Der digitalen Marketing-Branche steht ein wichtiges Update bevor: Am 15. August wird ein neuer gemeinschaftlicher Standard eingeführt, der Website-Nutzern mehr Kontrolle über ihre persönlichen Daten und mehr Transparenz bei der Verarbeitung dieser für werbliche Zwecke gibt. Der Standard, das sogenannte Transparency and Consent Framework, kurz TCF, ist an sich nicht neu. Es wurde 2018 vom europäischen Advertising-Branchenverband IAB Europe eingeführt. Ziel der Initiative war es, einen gemeinsamen, DSGVO- und Eprivacy-konformen Standard zur Erhebung und Verwendung von persönlichen Daten zu schaffen. Mit TCF 2.0 folgt nun Mitte August ein Update, das für noch mehr Datensicherheit, -kontrolle und Transparenz im Sinne der Nutzerinnen und Nutzer sorgt. Das stellt das digitale Werbegeschäft vor neue Herausforderungen.
Neue Targetingstrategien sind gefragt, mit denen Unternehmen ihre Zielgruppen auch dann noch online erreichen können, wenn die Cookie-Ausbeute mau ist. Doch selbst im Angesicht der absehbaren Einbrüche halten viele Werbetreibende, Vermarkter und Publisher noch immer an den aktuellen Online-Marketing-Strategien fest, die sich seit jeher stark an den persönlichen Daten der Nutzer orientieren. Das ist keine gute Strategie.
TCF 2.0 – Was sich für die digitale Werbebranche ändert
Die neue Version des TCF legt zehn konkrete Zwecke für die Verarbeitung von persönlichen Daten fest, über die Nutzer aufgeklärt werden müssen und denen sie zustimmen müssen. Relevant für die Werbebranche sind dabei: das Speichern von Informationen auf Geräten, Anzeigen-Aussteuerung nach Targetingkriterien, personalisierte Anzeigen, Messung von Anzeigen- und Content-Leistung, Marktforschung und Produktentwicklung.
Zusätzlich ermöglicht die neue Version die Abbildung von legitimem Interesse als Rechtsgrundlage für die verschiedenen Verwendungszwecke. Mit dem Inkrafttreten von TCF 2.0 haben Nutzer somit die Möglichkeit, der Datenerhebung auf der Rechtsgrundlage von “legitimem Interesse” für entsprechende Verwendungszwecke zu widersprechen.
Auf diese Weise gibt das neue Rahmenwerk Konsumentinnen und Konsumenten mehr Flexibilität bei der Zustimmung zur Verarbeitung ihrer Daten. Sie bestimmen künftig selbst darüber, ob und wie Publisher und Drittanbieter auf Webseiten ihre Daten nutzen und verarbeiten dürfen. Drittanbieter sind eingebundene Technologien wie etwa Adserver, Tracking Tools, Sell-Side-Plattformen (SSPs) und Demand-Side-Plattformen (DSPs). Diese werden benötigt, damit programmatische Werbekampagnen mit nutzerbasiertem Zielgruppentargeting funktionieren können.
Website-Betreibern gibt das TCFv2.0 mehr Flexibilität und Kontrolle über die Integration und Zusammenarbeit mit den Technologie-Partnern. Neue Funktionen ermöglichen ihnen individuell pro Anbieter zu bestimmen, ob und wie dieser Daten ihrer Website-Nutzer verarbeiten darf.
Google hat sich bereits zu dem Rahmenwerk von TCF 2.0 bekannt. Die Teilnahme von Google wird sicherlich dazu beitragen, dass sich der Standard bald flächendeckend in Europa durchsetzen wird.
Was die Änderungen für das digitale Werbegeschäft bedeuten
Mit dem neuen Rahmenwerk hängen Anbieter programmatischer Werbelösungen, also jene, die persönliche Daten verarbeiten, stärker von der Einwilligung der Nutzer zur Datenverarbeitung ab als je zuvor. Denn diese müssen künftig der Verwendung ihrer Daten für die verschiedenen Zwecke zustimmen.
Die große Herausforderung wird sein: Wir werden einen Rückgang an Nutzern sehen, denen wir personalisierte Werbung ausspielen und entsprechend den Erfolg messen können. Wie hoch dieser Rückgang ist und wie er sich in den kommenden Monaten nach Umstellung auf die Version 2.0 entwickelt, hängt davon ab, wie sich das Framework im Markt etabliert, welche rechtlichen Vorgaben wir zukünftig für die Gestaltung des Abfrage-Banners erhalten und wie diese von den Publishern umgesetzt werden. Erste Erfahrungswerte unserer Kunden aus Ländern, in denen es bereits Richtlinien für die Gestaltung des Banners gibt, zeigen, dass zum Beispiel Consent-Raten auf bis zu 50 Prozent sinken können, wenn die Möglichkeit der Ablehnung der Datenverwendung genauso prominent gestaltet ist wie die Zustimmung. Ein Nutzer, der keine Zustimmung zur Nutzung seiner Daten gegeben hat, kann zukünftig in viele Szenarien der digitalen Werbung nicht mehr einbezogen werden.
Deshalb ist Abwarten und Hoffen keine gute Strategie für die digitale Werbewirtschaft, wenn sie weiterhin die richtigen Zielgruppen erreichen will, unabhängig davon, wie viele Nutzer über Cookies identifiziert werden können. Der neue Rahmen verlangt nun nach Werbelösungen, die sich nicht nur auf persönliche Daten stützen und vor allem flexibel sind und sich an die neuen Gegebenheiten anpassen können.
Zukunftsfähige Targetingstrategien
Ob es die Einführung von TCF 2.0 ist, ein neues BGH Urteil oder die Browser-Anbieter, die regulatorisch in den Markt eingreifen – zeitgemäße Targetingstrategien wissen um die Vergänglichkeit des berühmt berüchtigten Cookies und machen sich frei von der Fixierung auf persönliche Nutzerdaten, die im digitalen Marketing so lange vorgeherrscht hat. Große Anbieter wie Google, Facebook und Amazon versuchen das Problem für sich zu lösen, indem sie Login-Bereiche etabliert und sich im Laufe der Zeit einen großen Pool an First-Party-Daten aufgebaut haben. Außerdem sind sie dazu in der Lage, ihre Nutzer Device-übergreifend zu identifizieren.
Eine Alternative zu nutzerbasiertem Targeting ist das kontextuelle Targeting, bei dem der Inhalt zum Zeitpunkt der Werbeausspielung getargetet wird und somit keine personenbezogenen Daten benötigt werden. Eine Weiterentwicklung dieses Ansatzes, der ja in der Mediaplanung seit vielen Jahren genutzt wird, ermöglicht es die gewünschte Zielgruppe sowohl über das Nutzerprofil, als auch über den konsumierten Inhalt zu erreichen und damit nutzerbasiertes und kontextbasiertes Targeting zu kombinieren. Diese Herangehensweise ist flexibel und funktioniert unabhängig davon, wie viele Nutzer in Zukunft identifizierbar sind und die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten erlauben.
Fazit
Die Digitalmarketingwirtschaft ist nicht nur zum Umdenken, sondern auch zum Handeln aufgefordert – weg von einem ausschließlichen Verlassen auf Cookies hin zu neuen Möglichkeiten einer Zielgruppenansprache mit möglichst wenig Streuverlusten. Damit tut sich die Branche einen großen Gefallen, denn nicht zuletzt rührt ihr schlechter Ruf bei Verbrauchern, der sich unter anderem in der Nutzung von Adblockern widerspiegelt, daher, dass intransparent mit persönlichen Daten gearbeitet wird. Eine datenschutzfreundliche Neuausrichtung kann deshalb auch eine Neubewertung von Werbung seitens der Verbraucher zur Folge haben. Wenn die ausgespielten Anzeigen dann noch einen Mehrwert bieten, dann hat der digitale Werbemarkt eine vielversprechende Zukunft.
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