„Wir sind keine Krisengewinner, aber auch keine Krisenverlierer“
Sandra Goetz, 28. Juli 2020Seit dem 1. Juni 2018 ist Antonius Fromme (46) Chief Customer Experience Officer (CCE) der Freenet AG. Neben Kundenaktivitäten im Kerngeschäft verantwortet der Paderborner alle On- und Offline-Marketing-Aktivitäten. Sein Karriereweg startete vor knapp 20 Jahren in der Mobilfunkbranche. Doch fast wäre der Wirtschaftsingenieur in Thailand hängen geblieben. – Ein Entscheider-Portrait.
ADZINE: Herr Fromme, nach ihrem Abschluss als Wirtschaftsingenieur an der Uni Karlsruhe zog es Sie erstmal nach Thailand. Was haben Sie dort gemacht?
Antonius Fromme: Über einen meiner Professoren habe ich die Möglichkeit gehabt, bei einer NGO in Bangkok zu arbeiten. Das war 1999, kurz nach der Asienkrise.
ADZINE: Hört sich spannend an.
Fromme: Das war es auch. Im AEETC – Asia-Europe Environmental Technology Center – habe ich mit Menschen aus 18 Nationen zusammengearbeitet, heute würde man das Startup-Atmosphäre nennen. Es war ein absolutes Multi-Kulti-Umfeld, toll! Gemeinsam haben wir Partnerschaften zwischen Unternehmen gefördert, die Umwelttechnologien entwickeln, und gemeinsame Forschung vorangetrieben.
ADZINE: In Thailand sind Sie aber nicht geblieben?
Fromme: Das stimmt. Obgleich ich mit dem Gedanken gespielt habe. Ich hatte sogar zwei Job-Angebote, eines kam von dem Surfbretthersteller K2, der in Asien produziert und in Bangkok einen Fertigungsleiter gesucht hat. Meine dann aber doch bodenständige ostwestfälische Herkunft – meine Eltern haben einen großen landwirtschaftlichen Betrieb – hat mich bewogen, wieder nach Deutschland zurück zu kehren.
ADZINE: Seit 11 Jahren sind Sie bereits bei Freenet, angefangen haben Sie 2001 bei der debitel AG in Stuttgart, die ja heute als Marke Mobilcom-Debitel eine Mobilfunktochter der Freenet AG ist. Hatten Sie nie Interesse, mal in eine andere Branche jenseits des Mobilfunks zu arbeiten?
Fromme: Nein, das ist und bleibt eine spannende Branche. Zumal ich hier schon viele Höhen und Tiefen mitgemacht habe, sowohl in der Telekommunikationsbranche, mit all den Konsolidierungen wie auch im Unternehmen.
ADZINE: Was meinen Sie genau?
Fromme: Beruflich bin ich seit fast 20 Jahren mit Debitel und damit Freenet liiert. In dieser Zeit wurde mir schon zwei Mal gekündigt und beide Male wurde ich wieder zurück ins Unternehmen geholt. Seit fünf Jahren bin ich in Hamburg.
ADZINE: Was ist die wichtigste Marke von Freenet? Und was ist der USP?
Fromme: Unsere wichtigste Marke ist Mobilcom-Debitel - der größte netzunabhängige Mobilfunkprovidern in Deutschland. Unser Vorteil ist die Markenvielfalt. Wir haben alle Netze im Angebot und sind entsprechend sehr breit in der Zielgruppenansprache aufgestellt. Für uns ist es wichtig, den B2C Massenmarkt zu erschließen.
ADZINE: Mit welchen Marketingmaßnahmen?
Fromme: Wir haben ein Potpourri im Marketing: von TV über OOH bis hin zu digitalem Marketing. Dort konzentrieren wir uns stärker auf Performance als auf Brand Building. Allgemein lässt sich sagen, dass das digitale Marketing sehr vielfältig geworden ist.
ADZINE: Herr Fromme, Sie sind ja auch für die Entwicklung der Digital-Lifestyle-Strategie und des Digital-Lifestyle-Portfolios innerhalb der Freenet-Unternehmensgruppe zuständig. Was finden Sie hieran besonders spannend?
Fromme: Das Smartphone ist der Mittelpunkt unserer Kunden und daraus abgeleitet ist der Mobilfunkvertrag der Startpunkt für Digital Lifestyle. Hier setzen wir an. Wir verstehen den Mobilfunkvertrag als Plattform für Produkte, die digitale Unterhaltung liefern. Der Vorteil für den Kunden: Er hat alles auf einer Rechnung und kann so leicht den Überblick über seinen gesamten Digital Lifestyle behalten. Zudem ist das super spannend, da in einer wahnsinnig hohen Schlagzahl Innovationen mit einer hervorragenden Customer Experience ins Feld gehen.
ADZINE: Was reizt Sie persönlich besonders am digitalen Marketing?
Fromme: Marketing und Adtech wachsen immer stärker zusammen und verschmelzen gerade zu einer Disziplin. Das fördert einen Innovationsanspruch, dem wir täglich neu begegnen müssen. Das sorgt für Abwechslung und einer kontinuierlichen Herausforderung, die den Arbeitsalltag extrem spannend macht. Darüber hinaus reizt natürlich auch die Vielfalt der unterschiedlichen Touchpoints. Vor 10 Jahren hatten wir im digitalen Marketing nur die Website, heute sind da diverse Social-Channels, App, Newsletter, Google etc., die alle bedient werden müssen.
ADZINE: Wo sehen Sie aktuell die größten Herausforderungen generell für Leiter von Marketing-Organisationen?
Fromme: Dadurch dass Adtech und Marketing zusammenwachsen, werden die Anforderungen an Jobprofile breiter. Klassische Marketers benötigen heute ein generelles Tech Verständnis und umgekehrt müssen unsere Data Experten ein Grundverständnis für Markenbildung mitbringen. Das bringt einen Kulturwandel mit sich, bei dem wir alle Leute mitnehmen müssen. Bei der Geschwindigkeit, mit der heute neue Produkte auf den Markt katapultiert werden, ist es wichtiger denn je eine fail fast Kultur zu leben und den Kollegen klar zu machen, dass Scheitern zum Alltag gehört und innovative Ideen nur durch testen, testen, testen entstehen.
ADZINE: Wird Marketing eher besser durch Wirkungstransparenz oder Entscheidungshilfen oder eher durch Automatisierung und Prozessoptimierung?
Fromme: Sowohl als auch. Das eine funktioniert ohne das andere nicht. Nur im Zusammenspiel ist digitales Marketing erfolgreich.
ADZINE: Können Sie uns eine konkretes Beispiel nennen?
Fromme: Nehmen wir das Beispiel Email-Newsletter: Der Algorithmus kann automatisiert auf Basis gepflegter Daten entscheiden, wann ein bestimmtes Produkt für eine Person relevant ist. Der Marketer muss jedoch eine kreative emotionale Ansprache konzipieren, die sich vom Wettbewerb abhebt. Die Wirkungstransparenz zeigt wiederum auf, ob die Ansprache funktioniert.
ADZINE: Mehr als die Hälfte des Jahres ist rum, die Covid-19-Pandemie begleitet uns noch immer. Wie schätzen Sie die Lage für Ihr Unternehmen ein? Bzw. was wünschen Sie sich?
Fromme: Um es klar zu sagen: Wir sind kein Krisengewinner, aber wir sind auch kein Krisenverlierer. Wir sehen, dass wir deutlich im Online-Vertrieb gewinnen, sind dort gar stärker aufgestellt, als vor der Covid-Zeit. Im stationären Bereich halten wir das Geschäft, wachsen aber nicht mehr. Erfreulich entwickelt sich unser TV-Segment. Dort verzeichnen wir einen Run auf Stay-at-home-Produkte, unser IPTV-Angebot mit Waipu TV läuft hervorragend.
ADZINE: Kann man Covid als eine Art Prozessbeschleuniger verstehen?
Fromme: Sicher, schließlich befinden wir uns in einem anhaltenden digitalen Transformationsprozess. Wir stellen uns die Frage, wie wir unsere Mitarbeiter noch besser mit digitalen Tools ausstatten können, sodass diese, beispielsweise, remote arbeiten können. Ebenso müssen wir für uns die Frage beantworten, wie wir unseren Kunden Technologien in die Hand geben, sodass diese eine größere Customer Experience und Kundenzufriedenheit haben. Das sind an sich keine neuen Fragen, aber jetzt haben diese eine noch stärkere Gewichtung bekommen, als zuvor.
ADZINE: Herr Fromme, wir bedanken uns für das Gespräch und wünschen weiterhin viel Erfolg.