Wie viel Zeit steckt in einer guten Programmatic-Kampagne?
Christoph Berg, 15. September 2020Digitales Advertising – das sind kreative Kampagnen, innovative Formate und messbare Ergebnisse. Digitales Advertising bedeutet aber auch Preiskampf im Ausschreibungsprozess. Dabei sollte der Wert einer Kampagne nicht am Preisschild festgemacht werden, sondern an dem, was für ein bestimmtes Budget erreicht werden kann.
Klar, was erreicht werden kann, ist im Vorfeld jedoch kaum mehr als ein Versprechen – die Inaussichtstellung eines bestimmten Ergebnisses. Ein Advertiser, der einen klaren Wunschergebniskorridor definiert, entscheidet sich am Ende nicht selten für den besten Preis, der ihm das ersehnte Ergebnis verspricht. Aber hätte er womöglich mehr für sein Geld bekommen können? Durch fehlende Transparenz und Vergleichbarkeit können Preise geschönt sein und Werbeeuros unmerklich versickern. Und auch der interne Wissensaufbau bleibt gerne auf der Strecke.
Dabei würde eine konkrete Kampagnenauswertung nach zeitlichem Aufwand dem Advertiser durchaus eine Vergleichbarkeit zwischen einzelnen Angeboten liefern. Nur sind solche Auswertungen die Ausnahme. Dem Auftraggeber fehlt die Datengrundlage, um auf Stundenbasis den Wert und den Aufwand einer Programmatic-Kampagne bemessen und vergleichen zu können. Eine solche Vergleichbarkeit würde sicher die eine oder andere Frage aufwerfen, wie bestimmte Stundensätze überhaupt noch zum wirtschaftlichen der Dienstleister reichen können.
Eine komplexe Kampagne. Fünf Personentage.
Eine große deutsche Modeeinzelhandelskette zum Beispiel zieht den zeitlichen Aufwand bereits heute als Bemessungsgrundlage für den Vergleich seiner Programmatic-Kampagnen heran. Das kampagnenbezogene Managed-Service-Honorar wird nach Zeit abgerechnet, per Stundensatz also. Dabei gilt auf Basis gemachter Erfahrungen der Benchmark: Eine komplexe Kampagne des Einzelhändlers bindet rund 40 Arbeitsstunden, also fünf Personentage. Weniger komplexe Kampagnen werden mit 3,5 Arbeitstagen á acht Stunden veranschlagt – wobei in beiden Rechnungen die kreative und technische Erstellung von Werbemitteln separat abgerechnet werden.
Natürlich hängt der zeitliche Aufwand immer vom individuellen Fall ab. Die Einzelhandelskette konnte für sich über die Jahre jedoch einen Mittelwert herausarbeiten und ist in der Lage, tatsächliche Aufwände seiner Dienstleister sehr genau einschätzen zu können. Dass die 40 Stunden nicht ganz unrealistisch sind, zeigt das konkrete Beispiel einer der bundesweit größten Autohaus-Gruppen mit acht Marken und 53 Standorten. Ende 2019 wollte der Händler mit Hilfe eines Dienstleisters konkret Autointeressierte ansprechen. Um bei maximaler Reichweite Streuverluste zu vermeiden, wurde die Zielgruppe je nach Marke und Modell sowie nach passenden Interessen und Regionen unterteilt. Ein detailliertes Reporting sollte helfen, neue Erkenntnisse über die einzelnen Zielgruppen zu gewinnen. Primäre KPIs der Zusammenarbeit: Reichweite in der jeweiligen Zielgruppe, Klicks, Click-Through-Rate (CTR), Visibility, Seitenbesuche, durchschnittliche Zeit auf der Seite und eine möglichst niedrige Absprungrate.
Planung, Setup, Bannererstellung, Abstimmung der Layouts, fortlaufende Optimierung und regelmäßige, automatisierte und individuell gestaltbare Auswertungen – alles lag in den Händen des Dienstleisters. Auch in diesem Fall wird das kampagnenbezogene Managed-Service-Honorar per Stundensatz abgerechnet und liegt mit etwas über 44 Stunden zum Abschluss der Kampagne nicht weit entfernt vom oben erwähnten 40-Stunden-Benchmark.
Für die Autohaus-Gruppe ergibt sich mit diesem Wissen eine neue Vergleichbarkeit einzelner Kampagnen (woran liegt es, dass wir hier länger gebraucht haben?) aber auch einzelner Dienstleister (warum plant ihr hierfür X Stunden ein und nicht nur Y?). Denn wenn auch die Zusammensetzung des Gebotspreises, beziehungsweise welche Kosten dieser beinhalten soll, klar vorgegeben sind, können geleistete Arbeitsstunden mal Stundensatz in direktes Verhältnis zum Ergebnis gesetzt werden.
Optimierung mitdenken
Dass eine gute Kampagne von ihrer fortwährenden Optimierung abhängt, ist mittlerweile kein Geheimnis mehr. Wie viel Zeit diese allerdings in der Realität frisst, ist den wenigsten Advertisern bewusst. Die Auswertung der Kampagne der Autohaus-Gruppe zeigt: Von insgesamt 44 Stunden und 22 Minuten Gesamtaufwand im Kampagnenverlauf lief der Bärenanteil mit 44 Prozent in die stetige Optimierung. Das beinhaltete lokale Anpassungen, abgestimmt auf die Zielgruppe einzelner Häuser, ebenso wie CTR-Optimierung, Nachjustieren der Bannerinhalte, Ausschluss bestimmter Formate oder auch die Anpassung der Deal- und Gebots-Strategie. Hand in Hand geht die Optimierung natürlich mit der fortwährenden Beratung, schließlich soll der Auftraggeber im Bilde sein, warum im Kampagnenverlauf gewisse Änderungen vorgenommen werden. Neun Prozent der Gesamtzeit entfielen auf die Beratung des Kunden und die Abstimmung über den Kampagnenfortschritt.
Mit 28 Prozent verschlang das Kampagnen-Setup die zweitmeiste Zeit. In dem Fall lässt sich das jedoch auf die unterschiedlichen Zielgruppen – das Autoangebot reicht von Mercedes-Benz über Skoda bis hin zu Nutzfahrzeugen – sowie die regionale Segmentierung zurückführen. Entsprechend schlägt auch der Bereich Bannererstellung samt Abstimmung der Layouts mit 19 Prozent der Zeit und fast neun Stunden zu Buche.
Und obwohl es für den Kunden ein essentieller Bereich ist, nahm gerade das Reporting die wenigste Zeit in Anspruch. Gerade einmal eine Viertelstunde dauerte es, die ohnehin ausführlichen Standardreports um die konkreten Wünsche des Kunden zu ergänzen – nämlich diese zusätzlich auf Standorte herunterzubrechen und die anfallenden Mediakosten entsprechend aufzuschlüsseln.
Positive Entwicklung
Im Kampagnenverlauf von Dezember 2019 bis Februar 2020 wurden insgesamt 665.000 Unique User angesprochen. Die fortlaufende Optimierung führte zu einem Anstieg der CTR von 0,10 Prozent zu Beginn der Kampagne auf 0,18 Prozent. Die Visibility-Rate konnte von 56 auf über 64 Prozent hochgeschraubt werden. Vor allem aber, und das zeigten die Webanalyse-Daten des Kunden, wurde die Absprungrate von der Webseite während der Kampagne deutlich gesenkt von bis zu 90 Prozent auf durchschnittlich 62,57 Prozent. Der Streuverlust wurde erfolgreich minimiert. Bei einer Bruttoreichweite von 1,7 Millionen Usern wurde das Werbemittel im Schnitt rund 2,6-mal pro User ausgespielt.
Ansatzpunkte schaffen
Natürlich sind jede Kampagne und jedes Unternehmen unterschiedlich. Die 40-Stunden-Regel der Einzelhandelskette mag für das Unternehmen und die Mode-Branche, in der es sich bewegt, zutreffen. Auch die Autohaus-Gruppe bewegt sich in dieser Spanne. Am Ende muss aber jedes Unternehmen seinen eigenen Ansatzpunkt schaffen, von dem aus es Kampagnen und den zeitlichen Aufwand, den ein Dienstleister liefert, bewertet und ins Verhältnis setzen kann. Jeder Advertiser sollte dafür – auch im Namen der transparenten Zusammenarbeit – einen Einblick in die geleisteten Arbeitsstunden auf seiner Kampagne erhalten. Nicht nur können Angebote und Preise so besser verglichen werden, es hilft auch, die geleistete Arbeit und den Aufwand in einem anderen Licht zu sehen und eine neue Wertschätzung für die Arbeit im Maschinenraum zu entwickeln.
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