickelt sich zu einem der interessantesten und innovativsten CTV-Werbemärkte in Europa. Lokale Sender haben bei der HbbTV-Innovation eine Vorreiterrolle eingenommen, und es sieht so aus, als ob HbbTV-Werbung gerade dann eine bedeutende Größenordnung erreichen wird, wenn neue adressierbare Werbefunktionen auf den Markt kommen", so der Zentraleuropa-Chef des Adtech-Unternehmens. "Wie in allen Märkten stehen die lokalen etablierten Unternehmen jedoch unter erheblichem Druck durch US-Tech-Giganten, und es gibt wachsende Bedenken, ob die heimische Industrie bei der programmatischen Einführung schnell genug vorankommt. Die Entwicklung von CTV-spezifischen Header-Bidding-Lösungen wird besonders wichtig sein, da CTV-Werbung im Gegensatz zu Video-Werbung in Pods ausgeliefert wird, was bedeutet, dass es zwei oder mehr aufeinanderfolgende Anzeigen gibt, die sorgfältig verwaltet werden müssen, um eine Überbelichtung einer einzelnen Anzeige und eine Trennung von Wettbewerbern zu vermeiden", ist Schlottbohm überzeugt.
Takeaways
- Bis 2024 soll die Zahl der CTV-Nutzer in Deutschland auf 52,3 Millionen anwachsen.
- In Deutschland wächst Connected TV schneller als in anderen Ländern. Die Reichweite des digitalen Bewegtbilds hat sich hierzulande 2020 um 4,1 Prozent erhöht.
- In Deutschland herrscht eine große Lücke zwischen den Werbespendings für klassisches TV und digitales Bewegtbild.
- Der Markt für CTV steckt noch in den Kinderschuhen und sieht sich einigen Herausforderungen gegenüber gestellt.
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