Am 15. August ging mit dem Transparency & Consent Framework (TCF) 2.0 in Europa ein neuer Standard für das Einholen, Sammeln und Verwalten von Zustimmungen fürs digitale Advertising an den Start. Bis Ende September ist der Vorgänger in der Version 1.1 noch aktiv, dann wird der damit eingeholte Consent ungültig. ADZINE hat auf der Einkaufs- und Verkaufsseite nachgefragt, wie sich das neue Regelwerk bislang in der Technologielandschaft etabliert hat und welche Auswirkungen dies mit sich führt. Die Zustimmungs-Quoten sind demnach überraschend positiv und die Marktdurchdringung des TCF 2.0 schreitet zügigen Schrittes voran.
Vermarktung: Geringe Ablehnungsquoten, aber bislang kein höherer TKP
“Wir haben am ersten Wochenende am 14. und 15. August etwa 85 Prozent unseres Inventars von circa 1 Milliarden Ad Impressions pro Monat auf TCF 2.0 mit der CMP von Sourcepoint umgestellt. Im weiteren Verlauf ziehen wir immer mehr Inventar nach, sodass wir bis spätestens Anfang November bei 100 Prozent sein werden. Bis dahin läuft der Rest noch auf Basis von dem legitimierten Interesse”, so Tibor Gaddum, Geschäftsführer von Quarter Media, zu dessen Portfolio Seiten wie Duden.de gehören. Wenn das legitimierte Interesse als Grundlage dient, wird der User lediglich über das “klassische” kleine Cookie-Banner davon in Kenntnis gesetzt, dass Cookies verwendet werden, und nicht wie neuerdings gefordert umfangreich über die Zwecke zur Datenerhebung informiert. Das noch ältere Regelwerk TCF 1.0 sei nur in einem Fall im Einsatz gewesen und dieser wäre bereits auf TCF 2.0 umgestellt worden.
“Wir sehen insgesamt sehr hohe Zustimmungsquoten und äußerst geringe Ablehnungsquoten, die sich im unteren einstelligen Prozentbereich bewegen”, erklärt Gaddum weiter. “Von daher ist nicht viel Inventar ‘verloren’ gegangen. Auf der anderen Seite hatten wir uns von Beginn an eigentlich höhere TKPs von der Nachfrageseite für diese höherwertigen ‘TCF-2.0-User’ erhofft, was bislang ausgeblieben ist. Jetzt hören wir von mehr und mehr Nachfragepartnern, dass diese damit beginnen non-TCF2.0-konformes Inventar nicht mehr abzunehmen. Spätestens dann wird diese beschriebene Effekt vielleicht doch noch eintreten. Zumindest können wir so für unsere Publisher mehr Rechtssicherheit schaffen und potentielle Nachfrage-Verluste abwenden”, resümiert der Quarter-Media-Chef.
Agentur: TFC-nonkonformer Traffic stammt mehrheitlich aus dem Ausland
Auf der Agenturseite bestätigt sich der Eindruck, dass die Umstellung flächendeckend erfolgt ist. “Unsere Wahrnehmung ist, dass alle großen deutschen Vermarkter in einem gleitenden Prozess seit dem 15.8. auf das TCF 2.0 umgestellt haben”, meint Tobias Wegmann, CTO der Serviceplan-Tochter PREX. Doch nicht nur das: “Gleichzeitig verwehren sie auch immer mehr den Trackern, die nicht TCF-Mitglieder sind, den Zugang auf ihr Inventar. Auf großen Portalen wie zum Beispiel Bild.de hat sich in den letzten Wochen die Zahl der geladenen Tracker mehr als halbiert – ein Fakt, der sich leicht von außen verifizieren lässt”, so der Programmatic-Experte.
Wegmann nennt darüber hinaus konkrete Zahlen: “In unseren DSPs sehen wir beim angebotenen Traffic inzwischen einen TCF2.0-Anteil von etwas über 30 Prozent, dazu kommen etwa 8 Prozent TCF1-Volumen. Bei Yieldlab, wo wir auch einen SSP-Seat betreiben, der vornehmlich hochwertigen DE-Traffic adressiert, liegt der Anteil von TCF 2.0 aktuell bei etwa 70 Prozent, dazu kommen noch 5 Prozent TCF1-Volumen. Das Volumen, das nicht TCF-enabled ist, kommt unserer Wahrnehmung nach vor allem aus dem Ausland und aus dem Longtail kleiner Publisher und Webseiten.”
Verkaufstechnologie: Hohe TCF-Quoten und steigende TKPs
“Wir gehen derzeit mit großen Schritten auf das neue TCF 2.0 Framework zu, zuvor hatte der Markt in Deutschland ja eher verhalten auf das Thema Einwilligung reagiert, jedenfalls im TCF1.1-Kontext”, meint Lasse Nordsiek, Country Manager DACH beim Adserver Smart. “Neben dem im Mai gefällten BGH-Urteil zur Cookie-Einwilligung, dürfte vor allem der zunehmende Druck auf der Einkaufsseite für einen entsprechend ökonomischen Druck sorgen. Das sind vor allem die größeren DSPs und Trading Desks, die außerhalb des Walled-Garden-Universums zu Ende September eine harte Linie fahren wollen und nur noch auf User bieten werden, für die ein 2.0-Signal übermittelt wird”, glaubt Nordsiek.
Auch er kann konkrete Zahlen nennen, sieht aber wohlgemerkt lediglich die DSPs, die bei ihm einkaufen, und kann dort im Gegensatz zu Gaddum einen höheren TKP für TCF2.0-Traffic erkennen: “12 der bei Smart angeschlossen Buyer (DSPs) bieten bereits jetzt ausschließlich auf Consent-fähige User (>90 Prozent) in Deutschland, weitere acht haben eine positive TCF-Quote von über 70 Prozent. Positiv ist, dass der gemessene Uplift in Bezug auf den TKP im Durchschnitt 75 Prozent über alle an die Smart SSP angeschlossenen DSPs beträgt. Dies ist eine sehr positive Entwicklung und zeigt, dass GDPR und TCF nicht nur eine Bedrohung darstellen, sondern dass sich daraus auch Chancen ableiten lassen.”
Einkaufstechnologie: Europaweit circa 75 Prozent TCF2.0-Traffic
“Das IAB plant, TCF 1.1 am 30. September 2020 abzuschalten und ich bin zuversichtlich, dass die allermeisten Marktteilnehmer – auch in Deutschland – bis dahin die Einwilligung der Nutzer nach TCF 2.0 einholen”, so Sven Hagemeier, Inventory Partnerships EMEA bei The Trade Desk. “Aktuell akzeptieren wir bei The Trade Desk beide Versionen, eben bis zum 30. September. Zur Mitte des Monats September waren von allen TCF-Einwilligungen, die wir europaweit im System erhalten haben, ungefähr drei Viertel schon TCF 2.0, Tendenz steigend”, verrät Hagemeier mit einem Blick auf die Zahlen.
Er sieht die bisherigen Bemühungen in Sachen Aufklärung jedoch kritisch: “Allerdings können wir als Branche noch besser werden, den Nutzern wirklich zu erklären, warum es sich lohnt, datenschutzgerechter, personalisierter Werbung zuzustimmen. Denn nur so erhalten sie Zugang zu einer riesigen Vielfalt an hochwertigem Journalismus, Unterhaltung und Services, ohne dafür zu zahlen. Diesen Dialog auf Augenhöhe mit dem Nutzer benötigen wir für das langfristige Überleben eines offenen, freien Internets“, schließt Hagemeier.
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