Werbeindustrie in der Zwickmühle zwischen Auftrags- und Fachkräftemangel
27. August 2020 (jh)Für die deutsche Wirtschaft ist das aktuelle Jahr alles andere als leicht. Die Corona-Pandemie hat viele Unternehmen ins Straucheln gebracht und die Konjunktur abgeschwächt. Die Werbeindustrie ist ebenfalls stark betroffen, werden doch vielerorts Werbegelder eingefroren oder zusammengestrichen. Dies wirkt sich auch auf den Arbeitsmarkt der Branche aus. Laut der aktuellen Stellenanalyse des Zentralverbands der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) gingen Jobofferten in den ersten sechs Monaten des Jahres 2020 um fast 40 Prozent zurück. Die Arbeitslosenzahlen steigen im gleichen Zug deutlich an.
Demnach wurden laut der Trendanalyse lediglich 2.582 Stellen im ersten Halbjahr 2020 im Vergleich zu 4.168 Jobangeboten im Vorjahreszeitraum geschaltet. Das ist ein Rückgang um fast 40 Prozent. Die Analyse des ZAW umfasst die Auswertung von Jobangeboten in ausgewählten Medien, Websites und Portalen sowie in sozialen Netzwerken.
Das Jahr 2020 war laut ZAW bereits schwach gestartet. Im Januar war ein Minus von 34 Prozent, im Februar von 25 Prozent als Folge der leichten Konjunktureintrübung zu beobachten. Im März erholte sich der Arbeitsmarkt für Werbeberufe jedoch deutlich und zeigte nur noch einen leichten Rückgang der Jobangebote um zwei Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Dann folgte jedoch der Einbruch im Zuge der weiterhin anhaltenden Corona-Krise. Die “Lockdown-Monate” April und Mai machten sich besonders bemerkbar und wirkten massiv auf den Stellenmarkt ein. Um 50 Prozent (April) bzw. 54 Prozent (Mai) wurden die Jobangebote in der Werbeindustrie reduziert. Im Juni und Juli zeigt der Arbeitsmarkt weiterhin keine Erholung. Hier gingen die Jobofferten um 62 Prozent bzw. 68 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurück.
Die Situation schlägt sich auf fast alle Werbeberufe nieder. Bis auf Planner, Gestalter für visuelles Marketing und Back Office sind alle Berufe der Werbeindustrie in den roten Zahlen. Der Nachfragerückgang nach Jobs trifft vor allem klassische Agentur- und Medienberufe wie Grafiker (-58 Prozent), Art-Direktoren (-54 Prozent) und Mediaexperten (-42 Prozent). In der Marktforschung (-71 Prozent) wurden ebenfalls deutlich weniger Stellen ausgeschrieben. Geschäftsführer-Posten (-89 Prozent) wurden überproportional weniger gesucht.
GWA-Präsident Benjamin Minack kommentiert die prekäre Situation: “Agenturen stehen hier vor einer großen Herausforderung. Einerseits ist das Problem des Fachkräftemangels natürlich nicht verschwunden, andererseits weiß derzeit niemand, wie sich die Wirtschaft und damit die Auftragslage der Agenturen entwickeln wird. So wichtig es also nach wie vor wäre, Talente zu gewinnen und zu halten, so schwierig ist dies aktuell wegen der ungewissen ökonomischen Entwicklung.”
Arbeitslosenzahlen steigen deutlich an
Wie in einer solchen Situation zu erwarten, zeichnen die Arbeitslosenzahlen der Bundesagentur für Arbeit ein ähnliches Bild: Während die ersten Monate des Jahres ein durchschnittliches prozentuales Plus von 5 Prozent mehr Arbeitslosen im Bereich Werbung und Marketing aufwiesen, stiegen die Zahlen ab April drastisch an. Im April waren über 22 Prozent mehr Menschen in dieser Branche arbeitslos, im Mai über 34 Prozent und im Juni sogar fast 40 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.
Aussagekraft der Analyse-Methode weiterhin fraglich
Wie schon bei der letzten Erhebung des ZAW bleibt unklar, wie viele Jobausschreibungen insgesamt untersucht wurden und welche konkreten Portale Berücksichtigung fanden. Laut Angaben des ZAW werde die Untersuchung “kontinuierlich an die Median- und Stellensituation angepasst”. Dies erschwert selbstverständlich den Vorjahresvergleich, in diesem Fall zur Erhebung von 2019 jedoch nicht, da die Erhebungsmethode dieses Mal unverändert geblieben ist. Insgesamt zeigen die Ergebnisse einen Trend auf. Dieser sieht für den Arbeitsmarkt der Werbeindustrie momentan jedoch leider alles andere als positiv aus.
Es bleibt abzuwarten, wie sich die nächsten Monate entwickeln werden. Andreas F. Schubert, ZAW-Präsident, wagt hierzu eine Prognose: “Die ausgeprägt negative Entwicklung im Arbeitsmarkt ist angesichts des gesamtkonjunkturellen Einbruchs zu erwarten gewesen. Die Branchen, deren Situation und Perspektiven immer noch deutlich eingetrübt sind, überwiegen allzu deutlich – und damit auch der Druck auf die Werbebudgets und die Beschäftigungssituation der Branche. Entscheidend wird sein, wie schnell sich die Binnennachfrage und die vorgelagerten Märkte erholen, um auch in unserem Sektor wieder eine Aufwärtsbewegung zu sehen – und zum Niveau vor der Corona-Krise zurückzukehren. Wir müssen hier aber realistisch sein: Das Ausmaß der Eintrübung des Arbeitsmarkts ist erheblich und die Aufschwungprognosen haben sich zuletzt nochmal nach hinten verschoben – trotz des Konjunkturpakets. Deshalb ist es auch keinesfalls die Zeit, Regulierung, die die Erholung der Branche hemmen würde, weiter hochzuschrauben. Deshalb sind wir auch besorgt über eine Reihe von Vorhaben, die dem Ernst der Situation nicht gerecht werden und fordern den Bund wie die Länder auf, das angekündigte Belastungsmoratorium zu beachten.”
Takeaways
- In den ersten sechs Monaten des Jahres 2020 gingen die Jobofferten in der Werbe- und Marketingindustrie um fast 40 Prozent zurück.
- Die Situation schlägt sich auf fast alle Werbeberufe nieder. Bis auf Planner, Gestalter für visuelles Marketing und Back Office sind alle Berufe der Werbeindustrie in den roten Zahlen.
- Wie in einer solchen Situation zu erwarten, zeichnen die Arbeitslosenzahlen der Bundesagentur für Arbeit ein ähnliches Bild.