Das Coronavirus hat sich die vermeintliche Stärke der globalisierten Welt zunutze gemacht und sich dank der starken Vernetzung und Reisetätigkeit der Menschen in rasender Geschwindigkeit über den Globus verteilt. Mit den Eindämmungsmaßnahmen der Regierungen kam infolge das Reisen zum Erliegen und die Reisebranche samt aller damit verbundenen Dienstleister stürzte in eine nie dagewesene Krise. Der Sommer brachte zwar einen leichten Aufschwung in der Tourismusbranche, jedoch kann von Normalität nicht gesprochen werden. Nun veröffentlichte Analysen von Sojern und Mastercard zeigen die aktuellen Entwicklungen im Online-Verhalten des Travel-Sektors in Europa und können als ein Indikator dafür dienen, ob und wie viel Budget Werbetreibende aus diesem Feld insbesondere in ihr Performance-Marketing investieren sollten.
Reisedatenspezialist und Programmatic-Advertising-Plattform Sojern hat für seine aktuelle Analyse zum Einfluss des Coronavirus auf die Reisebranche in Europa die eigenen Daten ausgewertet. Als Spezialdienstleister kann das Unternehmen über 350 Millionen Audience-Profile aus dem Travel-Segment vorweisen, die auf der Analyse von touristischen Buchungsverhalten basieren. Dieses Datensilo speist sich aus Daten von Suchmaschinen, Flugportalen, Hotelketten oder anderen Anbietern aus der Reisebranche. Dementsprechend kann die Analyse ein durchaus valides Bild der aktuellen Situation liefern, bildet aber nicht 100 Prozent des Marktes ab. Dabei haben aktuelle Anpassungen von Reisewarnungen und andere Restriktionen einen enormen Einfluss auf das Geschehen am Markt. Die Analyse schließt Daten bis zum 24. August mit ein.
Flug- und Hotelbuchungen erholen sich langsam
Die Daten von Sojern zeigen eine leichte Erholung der Flugbuchungen in Europa. So sind die weltweiten Buchungen von Flügen nach Griechenland wieder deutlich gestiegen, im Jahresvergleich liegt das Niveau aber immer noch um circa 20 Prozent niedriger. Anfang August zogen auch die Buchungen nach Portugal deutlich an. Einen erneuten Absturz verzeichneten hingegen die Flugbuchungen nach Kroatien. Die Bekanntgabe neuer Reiserestriktionen und die Erklärung des Landes zum Risikogebiet haben die Buchungen im Vorjahresvergleich von -34 Prozent auf -53 Prozent sinken lassen. Flugbuchungen nach Deutschland sind im Vergleich immer noch sehr zurückhaltend. Dies könnte aber auch dadurch erklärt werden, dass Deutschland gemeinhin nicht als klassisches Urlaubsziel gilt.
Bezüglich der Suche nach und der Buchung von Hotels in europäischen Schlüsselmärkten deutet sich ebenfalls eine leichte Erholung an. Lagen so etwa Ende April in Deutschland die Hotelbuchungen noch 91 Prozent unter den Zahlen aus dem Vorjahresvergleich, ist dieser Rückgang mittlerweile auf 57 Prozent geschrumpft. Besonders schlecht performen laut Sojern immer noch die Buchungen hin Italien und Spanien. Frankreich hingegen performt äußerst gut. Ende August lagen die Buchungen nur noch 34 Prozent unter denen vom Vorjahr. Insbesondere die Suche nach Hotels in Frankreich war zwischenzeitlich auf demselben Niveau wie letztes Jahr. Eine besonders große Diskrepanz zeigt sich bei Hotels in Italien. Hier wird wieder häufiger danach im Internet gesucht, aber nicht gebucht.
Privatreisen sind für Aufschwung verantwortlich
Auch der Zahlungsdienstleister Mastercard hat sich mit den aktuellen Entwicklungen der Reisebranche auseinandergesetzt und in seiner Studie “Travel Check-In: A Global Perspective” die Veränderungen in den G20-Ländern untersucht. Dazu wurden die Ausgaben in Reisesegmenten wie für Fluggesellschaften und Unterkünfte, aber auch Freizeitaktivitäten wie Restaurantbesuche ausgewertet. Hier zeigt sich, dass zum Großteil Privatreisen für den Aufschwung verantwortlich sind. Eine Analyse der Ausgaben von privaten Karten im Vergleich zu Geschäftskarten des Zahlungsdienstleisters ergibt, dass die Ausgaben für private Flugreisen und Mietwagen höher sind als die von Geschäftsreisen. Weiterhin erholt sich laut Mastercard der Tourismus in Italien, Russland und Frankreich am schnellsten. Bezüglich Italien widerspricht sich die Auswertung im Vergleich zu den Zahlen von Sojern. Frankreich scheint sich aktuell am besten zu erholen. Österreich folgt auf Platz vier und Deutschland belegt den fünften Platz. Länder wie Brasilien, Indien und die USA werden hingegen derzeit kaum bereist.
Implikationen für Werbetreibende
Die Ergebnisse der beiden Studien können den Werbetreibenden im Travel-Segment durchaus dabei helfen abzuschätzen, ob und wie viel Budget sie in Werbung am Ende des Funnels aktuell stecken sollten. Bezogen auf Retargeting etwa könnte sich Werbung für französische Urlaubsziele als durchaus lohnenswert erweisen. Auch nach italienischen Zielen wird derzeit vermehrt gesucht. Hier klafft allerdings eine große Lücke zwischen Suchen und der tatsächlichen Buchung. Werbung für Kroatien und Spanien muss aufgrund der angespannten Infektionssituation in diesen Ländern kritisch betrachtet werden. Generell ist die Lage in Europa äußerst dynamisch. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Situation in den nächsten Wochen und Monaten entwickeln wird.
Takeaways
- Es zeigt sich eine leichte Erholung der Reisebranche in Europa.
- Flug- und Hotelbuchungen ziehen langsam wieder an. Besonders gut performen hier französische Reiseziele. Deutschland erholt sich langsamer.
- Privatreisen sind maßgeblich für den Aufschwung verantwortlich.
- Die Ergebnisse der beiden Studien können den Werbetreibenden im Travel-Segment durchaus dabei helfen abzuschätzen, ob und wie viel Budget sie in Werbung am Ende des Funnels aktuell stecken sollten.